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WHO setzt Grenzwerte runter: Jede Menge dicke Luft

Mit der Neueinstufung der gesundheitlich schädlichen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxid kommt der Verbrenner weiter unter Druck. Vorteil: Was der Luftqualität dient, dient auch den Klimazielen.

Die Luft in deutschen Städten muss sauberer werden: Die WHO hat die Grenzwerte deutlich verschärft. In Städten wie Stuttgart oder München mit chronischem Feinstaub- und NOx-Problem könnte sich der Handlungsdruck weiter erhöhen. | Foto: J. Reichel
Die Luft in deutschen Städten muss sauberer werden: Die WHO hat die Grenzwerte deutlich verschärft. In Städten wie Stuttgart oder München mit chronischem Feinstaub- und NOx-Problem könnte sich der Handlungsdruck weiter erhöhen. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat die Grenzwerte für Luftschadstoffe Stickoxid und Feinstaub massiv heruntergesetzt und übt damit indirekt auch Druck auf die schnellere Transformation der Antriebe im Verkehr aus. Die Belastungen mit Partikeln und NOx müsse start gesenkt werden, fordert die WHO. Danach liegt der Wert für die NO2-Belastung künftig nicht mehr bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wie die EU-Grenzwerte rechtlich bindend vorschreiben, sondern lediglich bei 10 Mikrogramm. Die Empfehlungen für die wichtigsten Luftschadstoffe wie Feinstaub liegen nun bei PM 2.5 bei fünf statt zehn Mikrogramm (EU-Grenwert 25 mg), bei PM10 bei 15 statt 20 Mikrogramm (EU-Grenzwert 40 mg). Auch Ozon, Schwefeldioxid und Kohlenmonixid müssen stärker reduziert werden.

Es gibt keine unschädlichen Grenzwerte

Aus Sicht der Wissenschaft ist der Schritt überfällig, die Auswirkungen der Luftverschmutzung auf die Gesundheit würden noch immer massiv unterschätzt, erklärte etwa Hartmut Herrmann vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leizpzig gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Er spricht von einer "erheblichen Exzess-Mortalität und Morbidität in Europa und weltweit". Belegt ist mittlerweile auch, dass sich negative gesundheitliche Folgen schon bei geringeren Schadstoffkonzentrationen als angenommen zeigten. "Es gibt keine unschädlichen Schwellenwerte", betonte Nino Künzli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut gegenüber der SZ. Schon weit unterhalb der bisherigen Grenzwerte könnten schwerwiegende Gesundheitseffekte ausgelöst werden, ergänzt die Umweltepidemiologin Barbara Hoffmann von der Universität Düsseldorf. Aus ihrer Sicht sei auch "ein bisschen Luftverschmutzung schlecht für den Körper", wenn man ihr täglich ausgesetzt sei. Sie verweist darauf, dass Gesundheitskosten letztlich höher seien als die Kosten für Luftreinhaltung.

Unterschätzte Gesundheitsgefahr: 417.000 vorzeitige Todesfälle in der EU

Generell gilt Luftverschmutzung als eine der größten Gesundheitsgefahren in der EU und weltweit. Die Europäische Umweltagentur geht von 417.000 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr aus. Acht Prozent der Stadtbevölkerung seien Belastungen mit Feinstaub PM 2.5 oberhalb der EU-Grenzwerte ausgesetzt, nach bisherigen WHO-Standards sogar 77 Prozent. Die Organisation unterstreicht, dass 80 Prozent der vorzeitigen Todesfälle sich vermeiden ließen bei Einhaltung der Richtwerte. Laut Umweltbundesamt liegt Deutschland derzeit nur bei Kohlenmonoxid unterhalb der Richtwerte, bei Ozon, NO2 und PM2.5 weit darüber. Vor allem bei letzteren, den feinen Partikeln, ist der Handlungsbedarf groß, die EU-Grenzwerte seien viel zu hoch, beklagt Annette Peters vom Helmholtz Zentrum laut SZ.

Auch im Straßenverkehr muss mehr passieren

Zug in die Entwicklung könnte durch die neuen Leitlinien der EU zur Luftqualität kommen, die eine Anpassung der EU-Normen fordert, wenn die WHO-Empfehlungen publik sind. Daran müssen sich dann die neuen Grenzwerte orientieren. Es seien in den meisten EU-Staaten erhebliche Anstrengungen notwendig, selbst die alten WHO-Richtwerte seien in vielen Ländern nicht annähernd erreicht worden, mahnt Hans-Peter Hutter von der Uni Wien gegenüber der SZ. Er sieht den Vorteil des Handlungsdrucks jetzt darin, dass die meisten Maßnahmen bei Straßenverkehr, Kohlekraftwerken oder auch Hausbrand dem Gesundheits- und dem Klimaschutz dienen würden. Aus seiner Sicht seien die bisherigen Vorgaben der EU eine politische Entscheidung, "wie viele zusätzliche Todes- und Krankheitsfälle man als Gesetzgeber tolieriert - vor allem aus ökonomischen Gründen", analysiert Hutter. Auch der Schweizer Spezialist Künzli sieht die Ursache auch im Lobbyismus, der "Interessen der Industrie über jene der Bevölkerung" gesetzt habe.

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