Wegen E-Fuels: Lässt die FDP das EU-Verbrenner-Aus platzen?

Eigentlich schien die Kompromisslinie der Koalition klar. Nun kündigt FDP-Chef Lindner eine harte Linie in Sachen EU-Verbrenner-Ausstieg an und will unbedingt an technologisch fragwürdigen E-Fuels festhalten. Das könnte zur Enthaltung Deutschlands führen. Doch aus der eigenen Koalition kommt harsche Kritik.

Viel Aufwand, wenig Ertrag: Bei sogenannten E-Fuels wird wegen des hohen Energieeinsatzes bei der Herstellung und Umwandlung ein Wirkungsgrad von 10 bis 15 Prozent erreicht. Bei E-Autos sind es 80 bis 90 Prozent. | Foto: Shell
Viel Aufwand, wenig Ertrag: Bei sogenannten E-Fuels wird wegen des hohen Energieeinsatzes bei der Herstellung und Umwandlung ein Wirkungsgrad von 10 bis 15 Prozent erreicht. Bei E-Autos sind es 80 bis 90 Prozent. | Foto: Shell
Johannes Reichel

Trotz der Einigung der Bundesregierung, den Vorschlag der EU-Kommission zum Verbrennerausstieg ab 2035 zu unterstützen, hat FDP-Chef Christian Lindner nun eine Blockade der eigentlich beschlossenen Kompromisslinie angekündigt. Die Liberalen würden dem europäischen Vorschlag für ein striktes Verkaufsverbot von Verbrennermotoren respektive Zulassung ausschließlich CO2-neutraler Fahrzeuge ab 2035 nicht zustimmen. Man trage dieses "De-facto-Verbot des Verbrennungsmotors", wie Lindner es bezeichnet, nicht mit und halte die "Technologieoffenheit" für einen "wesentlichen Bestandteil der Marktwirtschaft". Laut einem Bericht von Spiegel Online insistiert die FDP offenbar vor allem auf die unter Experten höchst umstrittene, energetisch fragwürdige Option, E-Fuels zur Anwendung zu bringen und damit Verbrennermotoren durch die Hintertür doch eine längere Laufzeit zu verschaffen. In der von der FDP nach bisheriger Zustimmung im letzten Moment überarbeiteten Fassung der Ministerweisung heißt es nun "keine Unterstützung der Kompromisslinie". Diese könne man nicht tragen, weil "gemäß dieses Vorschlags der Einsatz von E-Fuels im Bereich der Pkw und leichten Nutzfahrzeuge ab 2035 nicht mehr möglich ist", zitiert der Spiegel aus der geänderten Vorlage.

Obwohl Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Streit für beendet erklärt hatte, schwelte der Konflikt in der Ampel-Koalition weiter. Auch im Koalitionsvertrag lassen schwammige Formulierungen ein Hintertürchen offen. Dort heißt es nebulös: "Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können". Aus Sicht von Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gibt diese Formulierung allenfalls die Anwendung in Sonderfahrzeugen wie Baggern oder bei der Feuerwehr her, die sich außerhalb des Pkw-Flottengrenwertregimes bewegen.

Die EU-Vorlage spart E-Fuels besser gleich aus

Die EU-Vorlage nimmt wohlweislich überhaupt keinen Bezug auf die zweifelhaften E-Fuels, sondern sieht nur Neuwagen ohne CO2-Emissionen als zulassungsfähig vor. Der Zwist eskaliert zum ungünstigsten Zeitpunkt, da der EU-Umweltministerrat am Donnerstag über entscheiden will. Vor allem Hersteller wie Porsche treiben neben der Elektrifizierung die Nischenanwendung mit E-Fuels auch für den großen Altbestand an Fahrzeugen voran, die Zuffenhausener bauen in Südamerika eine Produktionsanlage auf. Eine Enthaltung Deutschlands wäre eine Blamage im Hinblick auf die Klimaschutzbemühungen der Regierung und das Fit for 55-Programm der EU. Die Regierung sei noch in der Abstimmung, wie man sich verhalten werde, hieß es am Mittwoch von einem Sprecher.

Harsche Kritik an Lindners Abkehr von der Kompromisslinie kam von den eigenen Koalitionspartnern.

"Wer sich ambitionierten Zielen verweitert, der versperrt damit innovative Wege. Hier geht es ja nicht um die persönlichen Hobbys von Autofan Christian Lindner, sondern darum, die Klimakatastrophe abzuwenden", kritisierte SPD-Parteivize Thomas Kutschaty gegenüber dem Spiegel.

Er warf Lindner ein "Veto aus ideologischem Reflex" vor und die Verhinderung eines entscheidenden Bausteins zur Klimaneutralität. Die Ampelparteien hätten sich auf einen Ausstieg aus dem Verbrenner geeinigt. Auch die Grünen reagierten mit Unverständnis.

"Christian Lindner scheint innerlich schon in der Opposition zu sein. Das Land geht durch eine große Krise, aber bei ihm geht es nur um Parteipolitik. Das ist verantwortungslos", kritisierte der Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rasmus Andresen.

Grünen-Verkehrspolitiker und MdB Stefan Gelbhaar sieht im Koalitionsvertrag in Sachen Flottengrenzwerte keinen Spielraum. Die Zustimmung sei vereinbart. Lindner müsse sich erklären.