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VW plant Giga-Fabriken für Akkuzellen und präsentiert gute Zahlen

Auf dem Weg zur Einheitszelle: Der Konzern weitet die Pläne mit Akkuspezialist Northvolt aus und will in den nächsten Jahren fünf weitere Zellfabriken aufziehen, um Tesla Paroli zu bieten. Das Geld soll auch aus dem profitablen Verbrennergeschäft kommen, das man bilanzierte.

Protagonisten des sogenannten Power Day, den der Konzern im Stile von Tesla zuvor in den sozialen Medien avisiert hatte (v.li.): Frank Blome, Thomas Schmall, Elke Temme, Jörg Teichmann. | Foto: VW
Protagonisten des sogenannten Power Day, den der Konzern im Stile von Tesla zuvor in den sozialen Medien avisiert hatte (v.li.): Frank Blome, Thomas Schmall, Elke Temme, Jörg Teichmann. | Foto: VW
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Johannes Reichel

Der Automobilhersteller Volkswagen hat bei einer virtuellen Veranstaltung im Vorfeld der Jahrespressekonferenz und unter dem programmatischen Motto "Power Day" Pläne bekanntgegeben, über die bisherigen Akkufertigungen hinaus weitere Zellproduktionen aufziehen zu wollen. Mit dem schwedischen Joint-Venture-Partner Northvolt sollen in den nächsten Jahren vier weitere und damit insgesamt sechs Standorte ein Netzwerk an Akkuzellproduktionen bilden und die Wertschöpfung des Konzerns bei dem neben der Software wichtigsten Schlüsselthema der Elektromobilität erhöhen.

Kein konkretes Ausstiegsdatum: Verbrenner finanzieren Stromer

Man habe "aufgrund des höheren Bedarfs" entschieden, die bislang geplante Zellproduktion neu aufzustellen, heißt es zur Begründung der strategischen Erweiterung. Die Zugleich eine allein für die Batteriefabriken eine geschätzt zwölf Milliarden Euro teure Fokussierung auf batterieelektrische Mobilität darstellt. Wasserstoff, Synfuels oder der Dieselmotor spielten bei der Darlegung der Strategie der nächsten Dekade keine Rolle, auch wenn der Konzern ein konkretes Ausstiegsdatum scheut und die Verbrenner einstweilen noch braucht, wie VW-Marken-CEO Ralf Brandstätter jüngst erklärt hatte. Auch bei der Jahrespressekonferenz unterstrich er, es werde weltweit unterschiedliche Geschwindigkeiten beim Verbrennerausstieg geben, der um das Jahr 2040 herum abgeschlossen sein solle. "Wir müssen uns unsere Zukunft verdienen", formulierte er.

Alles auf BEV: Synfuels und Wasserstoff spielen keine große Rolle

Muss man auch nicht zwingend, wenn der interne Technologieführer Audi bereits angekündigt hat, in zwei oder drei Jahren aus der Entwicklung neuer Diesel- und Benzinmotoren aussteigen zu wollen. Das "profitable Verbrennergeschäft" soll nach Diess aber erlauben, "den Wandel zu finanzieren". Was plausibel klingt in Anbetracht 9,3 Millionen verkaufter Autos und Lastwagen, 223 Milliarden Euro Umsatz sowie 10,6 Milliarden Euro Gewinn im Gesamtkonzern, weit besser als befürchtet. In den ersten zwei Monaten 2021 wurden trotz der Corona-bedingten Einschränkungen in vielen Märkten weltweit 15.500 BEVs ausgeliefert - ein Plus von 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In Deutschland stand hier sogar ein Plus von 143 Prozent. Bei den Hybriden betrug mit 16.300 ausgelieferten PHEVs das weltweite Plus 174 Prozent, in Deutschland sogar 291 Prozent. Man habe die Elektromobilität "erfolgreich aufgegleist", so VW-Markenchef Ralf Brandstätter, "Elektromobilität wird Normalität", findet er. Und sein Konzernchef Herbert Diess bekräftigt gleich zu anfangs.

„Lassen Sie mich eines gleich klarstellen. Die Batterie hat das Rennen gewonnen“, erklärte Diess einmal mehr.

Batterielektrische Antriebe seien die „einzige verbleibende Möglichkeit, den Verkehr CO2-frei zu bekommen“, befindet der VW-Konzernchef. 

„E-Mobilität ist zu unserem Kerngeschäft geworden. Nun integrieren wir systematisch weitere Stufen in der Wertschöpfungskette. Wir sichern uns langfristig eine Pole-Position im Rennen um die beste Batterie und das beste Kundenerlebnis im Zeitalter der emissionslosen Mobilität“, proklamierte Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns.

Damit will man die Abhängigkeit von fernöstlichen Lieferanten reduzieren, aber vor allem auch dem kalifornischen E-Auto-Pionier Tesla Paroli bieten, der derzeit in Brandenburg neben einer im Bau befindlichen Automobilfertigung auch die größte Batteriefabrik der Welt angekündigt hat. Volkswagen baut derzeit in Salzgitter die erste eigene Batteriefabrik auf, bis 2023 soll zudem im schwedischen Skellefteå ein weiterer Standort entstehen, dem vier weitere folgen sollen.

„Bis 2030 wollen wir gemeinsam mit Partnern insgesamt sechs Zellfabriken in Europa in Betrieb nehmen und so Versorgungssicherheit garantieren”, erklärt Thomas Schmall, der als Vorstand für den Geschäftsbereich Technik der Volkswagen AG und Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Group Components markenübergreifend verantwortlich für die neue Technologie-Roadmap des Konzerns ist.

Die neuen Werke sollen im Endausbau Zellen mit einem Energiegesamtwert von 240 Gigawattstunden pro Jahr produzieren. Damit sollen die Elektromodelle des Konzerns auch erschwinglicher werden. Zumal man eine "Einheitszelle" plant, mit deren Hilfe die Kosten der noch sehr teuren Speicherkomponente sinken sollen. Diese soll bis 2030 bereits in 80 Prozent aller Konzernmodelle verbaut werden. Durch Synergien und Einheitstechnik will man die Batteriekosten im Einstiegssegment um 50 Prozent drücken, im Volumensegment um 30 Prozent.

Prismatische Perspektive: Beste Option für Übergang zur Festkörperzelle

Neben Kostenvorteilen wartet man in Wolfsburg auch auf Fortschritte bei Speicherkapazität und Schnellladefähigkeit. Die neue, prismatische Einheitszelle biete nach dem Dafürhalten der niedersächsischen Ingenieure die besten Voraussetzungen für den Übergang zur Festkörperzelle, die man als "nächsten Quantensprung in der Batterietechnologie" bezeichnet und bei Volkswagen ab Mitte des Jahrzehnts erwartet.

"Unser Ziel ist es, Kosten und Komplexität der Batterie zu senken und gleichzeitig ihre Reichweite und Performance zu steigern", erklärte Technik-Vorstand Thomas Schmall.

Man werde auch bei der Batterie die Größenvorteile zugunsten der Kund:innen nutzen. Im Durchschnitt will Schmall die Kosten für Batteriesysteme auf deutlich unter 100 Euro pro Kilowattstunde bekommen.

"Damit wird die E-Mobilität endgültig erschwinglich und zur bestimmenden Antriebstechnologie“, glaubt Thomas Schmall.

Gegen den Flaschenhals: Auch die Ladeinfrastruktur soll schneller wachsen

Zugleich kündigte man weitere Investitionen in die entscheidende externe Komponente an: Die Ladeinfrastruktur soll auch dank der Kooperation unter anderem mit den Mineralölkonzernen rasch wachsen. Bis 2025 sollen rund 18.000 öffentliche Ultraschnellladepunkte entstehen. Dazu werden neben dem Joint-Venture IONITY mit BP europaweit rund 8.000 Schnellladepunkte aufgebaut. Die Schnelllader mit 150 kW Ladeleistung sollen an insgesamt 4.000 Tankstellen von BP und ARAL entstehen, ein Großteil davon in Deutschland und Großbritannien.

In Spanien sollen in Kooperation mit Iberdrola vor allem die Hauptverkehrsachsen erschlossen werden. In Italien will Wolfsburg mit Enel kooperieren, um das Schnellladenetz sowohl an Autobahnen als auch im städtischen Raum auszubauen. Für das Gesamtprogramm in Europa wird der Konzern bis 2025 circa 400 Millionen Euro aufwenden. Weitere Umfänge werden von externen Partnern getragen, so die Ankündigung. Auch in den USA und China baut man das öffentliche Schnellladenetz aus. Electrify America plant bis Ende des Jahres rund 3.500 Schnellladepunkte in Nordamerika. In China planen die Niedersachsen über das Joint-Venture CAMS mit insgesamt 17.000 Schnellladepunkten bis 2025.

Zur Hardware soll die Software kommen

Die größte Herausforderung sieht man im Konzern aber zweifellos in der Digitalisierung, wie auch Markenchef Ralf Brandstätter bei der Jahrespressekonferenz betonte. Hier will man mit dem bereits präsentierten Strategieprogramm Acclerate und der eigenständigen Einheit CarSoftware.Org schneller Land gewinnen und die Kraft der bisher 15 einzelnen Softwarefirmen im Konzern bündeln. Diese werde mit angestrebten 10.000 Mitarbeitern das nach SAP zweitgrößte Softwareunternehmen in Europa sein, verkündete man vollmundig. Wobei auch Zulieferer Bosch bereits 17.000 Entwickler im Segment Software beschäftigt. Bis 2025 sollen jedenfalls 60 Prozent der Programmzeilen schon selbst geschrieben sein, bis dato liegt man hier bei mauen zehn Prozent. 2024 soll es ein eigenes VW-Betriebssystem geben und auf dieser Basis dann 2025 mit dem ID.Buzz das erste VW-Modell autonom fahren. 

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