VW Multivan T7: Zwischen Vergangenheit und Zukunft

Wie bei den Pkw rollt der MQB-basierte Multivan als Plug-in-Hybrid an, der elektrischen Alltag mit reichweitenfestem Reisen verbinden soll, leider mit altem 1,4er-TSI. Auch einen TGI mit CNG gibt's nicht. So bleibt ein schaler Beigeschmack, trotz Level-2-Fahrassistenz und Top-Connectivity. Emissionsfrei wird's erst mit dem ID.Buzz.

Flacher, schärfer, dynamischer: Der neue Multivan übernimmt den Part der agilen Großraumlimousine, wahlweise mit Hybrid. | Foto: VWN
Flacher, schärfer, dynamischer: Der neue Multivan übernimmt den Part der agilen Großraumlimousine, wahlweise mit Hybrid. | Foto: VWN
Johannes Reichel

Auf einer neuen Plattform angelehnt an den Modularen Querbaukasten (MQB) der Pkw hat Volkswagen Nutzfahrzeuge den siebensitzigen Multivan T7 vorgestellt. Dieser wird zwischen dem eher gewerblich orientierten VW T6.1 und dem für 2022 angekündigten vollelektrisch angetriebenen ID.BUZZ auf MEB-Plattform mit hohem Automatisierungsgrad positioniert. Für Vortrieb sorgt in dem 4,97 Meter langen (5,17 m), 1,94 Meter breiten, 1,90 hohen und 1,9 bis 2,0 Tonnen schweren Fronttriebler (Multivan T6.1: 4,90x1,90x1,97 m LxBxH), der auch wieder mit langem Radstand zu haben sein wird, standardmäßig zwar primär wie gehabt ein auf Euro-6D upgedateter Diesel-Motor, der weiterhin die Hauptantriebsquelle bilden dürfte.

Allerdings legt der Hersteller wie bei den Pkw der Marke auch einen Plug-in-Hybrid-Antrieb auf, der eine alltagstaugliche elektrische Reichweite mit einer reisetauglichen Verbrenner-Reichweite koppelt. Man verspricht jedenfalls ein neues Multivan-Erlebnis. Die an das Doppelkupplungsgetriebe (DSG) gebundene E-Maschine mit 85 kW soll den frontgetriebenen Van lautlos und lokal emissionsfrei in Fahrt bringen. Wann immer möglich, soll der Multivan eHybrid im „E-Mode“ unterwegs sein. Die elektrische Reichweite sei so ausgelegt sein, dass die typischen Tagesdistanzen emissionsfrei zurückgelegt werden können, verspricht man. Die Rede ist von etwa 50 Kilometern. Bei höheren Geschwindigkeiten respektive je nach Ladestand der Batterie schaltet sich der aus dem alten Passat übernommene 1,4-Liter-Turbobenziner (TSI) mit 160 kW hinzu. Das Systemdrehmoment beträgt 350 Nm.

Reduzierte Anhängelast und Gesamtgewicht

Das dürfte in Summe genügen, um auch die limitierte Anhängelast von 1,6 bis 2,0 Tonnen (Multivan T6.1 2,5 to) zu bewältigen. Alleine könnte der 1,4-Liter-Benziner allerdings einige Mühe haben. Vorsichtshalber ist auch die Zuladung von 683 bis maximal 915 Kilogramm bei einem Leergewicht von 1.884 bis 2.067 Kilogramm niedriger angelegt als beim nutzfahrzeugbasierten T6.1, der mittlerweile von 2.800 bis 3.200 Kilo ausgreift. Die Grundversion des Multivan nimmt bis zur Dachhöhe beladen hinter der dritten Sitzreihe 469 Liter Gepäck auf; bis hinter die zweite Sitzreihe beladen, steigt das Volumen auf 1.844 Liter (1.850 Liter mit Panorama-Glasdach).

Wird das volle Ladevolumen bis hinter die erste Sitzreihe dachhoch genutzt, ergeben sich 3.672 Liter. Die entsprechenden Maße für die verlängerte Karosserieversion betragen 763, 2.171 und 4.005 Liter(4.053 Liter mit Panorama-Glasdach). Obligatorisch für den jetzt als MUV (Multi Utility Vehicle) betitelten Multivan ist ein flexibles Sitzkonzept mit Schienen, auf denen die Sessel umpositioniert werden können. Sie sollen sich aber auch leicht entfernen lassen. Und ein multifunktional nutzbares Modul soll als verschiebbarer Tisch wie als Stauraum dienen.

Den neuen 1,5-l-TSI gibt's nur als reinen Verbrenner

Darüber hinaus kommt der frontangetriebene Multivan mit zwei Turbobenzinern mit 1,5 und 2,0 Liter Hubraum auf den Markt. Sie leisten 100 kW / 136 PS (220 Nm) und 150 kW / 204 PS (320 Nm). Erst 2022 wird ein klassischer 2,0-Liter-Turbodiesel (TDI) mit moderaten 110 kW / 150 PS folgen. Generell serienmäßig ist ein automatisches Doppelkupplungsgetriebe (DSG), beim eHybrid allerdings das ältere 6-Gang-DSG, bei den anderen Benzinern 7-Gang-DSG.

Neues Bulli-Erlebnis: Zumindest für kurze Strecken lautlos

Der Leiter Design von Volkswagen Nutzfahrzeuge, Albert Kirzinger wirbt, man könne innerstädtisch vollelektrisch durch den Alltag pendeln und auf Langstrecken die Vorzüge eines kraftvollen Hybrid nutzen. Die Lithium-Ionen-Batterie mit 13 kWh Kapazität ist im Unterboden des neuen Multivan eHybrid untergebracht, womit man Platz sparen will und gleichzeitig den Schwerpunkt des Vans absenkt, mit entsprechend positiven Effekten für das Handling. Extern geladen wird die Batterie des Multivan über eine Schnittstelle vorn im Kotflügel auf der rechten Seite. Wie üblich will man Ladekarten für das öffentliche „Stromtanken“ sowie Wallboxen zum schnellen Laden daheim anbieten. Sparsamer soll der neue Van aber auch durch eine für einen Kastenwagen mit einem cW-Wert von 0,30 relativ windschnittige Karosserie.

Mehr Fahrerassistenz aus dem Konzernbaukasten

Deutlich erweitert wurde das Spektrum der Assistenzsysteme. Stets serienmäßig: Car2X (lokales Warnsystem), „Front Assist“ inklusive City-Notbremsfunktion (Umfeldbeobachtungssystem), der Spurhalteassistent „Lane Assist“, eine Ausweichunterstützung mit neuem Abbiegeassistent, die Verkehrszeichenerkennung und die Geschwindigkeitsregelanlage. Zu den neuen Systemen gehört der „IQ.DRIVE Travel Assist“, der das teilautomatisierte Fahren von 0 bis 210 km/h ermöglicht. Ein weiteres Novum für einen Multivan sind die optional als Alternative zu den serienmäßigen LED-Scheinwerfern angebotenen „IQ.LIGHT – LED-Matrixscheinwerfer“ mit einer interaktiven Lichtsteuerung sowie das digitalisierte Cockpit mit zwei Screens und wahlweise einem Head-up-Display. Auf den Markt kommen wird der neue Multivan mit verschiedenen Antriebsversionen in der zweiten Hälfte dieses Jahres.

Was bedeutet das?

Bei so viel "Multi" muss man sich erstmal sortieren: Der neue Multivan T7 ist also nicht etwa der Nachfolger des T6.1, also kein Substitut, sondern ein Komplementär. Er soll in die Lücke fahren, die der nach wie vor sehr beliebte T6.1 eigentlich gar nicht richtig lässt, der ja vor allem und gerade wegen seiner "lässigen Lasterhaftigkeit" von Gewerbe wie Privatleuten geschätzt wird. Dennoch: Man sieht eine Nische von eher lifestyle-mäßig orientierten Familien, die sich den am Pkw-Baukasten entlehnten T7 Multivan, jetzt als Multi Utility Vehicle beworben, aber erstmal leisten können. Und trotz des aus dem MQB entlehnten, wie beim Caddy hohen Niveau an automatisierter Fahrerassistenz auf Level 2 und "State-of-the-Art"-connectivity, digitalem Bohei und Komfort-Tralafitti bleibt ein schaler Beigeschmack in Sachen Effizienz und Antrieb.

Denn ob jetzt ein Plug-in-Hybrid in einem Fünf-Meter-Zweitonner, der für die Langstrecke und nicht unbedingt für urbanes Pendeln im Alltag gemacht ist, die goldene respektive "grüne" Lösung ist, darf bezweifelt werden. Eher gilt wie für die antriebsgleichen PHEVs des Konzerns: Ist der Akku (schnell) alle, wird es durstig und träge. Umso mehr, als der altbackene 1,4-Liter-TSI dann neben 2,7 Tonnen eine üppige Stirnfläche gegen den Wind stemmen muss, da wird dann auch ein cW-Wert von 0,30 relativ. Und ob das Versprechen dann noch so zu halten ist "emissionsfrei im Alltag, reichweitenstark im Urlaub" ist ebenso fraglich.

Jetzt rächt es sich, dass man den eigentlich mal für den T6 geplanten Erdgasantrieb mit dem 2,0-Liter-CNG-Motor von Audi nie umgesetzt hat: Denn damit ließe sich über den Umweg Biomethan schon heute eine auch real und nicht nur im PHEV-Prospekt fast klimaneutrale Bulli-Mobilität darstellen.

Dass man die MQB-Plattform nicht nutzt für eine freundliche Übernahme des überaus zeitgemäßen 1,5-Liter-TGI aus Golf, Passat & Co, ist ein grobes Versäumnis im Jahr 2021. Denn umweltfreundliche Langstreckenmobilität ist mit einem 200-PS-Turbo-Benziner vom GTI wohl ebenso wenig möglich wie mit dem höchst fragwürdigen eHybrid.

Hat man in Hannover die Zeichen der Zeit nicht so richtig erkannt? Schließlich bleibt so eine neue Baureihe sieben bis zehn Jahre in der mobilen Welt, die sich solche Verbrenner eigentlich schon heute nicht mehr leisten kann ... CO2-mäßig ist das also eher ein Rückschritt, denn man kann dem Diesel ja viel vorwerfen, aber nicht, dass er nicht im Rahmen der alten Verbrenner-Welt effizient wäre.

Erst mit dem ID.Buzz wird's emissionsfrei: Wer braucht dann einen T7?

Umweltbewusste Multivan-Interessenten werden sich also bis zum vollelektrischen, identisch langen, im Innenraum kaum engeren ID.BUZZ auf MEB-Basis gedulden müssen, der im nächsten Jahr kommen soll. Dann mit einem stringenten Package aus moderner Fahrerassistenz mit Perspektive autonomes Fahren gepaart mit einem modernem Antrieb, der lokal und global emissionsfrei ist. Die Reichweite dürfte real kaum hinter dem PHEV zurückstehen.

Auf der Suche nach einer reichweitenfesten E-Antriebslösung könnte den Hannoveranern auch der Blick nach Frankreich oder Richtung Süden nach Rüsselsheim helfen: Die Stellantis-Töchter von PSA unter technischer Ägide der teutonischen Landsleute von Opel rücken noch im Herbst mit einem wirklich innovativen Fuel-Cell-PHEV an, der hoffentlich auch als Kombi-Version kommt, denn der reine BEV schafft kaum 250 Kilometer am Stück auf der Autobahn. In jedem Fall gilt: So geht Plug-in-Hybrid heute!

Abgesehen davon, konservativere Bulli-Kunden sind vielleicht so konsequent zu sagen: Im Alltag fahre ich Fahrrad, im Urlaub mit dem (Euro6D)Diesel-Bus - und zwar wirklich in die Ferne und ohne jede Reichweitenangst.

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