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VM-Winter-Check VW ID.Buzz GTX LW: Der E-Bulli mag keinen Frost

Wie bei allen MEB-Stromern sinkt auch beim ID.Buzz mit der Temperatur auch die Reichweite rapide. Mehr als 300 Kilometer sind im Winter kaum drin, der Verbrauch ist üppig. Dabei wäre der Stretch-Buzz ein geräumiger komfortabler, höchst agiler und cooler Langstreckenexpress. Der allerdings bei Zuladung und Details patzt.

Langer Radstand, kurze Leine: Im Winter sinkt die Reichweite auf 300 Kilometer. Die Ladeleistung bleibt mit unter 50 kW bescheiden. | Foto: J. Reichel
Langer Radstand, kurze Leine: Im Winter sinkt die Reichweite auf 300 Kilometer. Die Ladeleistung bleibt mit unter 50 kW bescheiden. | Foto: J. Reichel
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Da war es wieder, das spezielle ID-Feeling im Winter, das wir noch von der ersten Generation ID.3 kennen: Rasant schrumpft auch die Reichweite, sobald die Temperaturen unter die 5-Grad-Marke sinken. Pro Kilometer gehen gefühlt vier Kilometer in der Anzeige flöten. Die vielversprechende Maximalreichweite von 475 Kilometern beim langen GTX schrumpft in der kalten Realität auf um die 300 Kilometer. Man fühlt sich mit dem kraftvollen 250-kW-Allradler, der in 6,5 Sekunden wie ein Riesenflummi auf 100 km/h schnellt, wie der Bodybuilder, der vor lauter Kraft kaum noch (weit) gehen kann.

Statt der 21 kWh/100 km, die für den leer fast drei Tonnen (!) schweren Buzz in Ordnung wären, vermeldet der Bordcomputer Werte in Richtung 30 kWh/100 km, die 400-Kilometer-Tour München-Stubai-München stehen 27,5 kWh/100 km auf dem Zähler, zu denen sich noch zwei kWh Ladeverluste gesellen, in Summe 29,5 kWh/100 km. Ähnliches Ergebnis auf der VM-Testrunde, die mit höherem Autobahnanteil bei Null Grad absolviert 28,2 kW/100 km ergibt, nebst Ladeverlusten energiehungrige 32,7 kWh/100 km. Klar, alle Stromer verbrauchen im Winter mehr, aber muss es denn so viel mehr sein?

Eigentlich der neue "Effizienzantrieb"

Der hohe Wert erstaunt umso mehr, als es sich beim Antrieb um das brandneue Synchron-Aggregat App 550 handelt, das an der Hinterachse mit strammen 210 kW und 545 Nm die Hauptvortriebsarbeit leistet, ergänzt um einen 80-kW-Asynchron-Frontmotor (134 Nm), der den GTX zum eigentlich sehr wintertauglichen Elektro-Allradler adelt. Und die Wetterfühligkeit fällt auch deshalb auf, weil die Konzernstromer auf MEB mit selbigem (Single)Antrieb, ein ID.7 Tourer (18,7 kWh/100 km) oder ein Skoda Enyaq (16,9 kWh/100 km) im Sommer exzellente Effizienz an den Tag legten.

Auch der Buzz mit dem alten Antrieb war im Sommer nicht gar so schlecht unterwegs, mit 24,5 kWh/100 km über die VM-Runde, der Cargo kam gar mit 20 kWh/100 km über die Transporter-Runde mit weniger Autobahnanteil klar. Und schließlich: Der zeitgleich getestete MEB-basierte Ford Explorer RWD-ER mit 77-kWh-Akku schlug sich bei Kälte deutlich besser, mit 22,8 kWh/100 km nebst Ladeverlusten. Da müssen die Thermo-Techniker dringend nachlegen.

Sehr wetterfühlig

Man fragt sich: Ist der Akku denn gar nicht isoliert? Was macht eigentlich diese neue Wärmepumpe so? Es hilft alles nichts, die Tour von München bis Innsbruck und weiter ins Stubaital braucht einen Ladestopp, der praktischerweise bei einer längeren Pause in Mittenwald an den hilfreichen Emobility-Schnellladern der Energie Südbayern am Bahnhof erledigt werden kann. Ups, für 74 Cent pro Kilowattstunde! Happig, hier muss die nächste Regierung dringend beigehen, denn sonst bleiben die mittlerweile wirklich fast überall vorhandenen und in unserem Fall auch per EnBW-App (Geldbeutel vergessen!) nahtlos zugänglichen Lader so leer wie bei unserem Halt. 35 Euro löhnen wir für 47,8 kWh, die in 59 Minuten gezogen sind.

Dass der DC-Lader nicht mehr als 50 kW kann, fällt nicht ins Gewicht, weil der Buzz bei Kälte von Minus 5,5 Grad ohnehin die Ladeleistung wie die Reichweite runterfährt und maximal 50 kW zieht, statt eigentlich maximaler 200 kW, mit denen sich der auf Netto 86 kWh vergrößerte Akku der GTX-Allrad-Version in 26 Minuten von zehn auf 80 Prozent bringen ließe - best case. Wir haben da eher den "worst case", aber Winter mit Minustemperaturen in Europa ist eben der Klimakrise zum Trotz immer noch Alltag - und daher obligatorisch für das VM-Test-Prozedere.

Tolles Handling und Performance

All das ist höchst bedauerlich, ist der GTX-Buzz doch ein sehr vergnüglich zu fahrendes Großraummobil: Exzellente Beschleunigung, tolle Traktion, eine bocksteife Karosse wie aus einem Guss, die für ein agiles Handling sorgt, dank toll austariertem Fahrwerk und satter Straßenlage, dass man die bewegten 3,4 Tonnen Gesamtgewicht glatt vergisst. Bis 160 km/h reißt der nahtlose und lineare Vortrieb nicht ab, ein vernünftiges Limit, auch im Hinblick auf den Verbrauch. Dazu summt und zoomt der Buzz leise und fast magisch durch die Landschaft, man genießt die Stille und den Blick durch das "Smart Glass"-Schiebedach, wenngleich das auch offen eher milchig wirkt und die Funktion erstmal "erwischt" werden will.

Platz im Überfluss

Platz gibt es fürstlich auf allen sehr bequemen Sitzen, auch Reihe 3 hat keinen Notsitz, sondern ist erwachsen formatiert und mit Armlehnen und Fächern komplett ausstaffiert und der Komfort ist dank des langen Radstands ebenfalls anständig und nicht "katapult-artig", wie sonst oft bei "Dreireihern". In der zweiten Reihe gibt es gar elektrisch öffnende "Kiosk"-Schiebefensterchen, ganz hinten bleibt man dagegen "luftlos". Dazu kommt eine hohe Flexibilität mit klapp- und verschiebbarem Gestühl, sodass aus dem Van im Nu ein kleiner Transporter oder Wohnmobil wird, dank belastbarer Rückenlehnen, auch ohne das Gestühl zu entfernen. Im Heck gibt's noch das Multiflexboard mit zwei Schubern darunter, praktisch für das Ladekabel. Mit umgelegten hintersten Sitzen stehen üppige 1.340 Liter Kofferraum zur Verfügung, wer Reihe 2 noch klappt, gebietet über 1.878 Liter. Last not least: Den Drahtesel stellt man einfach hinten quer in den "Stall", der allerdings mit knapp zwei Meter Außenbreite auch üppig weit ist.

Der Wendekreis wächst, die Nutzlast sinkt

Doch die dann von noch recht kompakten 4,71 auf 4,96 Meter gestreckte Langversion brockt einem auch gravierende Nachteile ein: Der einst so exzellente Wendekreis weicht einem riesigen Radius, der beim U-Turn zum wagemutigen Rückstoß in den fließenden Verkehr zwingt. Und die ohnehin maue Zuladung schrumpft weiter: Mehr als 470 Kilogramm dürfen die sechs Passagiere und Gepäck bei 3,4 Tonnen Gesamt nicht auf die Wage bringen, 2.930 kg vermeldet die Wage leer. Wie war das mit dem Bodybuilder?

Mängel im Detail und der Ergonomie

Und noch etwas wäre den für ihre Gründlichkeit berühmten Ingenieuren von VW Nutzfahrzeuge früher nicht passiert: Sie haben den Weitwinkelspiegel vergessen, weswegen es einen weiten Schulterblick braucht, um den Radweg gründlich einzusehen. Auch die schießschartenartige Frontscheibe erlaubt teils nicht einmal den Blick hoch zur Ampel. Noch mehr Mängel im Detail gefällig? Die induktive Ladeschale fürs Handy verschluckt selbiges bis zur Unsichtbarkeit. Und irgendwie ist ständig die Lenkradheizung angeschaltet mit den sensiblen Wischtastern.

Die nach etwas Orientierung per Taste im Lenkstockhebel (nicht die Lichthupe!) betätigten Waschdüsen schaffen es kaum auf mittlere Höhe der Windschutzscheibe und der Bulli neigt dermaßen dazu, sich einzusauen, dass die Heckscheibe schon wenige Minuten nach der Waschanlage wieder halbdicht ist. Die fetten Walzen - hinten 265er, vorn 235er, wehe wer den Bordstein schrammt, dann wird's teuer - wirbeln offenbar ebenso mächtig "Staub" auf und sorgen für einen steten "Dreitagebart" am Buzz. Und für häufiges Nachfüllen des Wischwasserbehälters unter der Wartungsklappe vorn.

Bordcomputer als Suchspiel

Und wer sich für den Verbrauch interessiert, der muss erstmal den Bordcomputer im Menü entdecken: Man wählt also Kachelmenü, Fahrzeug, Fahrdaten, umständlicher geht's kaum. Früher war das alles im Lenkstockknopf anwählbar. Zumal es uns nicht glückt, den Bordrechner, in Anbetracht des üppigen Stromkonsums ratsam, fix als Widget zu installieren. Ganz zu schweigen davon, dass das fisselige Zentralcluster einem (anders als beim Update ID.3) keine Möglichkeit lässt, die Fahrdaten hier zu deponieren. Auch nervig: Der ebenso empfehlenswerte und allemal flotte Eco-Modus muss jedesmal neu aktiviert werden.

Gespenstisch dann die Türöffnungslogik: Mal gleitet wie von Geisterhand die (völlig lässliche) elektrische Schiebetür oder die Heckklappe auf, sobald man sich nähert, mal blockiert die Beifahrertür, obwohl die Fahrertür längst entriegelt ist, allen Streicheleinheiten am Türgriff zum Trotz. Mal funktioniert die automatische Schließung, wenn man sich entfernt, mal funktioniert sich nicht. Und über die umständliche Regelung von grundlegenden Funktionen wie Klima und Lüftung per Wischtaster (Slider) oder gar auf dem Grafik-Screen ist schon genug gelästert worden. Eigentlich alles gar nicht so "VW-like", einst wahre Meister der Ergonomie. 

Assistenz mit Tücken beim Parken

Die Fahrerassistenz geht dagegen in Ordnung, sieht man einmal davon ab, dass der Spurassistent sensibler regeln könnte und die Lenkradsensoren weniger sensibel, wenn die Hände den Kranz nicht feste umklammern. Regelrecht aus dem Sitz gerissen wird man in der letzten Mahnstufe, die kurz anbremst. Der Abstandstempomat arbeitet ansonsten zuverlässig, der Stauassistent ebenso, Objekte im toten Winkel bekommt man per LED im Spiegel angezeigt und die Rückfahrkamera (sofern sie nicht eingesaut ist) erlaubt einen weiten und scharfen Blick.

Aber so klug ist das System dann auch wieder nicht: Eine knapp angepeilte Parklücke mit Hecke auf der Beifahrerseite animiert die Notbremse abrupt, den "Stachel" reinzuhauen und den Rangierdienst zu quittieren. Vorwärts das gleiche Spiel, wenn es um präzise Parkarbeit geht. Etwas inkonsequent ist die Strategie, erst bei Lösen der Bremse und Antippen des Gaspedals einen Kriechmodus zuzulassen. Entweder oder. Und dass die eher milde Rekuperation nur einstufig ist, One-Pedal-Drive so nicht möglich, sei der Vollständigkeit halber auch noch erwähnt.

Beim Preis schon in der Oberklasse

All das ist - abgesehen von der für ein Nutzfahrzeug anständigen, für einen Oberklassevan nicht unbedingt angemessenen Hartplastiklandschaft - eines Autos der 80.000-Euro-Liga nicht würdig. Denn auf diesen Preis summieren sich von der GTX-LW-Basis aus mit 75.000 Euro Brutto die Optionen wie Wärmepumpe (unbedingt!), Siebensitzer (konsequent), Anhängekupplung (bei LW 1.600 statt 1.800 kg), Keyless Go (fraglich). Immerhin: Im Privatleasing kommt man mit 506 Euro vergleichsweise günstig weg, über 48 Monate, 10.000 km jährlich, bei 16.000 Euro Sonderzahlung. Ein nicht ganz so praktischer, aber ebenfalls sehr geräumiger und generell siebensitziger Kia EV9 AWD (283 kW, 99,8 kWh) startet da glatt 6.000 Euro günstiger.

Wo bleibt die "german Gründlichkeit"?

Am Ende beschleicht einen das Gefühl, dass das eigentlich vom Prinzip so tolle, am Markt einzigartige ID-Buzz-Paket "BEV-Bus für Alltag & Freizeit", ziemlich schnell und ohne die sonst gewohnte "german Gründlichkeit" entwickelt wurde. Vor allem wenn die einst gesetzten "teutonischen Tugenden" wie Effizienz, Ergonomie, Zuladung zu wünschen übrig lassen. Den langen Radstand und Allrad kann man sich glatt sparen, es bringt mehr Nachteile als Vorteile. Fazit: Package und Basis des Elektro-Bulli passen. Aber in Sachen (Winter)Effizienz und Details gilt: Buzz geht noch besser!

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