Werbung
Werbung

VM-Vorstellung VW ID. 2all: Der Golf für die neue Zeit - braucht noch Geduld

Der China-Konter: Mit dem ID. 2all kommt endlich ein elektrischer "Volks-Wagen", der die Markentugenden hochhält: Viel Platz auf wenig Fläche, Effizienz und Performance, vernünftiger Preis, zeitloses Design. Größtes Manko: Er startet erst 2025! Erste Eindrücke.

Ruht in sich: Das coole und klassische Design stellt eine Abkehr von der extrovertierten Mode und eine Rückkehr zur Zeitlosigkeit des VW-Designs dar. Irgendwo zwischen Polo und Golf. Man könnte auch sagen: Elektrisch wird normal! | Foto: VW
Ruht in sich: Das coole und klassische Design stellt eine Abkehr von der extrovertierten Mode und eine Rückkehr zur Zeitlosigkeit des VW-Designs dar. Irgendwo zwischen Polo und Golf. Man könnte auch sagen: Elektrisch wird normal! | Foto: VW
Werbung
Werbung
Johannes Reichel

Spät kommt er, doch er kommt, der erste "echte" Volks-Wagen unter den Stromern. Bis 2025 müssen sich Kunden noch gedulden! Das ist der größte Wermutstropfen der mit großem Pomp begangenen Vorstellung des seriennahen Konzepts ID. 2 mit dem Zusatz "all", den der Konzern kurz nach Präsentation der VW-Marken-Jahresbilanz in Hamburg vorstellte. Einen wie den ID. 2 hätte man sich statt der Phalanx quobbeliger, schwergewichtiger und (sorry!) etwas glupschäugiger SUV-Derivate von Anfang an gewünscht. Als ersten und eindrucksvollen Aufschlag in Sachen E-Mobilität. Der die Tugenden der Marke auf den Punkt bringt und unter einem Fahrzeugdach vereint und Alltags- und Urlaubsauto in einem sein will.

Auf Polo-Maß mehr Platz als ein Golf

Und ein Mobil, das die Vorteile des E-Antriebs mit dem modifizierten "MEB Entry" endlich konsequent nutzt für ein Package, das auf gut vier Metern Länge, 1,81 Meter Breite und 1,53 Meter Höhe im wohltuenden Format Platz für vier bis fünf Personen samt Gepäck bis 490 Liter bietet, mit in zwei Versionen von etwa 300 bis 450 Kilometern Reichweite sowie Schnellladetechnik auch reisetauglich ist und mit eher etwas üppig erscheinenen 166 kW Leistung die Performance nicht vergisst. Und auch nebst (optionalem) Travel Assist und teilautomatisiertem Fahren die von den Wolfsburgern gewohnte Sicherheit auf hohem Niveau bietet. Kurz: Ein Golf für die neue Zeit.

„Wir überführen die typischen VW Tugenden in die neue Welt der Mobilität: Top-Qualität und Verarbeitung, überzeugende Software und digitale Dienste mit echtem Mehrwert. Dabei immer im Fokus: Die Bedürfnisse und Anforderungen unserer Kunden", erklärt denn auch Imelda Labbé, Markenvorständin für Vertrieb, Marketing und After Sales anlässlich der Vorstellung.

Preis-Frage: 25.000 Euro sind eine mutige Ansage

Ok, es bleibt abzuwarten, ob das alles wirklich zu 25.000 Euro realisierbar ist. Aber schon die Basisversion mit kleinem 38 kWh-Akku dürfte vielen Ansprüchen genügen, die 56-kWh-Variante ist dann auch ein echtes Vollwertauto für Alltag und Urlaub. Und immerhin, das ist eine Ansage. Auch in Richtung der stark aufkommenden Konkurrenz aus China, die mit Modellen wie dem MG4 vorgeprescht war und vorerst auch noch "freie Bahn" hat. Schnelllebige Zeiten. Zugegeben, ganz fair ist das nicht: Der weit vorgeeilte E-Pionier Renault, dessen Zoe im Prinzip im ähnlichen Format daherkommt, wurde aber erst nach der jüngsten Modellpflege wirklich erwachsen und so wertig, wie man es bei den Preisen erwartet.

„Wir transformieren das Unternehmen schnell und grundlegend – mit einem klaren Ziel: Volkswagen zu einer echten Love Brand zu machen. Der ID. 2all zeigt, wo wir hinwollen: nah am Kunden, Top-Technologien und mit tollem Design. Wir wollen die E-Mobilität in die Breite zu bringen", proklamiert Thomas Schäfer, CEO Marke Volkswagen.

Technisch wird der Kompaktstromer auf der weiterentwickelten Plattform "MEB Entry" das erste Modell mit Frontantrieb sein, auch hier also den Markengenen entsprechend. Das schafft Platz im Heck, wo es der Raum wichtiger ist als vorn einen Frunk zu haben.

"Wir nutzen die hohe Flexibilität unseres E-Antriebsbaukastens und werden mit dem MEB Entry neue Maßstäbe in Sachen Technologie und Alltagstauglichkeit setzen. Und dank der Skaleneffekte des MEB sind wir in der Lage, genau wie beim MQB die Technologien der höheren Klassen preiswert in den ID. 2all zu integrieren", wirbt Entwicklungschef Kai Grünitz.

An Golf-Tugenden knüpft man auch in Sachen Raumeffizienz und Praktikabilität an, bisher eher ein Manko des ID. 3 im Vergleich zum konventionellen Bruder. Zu den Detaillösungen gehört dabei eine umklappbare Beifahrersitzlehne, die zusammen mit der 40 zu 60 klappbaren Rücksitzlehne und dem Kofferraumboden eine durchgängige, 2,20 Meter lange Ladefläche ergibt. Im Golf-Format präsentiert sich der 440 Liter große Kofferraum. Als Clou implantiert man unter dem doppelten Ladeboden eine rechteckige Staubox, die mehrere Getränkekisten fasst.

Zusatzfach unter der Rücksitzbank

Statt eines Frunk gibt es ein weiteres Staufach mit 50 Litern Volumen es unter der mit einem Griff hochklappbaren Rücksitzbank. Die Wolfsburger Praktiker sehen hier den Raum für das Ladekabel und Utensilien wie Verbandstasche, Warnwesten und das Tire-Mobility-Set. Darüber hinaus ist in diesem abschließbaren (Tresor-)Fach ausreichend Raum für größere Geräte wie Laptops und Tablets, die dort auch geladen werden können. Vorausschauend packen ist allerdings angesagt, wenn Passagiere im Fond mitreisen. Wird die Rückbank umgeklappt, erhöht sich das Kofferraumvolumen auf für das Maß ebenfalls sehr ordentliche 1.330 Liter Volumen. So muss ein VW sein.

Mehr Effizienz mit dem Frontantrieb

Antriebsseitig hält mit dem "MEB Entry" eine dem Vernehmen nach besonders effiziente Antriebs-, Batterie- und Ladetechnologie Einzug. Mit dem 166 kW (das waren mal 226 PS!) starken E-Synchronmotor an der Vorderachse soll der Kompaktstromer in unter 7 Sekunden auf 100 km/h schnellen. Da wird jeder GTI blass. Technisch ist der Motor direkt in die Vorderachse integriert.

Der weiterentwickelte MEB-Lithium-Ionen-Akku, dessen Kapazität zwischen 38 und 56 kWh liegt, soll "rechnerisch" eine WLTP-Reichweite von 300 bis zu 450 Kilometern schaffen, 350 bis 400 dürften realistisch sein. Dennoch: In Sachen Effizienz, wo sich der MEB bisher generell nicht mit Ruhm bekleckert, sondern ganz Golf-untypisch eher Mittelmaß ist, sollte der ID. 2 einen Zacken zulegen, sprich abspecken und Verbräuche um die 15 kWh/100 km möglich machen.

Wenn man die angepeilten 300 Kilometer der Basisvariante umrechnet auf die 38 kWh Akku, landet man gar bei 12,7 kWh/100 km, zumindest im WLTP. Hier ist aber noch vieles im Schwange, schließlich handelt es sich beim zweieinhalb Jahre vor Marktstart präsentierten Modell noch um ein Mock-up. Aber man wollte nach vielen Ankündigungen und Andeutungen des neuen Chefs halt schon mal konkret zeigen, wohin die Reise geht, meint ein Firmensprecher.

Zeitgemäß schnellladen

Apropos: Die Reisetauglichkeit flankiert dann die Bordladetechnik mit bei allen Modellen wohl 125 kW Leistung, mittels der sich an DC-Schnellladesäulen (Gleichstrom) die Batterie in 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent bringen lässt. An AC-Ladepunkten geht es dann mit den üblichen 11 kW ausreichend flott wieder zu Kräften. Bei der Tourenplanung soll zudem ein besserer E-Routenplaner behilflich sein, Vorbild ganz klar Tesla. 

Flott und doch gutmütig bewegen lassen dürfte sich der ID. 2 dank seines wohl austarierten Fahrwerks, das bei dem "Konzept" auf stämmigen 20-Zöllern ruht und die Kraft souverän auf die Piste bringen dürfte. Mit relativ niedrigem Gewicht darf man auch ein flockiges Handling auf dem Niveau eines Honda-e erwarten. In der Klasse lässt auch der "Fahrerlebnis"-Schalter aufhorchen, den die Macher anpreisen.

Sicherheitstransfer: Keine Abstriche zu den Großen

Die Serienversion des ID. 2all soll mit zahlreichen hochwertigen Technologien der größeren Modelle aufwarten, gekrönt vom sogenannten  "Travel Assist" in der neusten Version, der teilautomatisiertes Fahren realisiert. Eine Auswahl weiterer (sicher nicht ganz billiger) Features sind etwa LED-Matrixscheinwerfer“, 3D-LED-Rückleuchten mit LED-Querspange dazwischen, ParkAssist Plus mit Memory-Funktion (trainiertes Parken), ID.Light (intuitiv nutzbare Lichtsignale für den Fahrer) und elektrische Sitze mit Massagefunktion. Ein großes Panoramadach darf heutzutage nicht fehlen. Damit mutiert der "Volks-Wagen" dann aber zum "Small Premium" und dürfte preislich in Richtung ID.3 oder dem bewusst höherpreisig positionierten Ora Cat tendieren.

Wie ein gespannter Bogen: Back to Golf

Designmäßig trägt das ganze Package ebenfalls der Rückbesinnung auf die Markentugenden Rechnung und soll entsprechend "Sympathie und Stabilität" vermitteln. Man könnte auch sagen: Zeitlosigkeit und norddeutsche Klassik statt der optisch allzu schnell alternden, modisch arg bemühten bisherigen ID-Linie. Das ist auch ein Signal: Elektrisch wird normal - und braucht keinen exaltierten Look mehr. Den Golf zitiert der seit Februar 2023 neue Chefdesigner Andreas Mindt dann auch erklärtermaßen beim neuen Modell und nicht nur den.

„Wir überführen die DNA unserer Ikonen in die Zukunft. Der ID. 2all ist deshalb auch eine Hommage an den Käfer, Golf und Polo", skizziert der oberste Gestalter sein erstes Projekt.

Als charismatisches Element der Stabilität führt er das ursprünglich für den ersten Golf entwickelte C-Säulen-Design, das an die gespannte Sehne eines in Fahrtrichtung zielenden Bogens erinnern soll. Das zweite "stabilisierende" Element ist eine komplett geradlinige Flanke – die seitliche Linie zwischen der A- und der C-Säule. Dieser gerade Verlauf der Fensterlinie sei seit Jahrzehnten für Generationen von Volkswagen stilprägend, so Mindt. Und als drittes Element sieht er die im Designersprech sogenannte "Stance", die visuelle Stabilität.

„Das Volumen über den Rädern muss so heruntergedrückt werden, dass der Wagen auch optisch sehr stabil auf der Straße steht. Beim ID. 2all ist das der Fall", schwärmt Mindt.

Bedienung: Aus Fehlern gelernt - und aus der Vergangenheit

Auch in Sachen Bedienung will man "zurück in die Zukunft" und zu den vielkritisierten ID-Modellen Verbesserungen erzielt haben. So ist das 12,9-Zoll-Touchdisplay des Infotainmentsystems ist mit einer neuen Menüstruktur ausgestattet. Darunter gibt es ein neu entwickeltes, separates Klimabedienteil, auch eine Reaktion auf zahlreiche Kundenkritik. Die wesentlichen Klimafunktionen werden dabei über beleuchtete Tasten gesteuert. In der Mitte des Klimabedienteils gibt es zudem – für Fahrer und Beifahrer gut zugänglich – eine kleine Drehwalze für die Lautstärkeregelung. Darunter in der Mittelkonsole befinden sich gleich zwei große induktive Ladeschnittstellen für Smartphones, die magnetisch arretiert werden.

Neue Einfachheit: Selbsterklärendes Lenkraddesign

Via Drehdrücksteller in der Mittelkonsole lassen sich weitere Fahrzeugfunktionen regeln, zudem wird der Look der digitalen Instrumente geändert. Übersichtlicher und selbsterklärend soll das neue Lenkrad konzipiert sein: links und rechts zwei Drehwalzen und je zwei Tasten, passt. Der Fahrer erhält alle wesentlichen Informationen auf einer Sichtachse über das digitale 10,9-Zoll-Cockpit und ein Head-up-Display. Etliche im Interieur verteilte USB-C-Schnittstellen (45 Watt) und magnetische Halterungen mit induktiver Ladefunktion an den Rücklehnen der Vordersitze versorgen Smartphones. Über eine voll nutzbare 230-V-Steckdose können auch größeren Geräte mit Strom versorgt werden.

„Die Serienversion des ID. 2all wird ein vollwertiges Elektroauto für jeden Tag des Jahres sein. Ein typischer Volkswagen. Mit ausreichend Platz und großer Reichweite, um auch auf der Langstrecke problemlos sein Ziel zu erreichen. Dank des hochvariablen MEB werden unsere Kunden dabei auch in der Preisklasse um 25.000 Euro in den Genuss modernster Technologien kommen. Technologie zu erschwinglichen Preisen. Genau das ist unser Anspruch", propagiert Kai Grünitz.

Leider dauert es noch so lange! Bis dahin kann man sich - sofern man die nötige Haushaltskasse hat - immerhin trösten mit dem jüngst gepflegten ID.3, dem ID. Buzz mit langem Radstand und der Limousine ID.7. 2026 soll dann das elektrische Kompakt-SUV folgen. Und man arbeite "trotz aller Herausforderungen" an einem E-Auto für unter 20.000 Euro, nach Nomenklatur dann ein ID.1. So ausgestattet peilt der Konzern dann einen E-Auto-Anteil in Europa von 80 Prozent an, bis 2030. Bisher kalkulierte die Marke mit einem Anteil von 70 Prozent. Man wolle den "Turbolader für die E-Kampagne zünden", wie Schäfer es in Hamburg ausdrückt. Also doch: Stromwagen fürs Volk!

Was bedeutet das?

Darauf hatte man lange gewartet: Endlich ein echter "Volks-Wagen" für die neue Zeit! Klug, klassich, zeit- und klassenlos, erschwinglich, ein VW, wie man ihn von früher kannte. Doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuße. Etwas ratlos und kopfschüttelnd steht man vor einem "Mock-up", fraglos Modellbau höchster Güte. Aber nicht einmal reinsetzen kann man sich in das Modell. Und der VW-Chef Schäfer bittet die aus aller Herren und Damen Länder angereiste Journaille, das handgeschnitzte Einzelstück doch bitte pfleglich zu behandeln.

So steht der ID. 2all auch da als manifestierter Beweis, dass der Konzern verdammt spät dran ist, mit der Demokratisierung der E-Mobilität.

Der mal bei 30.000 Euro gestartete ID.3 kostet in der gepflegten Neuauflage mindestens "Tesla-teure" 40.000 Euro, der eigentlich so kluge VW e-Up war chronisch vergriffen und ist halt auch kein "ID to all" - ein Wagen für alle und alles - wie die Wolfsburger Marketinger wortspielern.

Es ist eine schwierige Gratwanderung: Man will den Chinesen, allen voran der Staatskonzern-SAIC-Marke MG und deren echten "Volks-Stromwagen" Nummer 4 und 5 jetzt und sofort etwas entgegenhalten. (BYD, Nio und Geely peilen bisher eher auf Mittelklasse und Premiumklientel).

Und kann doch noch nicht mehr, als einen zweifellos leckeren "Appetithappen" auffahren, dessen Entwicklung zur Serie jetzt erst ansteht und frühestens in zweieinhalb Jahren vollendet sein wird.

Das ist in der schnelllebigen Zeit der automobilen Transformation eine "Welt", die bis dahin schon wieder ganz anders aussehen kann. So lange haben MG & Co den Markt für preiswerte und dennoch qualitätvolle und technisch anspruchsvolle Kompaktstromer für sich. Und können in aller Ruhe bereits nachlegen. Gut, dass das Design des ID.2all so VW-typisch zeitlos ist, dass es auch noch in fünf Jahren als "schick" durchgeht.

Werbung
Werbung