VM-Vorstellung Renault Megane E-Tech: Französischer Evolutionär

Mit konventionellem Layout "Motor/Antrieb vorn" verzichtet der elektrische Megane auf Experimente und will mit hoher Effizienz und günstigem Preis punkten. Besonders geräumig oder revolutionär im Ansatz ist er eher nicht.

Auf den zweiten Blick: Beim E-Tech muss man sich schon versichern, dass es die Elektro-Variante ist, obwohl er auf einer eigenständigen E-Plattform basiert. | Foto: Renault
Auf den zweiten Blick: Beim E-Tech muss man sich schon versichern, dass es die Elektro-Variante ist, obwohl er auf einer eigenständigen E-Plattform basiert. | Foto: Renault
Johannes Reichel

Spät kommt er doch er kommt – und zwar gewaltig: Renault hat lange gewartet, bis man in der Kompaktklasse mit einem vollelektrischen Angebot aufwartet – der große Erfolg des nach wie vor bestens in Form gehaltenen Zoe hat vielleicht den Druck etwas aus dem Kessel genommen, der bei anderen Volumenherstellern wie VW oder PSA herrschte. Doch jetzt reklamiert man, ja bereits mit der zweiten Generation E-Fahrzeuge auf einer dedizierten EV-Plattform anzurücken, während die anderen noch in der ersten Runde sind, jetzt mal abgesehen von Tesla oder den Koreanern von Hyundai, die ja auch gerade die zweite Runde eröffnen – und sogar auf 800 Volt erhöhen. Soweit geht der Franzose nicht.

Der Mègane E-Tech basiert auf der E-CMF-EV-Plattform von Nissan und soll aber in Sachen Effizienz und Performance Maßstäbe setzen. Jedoch nicht in der Konsequenz, dass er den Verbrenner völlig obsolet machen würde, der dem Stromer weiter zur Seite stehen wird und ihm irgendwie auch sonst sehr verwandt wirkt. Die Zeit sei noch nicht reif für ein lupenreines Elektro-Line-Up in der Kompaktklasse, heißt es zur Begründung, was aus dem Munde eines Elektropioniers doch etwas zaghaft klingt. Formal ist der Strom-Kompakte jedenfalls glatte 14 Zentimeter kürzer als der 4,35 Meter lange Mègane, aber auch etwas höher – und man sitzt auch etwas höher, das Design ist leicht „SUVig“, aber nennt es, wie Ihr wollt, meint ein Produktverantwortlicher lakonisch.

Alles nach vorn: Konventionell trifft elektrisch

Vom Package her fällt auf, dass der Hersteller die Strategie „Alles nach vorn“ fährt und ähnlich wie Kia beim e-Niro oder Hyundai beim Kona Electric, E-Maschine, Antrieb, Inverter, Bordlader, Wärmepumpe Inverter, alles unter die dicht besetzte Haube packt, wobei es sich hier noch um Multiantriebskonzepte handelt. Das Frontkonzept sei erstens preiswerter, zweitens leichter, drittens ermögliche es bessere Raumausnutzung, so die Begründung der Renault-Entwickler, die damit einen Kontrapunkt zum VW-Konzern und dessen MEB setzen. Zudem verweisen die Franzosen auf die Option des Allradantriebs, die die Nissan-Plattform hergibt. Allerdings beschert es dem Kompaktstromer eine doch eher konventionelle Zwei-Box-Optik, mit langer Haube, die sich nicht wesentlich vom konventionellen Mègane oder einem Captur unterscheidet.

Flacher Akku in zwei Größen

Alles sitzt also vorn, bis auf den mit 110 Millimeter sehr flachen Akku, versteht sich. Der Lithium-Ionen-Speicher soll zum Zoe-Speicher 20 Prozent mehr Energiedichte bieten bei gleichem Zellenformat, fasst 60 kWh Netto, was die Renault-Verantwortlichen als „perfect match“ sehen, um eine reisetaugliche Reichweite von 450 Kilometer im WLTP sicherzustellen. Auch hier liegt man etwa auf dem Niveau der Koreaner. Es soll aber auch noch eine Variante mit weniger Kapazität von um die 40 kWh Netto geben.

Bei der Ladetechnik fällt auf, dass man selbstverständlich beim DC-Laden ein Schäufelchen drauflegt und mit 130 kW Ladegeschwindigkeit, die dank wassergekühlter, sprich während der Fahrt vorkonditionierter Batterien auch erreicht werden sollen das Klassenübliche eher überbietet. Binnen 30 Minuten soll der Strom-Mègane von 15 auf 80 Prozent nachgefasst haben, genug für 300 Kilometer im WLTP sowie 200 Autobahnkilometer. Vor allem aber die AC-Option mit 22 kW-Lader statt des 7,4-kW-Geräts könnte sich als praktisch erweisen, solange sich innerstädtisch DC noch nicht flächendeckend durchsetzt. Der Ladeanschluss ist übrigens rechts außen am Kotflügel platziert, weil in der Raute, wo es praktischer wäre, beim Mègane die Sensortechnik für das automatisierte Fahren auf Level 2 untergebracht werden musste. Das Ingenieursleben besteht aus Kompromissen, auch wenn wir den Lader in der Raute schon jetzt vermissen.

Effizientere E-Maschine soll Maßstäbe setzen

Auch den E-Motor hat Renault von Grund auf neu und weiterentwickelt zum Zoe-Aggregat. Er soll 10 Prozent leichter sein mit 145 Kilo und dennoch mehr Leistung, Drehmoment und Performance bieten, bei höherer Effizienz, versteht sich. Die Effizienz hat man sich ohnehin auf die Fahnen geschrieben – und will sie mit weiter verbessertem Thermomanagement, sprich Wärmepumpe, aber auch der Abwärmenutzung von Motor und Akkus für die Innenraumtemperierung weiter gesteigert haben.

Gesteigert haben will man aber auch den Fahrspaß: Der niedrige Schwerpunkt mit dem großen Akku und eine direkte Lenkung mit kurzer Übersetzung sollen dafür sorgen, dass der Mègane satter und agiler in den Kurven liegt, als der in dieser Hinsicht weniger ambitionierte Zoe. Aber auch den Verbrenner dürfte er in Sachen Handling locker in den Schatten stellen. Wie auch bei der Performance: Schließlich bietet das neue Renault-Aggregat nicht nur 160 kW, sondern auch 300 Nm Drehmoment aus dem Stand auf, mit denen die Vorderräder hoffentlich fertig werden. Wobei die 7,4 Sekunden von 0-100 km/h flott, aber nicht überschäumend klingen – und ein Kia e-Niro ja sogar 395 Nm auf die Vorderräder loslässt.

Ein Kompakt-Volks-Stromer muss keine Rakete sein

Immerhin muss man es Renault hoch anrechnen, dass sie nicht dem absurderweise mit der aufkommenden E-Mobilität grassierenden Leistungswettrüsten verfallen und bei der Performance ein bestimmt auch effizienzförderndes Maß halten, das dem flotten Alltagsgebrauch wiederspiegelt. Leiser soll es im Übrigen auch zugehen im Mègane E-Tech, die Entwickler haben sich dem Vernehmen nach gründlich um eine Stromer-gemäße Fahrwerks- und Abrollabstimmung gekümmert.

Wie auch immer: Bei der ersten Sitzprobe vorab wirkte der Mègane E-Tech durchaus gefällig und stimmig gemacht, mit einem Hauch von „Crossover“-Optik. Aber dass es jetzt viel Platz im Interieur hätte, wie es die Ingenieure reklamieren, kann man nicht sagen. Vor allem stört im Fond, dass man die Füße nicht unter den Vordersitz schieben kann, der topfebene Boden ohne Fußmulden ist hier eher hinderlich. Ist der Vordermann groß gewachsen, hockt man ziemlich beengt, freut sich aber wenigstens über passablen Kopfraum. Vorne geht das Platzangebot freilich in Ordnung. Der Kofferraum ist zwar schön tief und wird erweitert von einem Schacht für die Ladekabel unter dem Boden, aber die 440 Liter kann man erstmal gar nicht glauben.

Deutlich weniger Platz als ein e-Niro

Ein e-Niro, um einmal mehr die Referenz in der Kompakt-Stromer-Klasse zu bemühen, hat jedenfalls einen obere Mittelklasse-Beinraum und zudem einen voluminöseren Kofferraum. Der Mègane E-Tech geht jedenfalls eher nicht als Familienkombi und Reiseauto durch und bietet auch deutlich weniger Platz als der VW ID.3. Das Interieur selbst ist gefällig gestaltet, das doppelte 12-Zoll-Display aus Zentral-Screen und großem Mittelschirm ist fast schon Pflicht und auch auf Android-Auto setzen immer mehr Hersteller, womit freilich weniger Differenzierungspotenzial besteht. Den Routenplaner mit Ladestopps jedenfalls kennt man so oder so ähnlich von Volvo – die wiederum bei Tesla abgeschaut haben.

Was bedeutet das?

Tendenziell müsste der Franzosen „zweiter Streich“ also mit einem günstigen Preis punkten und einer noch besseren Effizienz im Betrieb, als es die Koreaner bieten. Ansonsten hätte er die Latte nicht so hoch gelegt, wie es der Zoe damals bei seiner Vorstellung getan hat. Zudem ist der größere Stromer unter der Raute nicht so entscheiden viel größer im Innen- und Kofferraum wie der in Relation zur Außenlänge enorm geräumige Zoe. Und die Konkurrenz ist mittlerweile erwacht, sodass der Megane E-Tech im Stand eher ein bisschen wie ein "Me too"-Projekt wirkt. Aber mal abwarten, wie er sich fährt. Und die Raute legt ja jetzt sukzessive nach.

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