VM-Vorstellung Leapmotor T03/C10: Viel E-Auto fürs Geld - vom Händler ums Eck
Der Name passt schon mal: Denn wie ein Laubfrosch hat die Marke "Leap" seit ihrer Gründung im Jahr 2015 das Verbrennerzeitalter kurzerhand übersprungen. "Leapfrogging" nennt man dieses Konzept aus der Ökonomie, das man hier "par exellence" bewundern kann. Beeindruckend ist jedenfalls die Produktqualität der beiden Premierenfahrzeuge, die in ihrer Unterschiedlichkeit schon mal den gewaltigen Rahmen abstecken, den sich das aufstrebende Stellantis-Joint-Venture aus dem Reich der Mitte gesetzt hat. Der T03 ist ein cleverer Elektro-Micro, der Versatzstücke von Fiat 500 und Smart 4Four kombiniert und zu einem ultrahandlichen, nett und agil zu fahrenden Stadtgefährt macht, das aber auch vor kurzen Autobahnstücken nicht zuückschreckt.
265 Kilometer nach WLTP oder 395 in der Stadt (wir fuhren mit 10,5 kWh/100 BC) sind drin in der modernen Elektroplattform mit 37 kWh-Akku, um die herum man auch noch solide "Blechbiegearbeit", sprich eine ordentlich verarbeitete Karosserie von überaus stadtauglichen 3,62 Meter Länge geschneidert hat. Sicher, alles Budget-mäßig, aber nicht billig und zudem knarzfrei verarbeitet. Dass die vielen standardmäßigen Assistenten (6 Airbags, 3 Kameras, 5 Radarsysteme, 10 ADAS) etwas wild herumbimmeln, sei dem flott und mit lautem Surren des 95-PS-Synchronmotors beschleunigenden und ebenso surrend bis zum Stillstand rekuperierenden Mini bei einem "All-inclusive-Preis" von 18.990 Euro oder 169 Euro Leasingrate verziehen. Wählen kann der Kunde nur vier Farben, darunter das "Baby-Blau". Das Panoramadach und 10"-Infotainment sind nicht wählbar, sondern immer an Bord ... Zum ersten mal keimt die Frage auf: Wie machen die das nur?!
(Nicht) noch ein Elektro-SUV - aber der Preis!
Ganz anders vom Zuschnitt ist der C10, der wirkt wie eine Kopie aus Nio ES7, Tesla Model Y und Aiways U5, BYD Seal undsoweiterundsofort. Kurz: Eigentlich ein totales "Me-too"-Produkt im überfüllten Feld der Elektro-SUV in der oberen Mittelklasse. Der Unterschied: Er kostet 36.400 Euro, in Vollausstattung - oder 379 Euro im Monatsleasing. Und bietet damit atemberaubend viel E-Auto fürs Geld. Platz ohne Ende auf bequemen Öko-Tex-100-zertifizierten Sitzen, vorn wie im Fond, dazu einen riesigen Kofferraum, ein gewaltiges Panoramadach, zwei knackscharfe Screens als Zentralinstrument und Infotainment in Nio- oder Tesla-Look und Logik, dazu ein üppiges Arsenal von 17 Fahrerassistenten und einen 218 kW flotten Heckantrieb, der den gar nicht mal so schweren Elektrowagen bis zu 460 Kilometer weit bringen soll, dank effizienter Elektroplattform und gut genutztem 70-kWh-Akku unter dem topfebenen Boden. Die Rekuperation lässt sich wahlweise und im Stillstand bis zum "One-Pedal-Drive" justieren, was den Cruising-Charakter des ganzen E-Mobils weiter erhöht. Abstriche muss man beim Ladetempo machen, wie so oft bei China-Stromern. Der Verbrauch scheint aber mit 16,5 kWh/100 km bei der kurzen Runde recht sparsam.
Schwammiges Fahrwerk, aber hoher Komfort
Auch hier gilt: Feinschliff tut noch Not, das Fahrwerk des 4,65-Meter-SUV wirkt eher schwammig, die Lenkung diffus, aber komfortabel und superleise geht es allemal zu. Das Soundsystem ist über jeden klanglichen Zweifel erhaben, das Glasdach schafft lichte Atmosphäre und das graumausige Design ist wohltuend unaffektiert. Beruhigend wirkt auch das Wissen um die fünf Sterne im Euro-NCAP-Crash, Welten entfernt von den kollabierenden Erstlingen aus China, ein kleines Autozeitalter her. Nervigerweise piepsen auch hier die zahlreich verbauten Assistenten, besonders kurios: Der Aufmerksamkeitswarner, der einen bittet, doch den (nicht vorhandenen) Hut abzusetzen.
Der Feinschliff fehlt noch
Nicht alles Gold, was chinesisch glänzt, ABER, für den Preis eben so viel E-Auto fürs Geld, dass auch Stellantis-Chef Carlos Tavares sich überzeugen ließ. Motto: Lieber holen wir uns den "Feind", sprich Wettbewerb ins eigene Haus und verdienen an jedem Auto mit als dass das China-Geschäft an uns vorbei gemacht wird. Denn Tavares ist auch klar: So günstige Qualität bekommen die Europäer mit ihren hohen Lohn- und Energiekosten auf absehbare Zeit nicht hin. Zum direkten Vergleich: Der just zur gleichen Zeit unterm gleichen Dach vorgestellte, natürlich spürbar hochwertigere und gründlicher gemachte, aber auf einer Multienergieplattform deutlich weniger geräumige Opel Grandland Electric startet bei 46.000 Euro, 10.000 Euro mehr, in der Basisversion, wohlgemerkt. Da ist einem das Hemd näher als der Rock. Tavares weiß auch: Ohne die Chinesen sind erstens die Klimaziele wohl kaum noch zu erreichen und zweitens die Flottengrenzwerte. Pragmatismus ist angesagt, in der Stellantis-Chefetage. Wenn man die Dinge nicht ändern kann, macht man sie sich zu Nutze.
Ein Budget-Stromer aus China - beim Händler ums Eck
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der den Stellantis-Boss glauben lässt, am Ende auf der Gewinnerseite zu stehen und ein gutes Geschäft zu machen: Das 51-Prozent-Joint-Venture mit Leapmotor hat für Stellantis den unschätzbaren Vorteil, dass man anders als andere China-Marken aus dem Stand eine komplette Integration ins Händler- und Servicenetz bieten kann, nebst Beratung in den Autohäusern oder Ersatzteilversorgung. Außerdem können die Chinesen liefern, auch in hoher Stückzahl.
Jüngst landete der erste Containerfrachter mit C10-Limousinen und T03-Micros in Europa an. Und schon sehr bald soll der T03 übrigens auch im polnischen Stellantis-Werk Tichy gefertigt werden, womit man die Zoll-Problematik, die natürlich auch für Stellantis-Leapmotor dräut, in den Griff bekäme - und vollends zum Euro-China-Hersteller fusionieren würde. Es spricht also einiges für die Kooperation, die in Windeseile eingefädelt und umgesetzt wurde. "Bei denen piept's wohl" gilt allenfalls für die Fahrassistenz an Bord der beiden China-Stromer. Die Strategie selbst ist ziemlich clever. Und man bleibt baff zurück mit der Frage, auf die man lieber nicht zu präzise Antworten nach Lieferketten, kritischen Rohstoffen und Arbeitsbedingungen haben will: Wie machen die das nur, diese Leute bei Leap?
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