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VM-Visite Faissner & Petermeier: 6.500-Euro-Cargobike soll den Markt rocken

Ein Engineering-Dienstleister aus Garching plant die Revolution bei Lastenrädern: Mit radikal reduziertem, aber raffiniertem und kosteneffizienten E-Lastentrike soll es endlich vorangehen, mit dem vielseitigen Transportmittel. Zielgruppe ist neben KEP Gewerbe aller Art. Marktstart im Frühjahr. Wir waren vor Ort.

Will die Lastenradbranche aufmischen: Maschinenbauer Martin Petermeier hat mit seinem Partner Manfred Faissner ein E-Cargobike entwickelt, das preislich wie qualitativ überzeugen soll.
Will die Lastenradbranche aufmischen: Maschinenbauer Martin Petermeier hat mit seinem Partner Manfred Faissner ein E-Cargobike entwickelt, das preislich wie qualitativ überzeugen soll.
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Redaktion (allg.)
von Johannes Reichel

Der Engineeringdienstleister Faissner Petermeier Fahrzeugtechnik AG aus Garching bei München hat die Vorstellung eines schweren E-Cargobikes angekündigt, das besonders kosteneffizient sein soll. Ab 6.500 Euro oder 99 Euro Monatsleasing über die Partnerbank soll das FP Cargobike bereits ab Frühjahr auf den Markt kommen. Es setzt auf ein klassisch dreirädriges Konzept mit einer vielseitigen und palettentauglichen Ladeplattform am Heck. Kernelement ist ein Rahmen aus zwei standardisierten, massiven Alu-Rohren vorn sowie ebenso gewöhnlichen Alu-Strangpressprofilen, in die die Rohre montiert und fest verschraubt werden. Dadurch könnte man zum Einen die Kosten radikal senken, zum anderen das Gewicht, wie Co-Geschäftsführer Martin Petermeier bei unserer Visite im Werk des Entwicklungsspezialisten für Motorräder und Automotive erklärt.

„In den nächsten Jahren wird es verschiedene Antriebstechnologien geben, da an urbane, suburbane und ländliche Mobilität verschiedene Anforderungen gestellt werden. Wir sind diesen Anforderungen gewachsen und bieten unseren Kunden innovative Konzepte und Lösungen", wirbt der studierte Maschinenbau-Techniker.

Nur 130 Kilo soll das Bike durch den leichten Rahmen leer wiegen, inklusive Akku und der zwei Heinzmann-Motoren, die in den Hinterrädern verbaut sind. Die braucht es, um ausreichend Leistung und Drehmoment für das Gefährt aufzubieten, dass um die 450 Kilo Gesamtgewicht schultern können soll. Damit verbleibt es aber noch auf der "Bike-Seite" des Segments. Man wollte ein Konzept realisieren, dass nicht zu komplex und "overengineered" wird, sondern seinen Job macht und in vielen Einsatzszenarien nicht nur bei Paketdiensten, sondern gerade auch in Handwerk, Handel und Gewerbe einen Kleintransporter ersetzen kann.

Leichter Rahmen ermöglicht robuste Motorrad-Komponenten

Die Leichtigkeit des Gefährts sorgt auch dafür, dass man sich, so Petermeier, die "schweren" Motorradkomponenten leisten kann, die man ansonsten verbaut. Als da wäre eine Schwerlast-Federgabel, die man ableitet von der ziemlich exklusiven Elektro-Enduro FP Speedster, die man in der eigens gegründeten FP Mobility-Sparte parallel, aber mit komplett anderer Zielgruppe entwickelt. Dazu kommen Motorrad-Felgen und Conti-Reifen sowie Brembo-Bremsen (Ducati), die ebenso üppig dimensioniert sind - und zudem viel günstiger als filigrane Teile aus dem Bike-Sortiment. Petermeier verspricht, dass die Komponenten eben nicht nur der Hochleistung in einem Motorrad, sondern auch der Dauerbelastung eine Cargobikes standhalten sollen.

Patentierte Ladeplattform - einfacher Service

Raffiniert ist neben dem Einstecksystem der derzeit in der Türkei gefertigten Rahmenprofile auch die Ladeplattform, die nicht zu hoch, aber auch nicht zu tief liegt, dass Bodenwellen zum Hindernis werden könnten. Sie besteht aus einem robusten Siebdruckboden und wie vieles an dem Bike patentiert. Außen am zudem dank der Standardprofile individuell in der Länge anpassbaren Rahmen sollen bis zum Serienstart Rammschutzleisten noch das Package ergänzen.

Raffiniert ist auch, dass sich das Rad einfach wechseln oder ausbauen lässt, die Servicefreundlichkeit war ein weiterer "key point" im Lasten(rad)heft der Garchinger. Für wenig Wartungsaufwand sorgen soll auch der "kettenlose" Antrieb per Generator, nur zwischen Pedalerie und dem zentral platzierten Stromerzeuger, der den Tretimpuls an die E-Motoren hinten weitergibt, spannt sich eine robuste Motorradkette.

Form folgt Funktion: Keep it simple!

Ansonsten handelte man nach der Devise: "Keep it simple" und "Form follows Function". Auf IOT-Anbindung, App-Konnektivität oder schlüsselloses Start-System verzichtete man einstweilen. "Unser Bike ist fokussiert auf die zuverlässige Erledigung von Transportaufträgen zu einem günstigen Preis. So etwas fehlt im Moment, viele Produkte sind zu komplex und deshalb schlicht zu teuer", findet Petermeier, der viel Erfahrung aus zahlreichen BMW-Motorrad- und Automotive-Aufträgen sowie der Entwicklung des Schaeffler Biohybrid und der Beratung für viele Start-ups mitbringt.

Neben dem E-Cargobike parkt ein E-Scooter

Gleich neben dem E-Cargobike und dem FP Speedster entsteht der NAON, ein E-Scooter eines Berliner Start-ups, das man ebenfalls mit seiner Entwicklungsexpertise unterstütze. Und vor allem verweist Petermeier auf die üppige Erfahrung in Sachen Industrialisierung und strenger Produktentwicklung von Projekten: Gerade im Aufsetzen von Kleinserien hat man direkt am Standort Garching viel Erfahrung - und die nötigen Werkzeuge und Anlagen, bis hin zu Blechpressen, Stanzen, 2-D-Schneide oder Schweißroboter.

Auch eine Vollverkleidung des Bikes ließ man weg, zugunsten der guten Zugänglichkeit und Kostenreduktion. Mit Plexiglaskonstrukten hätte man sonst wieder enormen Aufwand, auch in Sachen Scheibenreinigung. Nichtsdestotrotz könne man für den Fall größerer Nachfrage schnell eine Lösung mit Überdachung realisieren. Doch Petermeier rechnet mit der Resilienz der potenziellen Kunden. Er findet: Wozu gibt es Outdoor-Bekleidung. Und außerdem würden Lieferfahrer ohnehin der Witterung ausgesetzt, sobald sie aus ihrem Fahrzeug steigen.

Stattliche Breite, kompakte Länge, tiefer Einstieg

Das fällt freilich bei dem Lastenrad aus Garching deutlich leichter. Zwar baut es mit 1,10 Meter relativ breit, aber in der Länge hält man mit deutlich unter drei Metern kompaktes Maß. Zudem gelangt man über das extrem tief gezogene und massive Alu-Rohr mit den seitlichen Auslegern leicht und locker in den Sattel. Dort sitzt man von der Position und Lenkergeometrie wie auf einem Mountain-Bike und genießt exzellente Übersicht. Und: Man kann auf den in der Serie griffig pulverlackierten Rohren recht stabil stehend auch den gesetzlich vorgeschriebenen Rangiermodus exzellent nutzen, ähnlich einem Hubwagen.

Die Schwerlastgabel lässt sich nicht ganz so weit einschlagen wie beim tricargo Lademeister, aber generell haben Trikes hier einen deutlichen Vorteil gegenüber den Quads, die gleichwohl im Trend liegen. Petermeier verspricht aber eine gute und stabile Straßenlage für das Trike, zu der auch die zwei Wechsel-Akkus (wahlweise von AES) hinter dem Fahrer sowie die tiefe Plattform und große Räder beitragen.

Eigenes Bremsen-Know-How

"Keep it simple" heißt in dem Falle auch nicht, dass man nicht die hauseigene Expertise mit der elektronischen Steuerung von Fahrwerkskomponenten und Bremsen einfließen lassen würde. Aus einem früheren Fisker-Karma-Projekt bringt man beispielsweise das Torque Vectoring ein, mit dem man elektronisch und via Sensoren das Drehmoment so steuert, dass das Fahrzeug stabil bleibt - und nicht nur über ESP und Bremseingriffe. Selbstredend entwickelt man auch die zentrale Kontrolleinheit (VCU) für das Bike selbst und das Batteriemanagement. Zu zentral sind diese Komponenten, als dass man sie von der Stange nehmen würde, wie Petermeier betont. Man sieht sich hier als "Dirigent", der die verschiedenen Instrumente orchestriert und zusammenbringt, meint der FP-Chef blumig.

Streng nach PEP: Entwickeln wie bei BMW

Als nächste Schritte folgt nun nach dem gestrengen, nach BMW-Regularien aufgesetzten PEP (Produktentwicklungsplan) ein Redesign und dann die Kleinserie. Verkaufsstart ist bereits für das erste Quartal 2024 vorgesehen, ein strammer Zeitplan. Für die Fertigung räumt man auf dem seit 2016 bestehenden Areal im Garchinger Industriegebiet eine Fläche von 2.000 m² frei, auf der dann bis zu 5.000 Exemplare des FP Cargobike entstehen könnten, pro Jahr wohlgemerkt.

Das wäre tatsächlich für die Branche eine neue Dimension. Die Faissner und Petermeier aber für realistisch halten, wenn endlich die Preishürde nicht mehr so hoch ist. Denn die Vorzüge von E-Cargobikes, die muss man den Technik-Tüftlern aus Garching wirklich nicht mehr erklären: Schneller, preiswerter, umweltfreundlicher. Petermeier glaubt: Micromobility und E-Lastenräder sind in der Stadt die Zukunft - und zu der will man aus München-Nord einen gehörigen Part beitragen. Erschwinglich und "Made in Germany", versteht sich. Dann hätte man fast die "Quadratur des Kreises" gelöst - und wahrlich ein großes (Lasten)Rad gedreht.

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