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VM-Tour-Check Polestar 2 LR Single: Mit dem Zweiten fährt man besser!

Die Modellpflege mit neuem Antrieb, jetzt an der Hinterachse, hat dem coolen Crossover der schwedischen Chinesen gut getan. Nun passt nicht nur die Performance, sondern auch die Reichweite. Erste Eindrücke.

Gut in Fahrt: Der 220-kW-Motor bietet Traktion satt - und verbraucht deutlich weniger, zumindest auf einer ersten Tour in die Stubaier Berge. | Foto: J. Reichel
Gut in Fahrt: Der 220-kW-Motor bietet Traktion satt - und verbraucht deutlich weniger, zumindest auf einer ersten Tour in die Stubaier Berge. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Das ZDF-Motto könnte glatt auch für den Polestar 2 passen, im doppelten Sinne: Denn mit der Überarbeitung der 2er-Reihe der chinesischen Schwedenmarke gewinnt der flache Crossover deutlich an Langstreckenqualität. Zumindest legte das eine erste Tour von München in Richtung Stubaier Alpen nahe, die über 320 Kilometer ging und die der Stromer mit 19 kWh/100 km Brutto, also inklusive Ladeverluste recht effizient erledigte. Im Betrieb zog der jetzt an die Hinterachse verlagerte Valeo-Siemens-Synchronmotor gar nur 16,6 kWh/100 km durch die Leitungen, was einen deutlichen Fortschritt darstellt. Dabei fuhren wir je etwa eine Hälfte Autobahn bei 120 bis 130 km/h sowie Landstraße bei moderatem Tempo, wohlgemerkt auf "echten" Michelin Pilot Alpin Winterreifen. Aktiviert war der Eco-Klimamodus, aber trotzdem wurde es einem nie kalt in dem wohnlich wie modern, eben skandinavisch gestylten Crossover.

Geschlossene Frontpartie als Stilmerkmal

Ob die neue und geschlossene Fahrzeugfront zur verbesserten Effizienz beigetragen hat, sei dahingestellt. In jedem Fall liegt die nur 1,47 Meter flache und damit wohltuend vom SUV-Einheitshochbau differenzierte 4,60-Meter-Fließhecklimousine gut im Wind. Leise geht es zu im bis ins Detail hochwertig und sehr stilsicher verarbeiteten Interieur, das zudem hohe Standards in Sachen Nachhaltigkeit und Zirkularität setzt, etwa mit Birkenholzdekor, WeaveTech-Leder, Rückverfolgung der Materialien wie Kobalt, Glimmer, 3TG. 85 Prozent des Fahrzeugs sollen schon recyclierbar sein, versprechen die China-Schweden.

Die klar, ruhig und ohne die grassierende Effektheischerei gestaltete Bedienung gibt keinerlei Rätsel auf und die konsequente Anwendung von Android Auto und erprobter Google-Tools beschert ebenso rasche Spracherkennung wie Navigation, inklusive mittlerweile auf Tesla-Niveau agierender Elektro-Routenplanung nebst Akkustand am Zielort. Klar, dass eine (optionale) Harman-Kardon-Anlage da nicht fehlen darf, die zudem einen tollen Sound schmeißt, gegen Aufpreis auf den selbstbewussten Grundpreis von 55.000 Euro für die Long Range Single Motor Version mit 82 kWh-Speicher. Dafür sollte dann auch ein wertigerer Schlüssel als die schwarze Plastikschachtel drin sein, zudem ein keyless Go-System, wenn schon das Fahrzeug selbstredend wie bei Tesla schlüssellos und ohne anachronistischen Knopfdruck startet.

Tolles Fahrwerk

Fahrspaß vermittelt der Polestar jede Menge, speziell wenn man die festere Lenkradeinstellung wählt. Das mit Öhlins-Stoßdämpfern versehene Fahrwerk liegt wie das sprichwörtliche Brett und schön ausbalanciert, ohne ungebührliche und ungelenke Härte einzufordern und die vertrauensstiftende Lenkung vermittelt mehr Gefühl als die etwas synthetische Steuerung im Tesla Model 3. Zudem hat der Schwede dem Kalifornier eine burgfeste und knarzfreie Verarbeitung voraus. Kein Gerumpel aus dem Unterhaus und auch bei höherem Tempo geht es vorbildlich leise zu. Die Brembo-Bremsen packen stramm zu, sollte die "One-Pedal-Drive"-Einstellung der dreistufigen Reku mal nicht genügen. Vor Ampeln darf man aber das Bremspedal nicht vergessen. Kriechmodus kann man nach Gusto auch aktivieren. In Summe seiner Fahreigenschaften ist der Polestar 2 definitiv das bessere Model 3.

Nicht üppig, aber ordentlich Platz

Nicht allerdings in Sachen Raumausnutzung: Vor allem im Fond, wo man ordentlich, aber nicht üppig Platz hat, stört der wuchtige Tunnel etwaige dritte Passagiere. Aber auch vorne schränkt die burgmauerartige Mittelkonsole den Bewegungsraum ein. Fahrer deutlich über 1,90 Meter finden gar keine passende Sitzposition mehr und können sich das Lenkrad wie beim Bobbycar zwischen die Knie klemmen. Und der Kofferraum ist ebenfalls kleiner als beim Model 3 wie auch das Frunk-Fächlein (41 l), allerdings mit 407 bis 1.097 Liter allemal groß genug und er verfügt über den Vorteil einer großen Heckklappe, die den Polestar 2 fast zum kleinen Kombi macht. Bei einem Schwedenauto darf eine Skikklappe natürlich auch nicht fehlen.

In Sachen Fahrerassistenz verspricht der Polestar vielleicht keinen "Auto Pilot", aber das, was an Bord ist, funktioniert auch gut, sprich auf Level 2 des automatisierten Fahrens. Der 2er hält sicher Abstand und Spur, warnt bei Auffahrgefahr oder Objekten im Toten Winkel. Allenfalls das Tempo dürfte er noch automatisch und selbsttätig drosseln.

500 Kilometer sind durchaus drin

In Summe sind 500 Kilometer Reichweite also durchaus machbar, wenn man die Temporeserven des allemal sportiven und völlig ausreichenden 220-kW-Aggregats nicht ausreizt, die bei Polestar bis 205 km/h reichen. Der Antritt profitiert zudem von der besseren Traktion nach dem Umzug des Motors von der Vorder- an die Hinterachse. Mit trockenem Zucken und 490 Nm legt der China-Schwede stramm los, nur ganz diskret spürt man noch Vibrationen des Aggregats, ein schön "siemens"-mäßiges, industriell angehauchtes Surren begleitet den nahtlosen Beschleunigungsvorgang. Leistungsmäßig bemerkt man allenfalls auf der Autobahn einen echten Unterschied zum Dual Motor-Bruder, der dann 310 kW und 740 Nm an zwei Antriebsachsen, aber halt auch 60 Kilometer weniger Radius bietet. Eine lässliche Investition von 4.000 Euro, im Alltag lassen sich selbst die 220 kW kaum einmal wirklich ausfahren.

Manchem mag die Basis genügen

Gegenüber dem Standard-Range-Modell punktet der Long Range auch noch mit einem schnelleren 205-kW-CCS-Lader statt des 135-kW-Moduls. Sechs Minuten kürzer geht die 10-80 Prozent-Ladung dann vonstatten, weil der Single Range halt auch nur 69 kWh befüllen muss. Dafür kostet der 200-kW-Single nochmal 4.000 Euro weniger. Und dürfte mit etwas gutem Willen auch an die 500-Kilometer-Marke kratzen. Eine echte Überlegung wert, zumal man dann den Cradle-to-Cradle-CO2-Fußabdruck der Batterie, den Polestar vorbildlich transparent auflistet von 5,9 auf 4,6 t drücken kann.

Übrigens macht das durch viel Feinarbeit an der Zellchemie mittlerweile nach dem Aluminium (26 %) nur noch den zweitgrößten Posten in der Produktion aus, mit 22 % beim Long Range-Modul, vor Stahl und Eisen (19 %) und der Elektronik (10 %). Gefertigt wird übrigens nicht in Schweden wie (noch) bei den Volvo-Geschwistern, sondern im chinesiscen Taizhou, allerdings komplett mit Solarenergie, was eine halbe Tonne CO2 pro Fahrzeug einspart, wie der Hersteller wirbt. Klar, der Polestar 2 kostet mehr als ein Tesla Model 3. Aber für das mehr an Qualität, das er bietet, ist es den (Auf)Preis wert.

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