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VM-Test Vello Bike+: Zum Pendeln zu wenig, für die City zu viel

Ein Faltrad mit Elektroantrieb, der Energie rekuperiert und per App steuerbar ist? Ein digitales Pedelec. Wie cool ist das denn? Dachten wir. Und sind etwas ernüchtert: Denn zum Pendeln ist das ab 25 km/h äußerst zähe E-Vello zu lahm - und für City-Distanzen braucht man eigentlich keine E-Unterstützung. Sondern lieber das pure (Fahr)Vergnügen eines lässigen und leichten Vello-Stahl-Faltrads! 

Elektrifizierter Alleskönner? Das Vello Bike+ stieß im Pendlereinsatz an seine Grenzen. Wir würden es ohne E-Antrieb empfehlen. | Foto: J. Reichel
Elektrifizierter Alleskönner? Das Vello Bike+ stieß im Pendlereinsatz an seine Grenzen. Wir würden es ohne E-Antrieb empfehlen. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Man ist hin- und hergerissen, bei diesem Pedelec from Austria: Faltbar, digital und elektrisch. Ein toller Dreiklang. Was will der Pendler mehr, meint man! Mehr Tempo zum Beispiel. Denn ab 25 km/h wird es äußerst zäh auf dem raffiniert und ambitioniert konzipierten Wiener Tausendsassa, bei dem eine wuchtige silberglänzende Kasette am filigranen 20-Zoll-Hinterrad auf die Besonderheit hinweist: Dieses Falti ist elektrisch unterstützt. Feststeht: So viel Technologie jedenfalls war selten, auf der Hinterachse eines Fahrrads. Der drei Kilogramm schwere Zehus-Antrieb des italienischen Spin-Offs des Automotive-Zulieferer Eldor beherbergt neben dem reku-fähigen Motor/Generator auch gleich noch den 173-Wh-Akku und die Bluetooth-5.1-Verbindung für die App-Anbindung des Bikes namens Bitride Connect. Das zu erwähnen ist wichtig, denn ohne Anbindung ans Smartphone geht nicht viel bei diesem Bike.

Zum einen benötigt man eine Verbindung, um das digitale Schloss des GPS-getrackten Bikes zu entriegeln, das bei dem 3.290 Euro teuren E-Faltrad integriert ist. Zum anderen, um einen der gleich sechs Fahrmodi oder die Tretunterstützung auszuwählen - und noch allerhand mehr. Die Jugend ist anfangs ganz begeistert von dem Digital-Bike. Der Papa dann weniger, weil die Wegfahrsperre nicht immer zuverlässig zupackt - oder wieder löst. Außerdem muss man immer das eine Handy abmelden, damit das andere sich verbinden kann. Zum Aufladen muss man das Bike+ zudem mit in die Wohnung schleppen, um an der Hinterachse den Ladestecker einzufädeln - bei 13 Kilo Gewicht keine ganz leichte Übung.

Immerhin - und das ist der Clou an dem Bike: Es rekuperiert nach dem aus der Formel 1 abgeleiteten KERS-Konzept (Kinetic Energy Recovery System) tüchtig und so gut, dass man ordentliche Reichweiten erzielen kann, im Turbomodus, der wirklich kräftig anzieht und die vollen 40 Nm Drehmoment auffährt, bis zu 50 Kilometer, im Hybrid 75 Kilometer und ohne Unterstützung natürlich unbegrenzt. An die 40 Prozent Energie sollen sich beim Rollen so zurückgewinnen lassen. Das funktioniert schnell intuitiv per Retournieren der Kurbel, schont die generell sehr guten und kompromisslos konfigurierten Shimano Scheibenbremsen und gibt einem ein wirklich gutes Gefühl, dass die Rollenergie nicht, wie bei den meisten Pedelecs, einfach verpufft.

Ab 25 km/h wird es ziemlich zäh

Allerdings ist der Vortrieb auch etwas gebremst, ab 25 km/h legt man nur noch mit größten Tretmühen an Tempo zu. Pendeldistanzen über Kurzstrecken von fünf Kilometern hinaus werden so anstrengend. Und schnell wechselt der Autor für seine 15-Kilometer-Strecke wieder auf sein 28-Zoll-Gravel-Bike zurück. Sorry! Wobei es immer drauf ankommt: Wer im Stuttgarter Talkessel wohnt und an der Messe arbeitet, der wird den E-Antrieb zu schätzen wissen. In einem kritischen Selbstversuch an einem im Kessel schon glühend heißen Frühlingstag waren wir extrem dankbar für die elektrische Trethilfe und kamen recht unverdrossen an der Messe in Filderstadt. An Rampen steiler als acht Prozent versagt der Antrieb dann allerdings den Dienst.

Der größte Nachteil offenbarte sich dann aber auf dem Rückweg. Die Reku schiebt an der Weinsteige derart den Riegel vor, dass uns ein schwer beladenes Taxi-Papa-Tern GSD spielend überholt. Einen Freilauf haben wir im Submenü der gelegentlich zickigen App nicht entdeckt, beim finalen Versuch stürzte das System komplett ab und wir mussten das Bike mit den Zugangsdaten neu konfigurieren. Nervig. 

Portioniert wird die per Gates-Riemen übertragene Kraft dann übrigens mit einem zum Digital-E-Antrieb wunderbar kontrastierenen, mechanischen 2-Gang-Planetengetriebe Speed Drive der Schweizer Spezialisten von Schlumpf, per Fersenkick kommt man von Stufe 1, Normal, in Stufe 2, den, wir nennen es den "Bahnradmodus". Denn die Übersetzung ist mit 1:1,65 dann so deftig, dass es einen strammen Wiegetritt bräuchte, um in der Ebene auf Speed zu kommen. Aber da, siehe oben, bremst dann wieder der E-Motor den Elan ein. Für bergigere Regionen empfiehlt sich so eher der "Schlumpf Mountain Drive" mit 2,5:1. 

Zu viel der Technik

Wie auch immer, vom Gesamtkonzept ist das Vello als Bike+ sicher sehr ambitioniert gemacht. Aber zum Pendeln zu langsam und zum City-Cruisen zu viel. Unser Favorit wäre daher ein schlichtes und gutes Vello Rocky ohne "Plus", dafür mit 1.590 Euro halb so teuer für ein komplett und mit wertigen Komponenten (Shimano XT10, Selle Royal Sattel, Shimano-Scheibenbremsen, Schwalbe Marathon Reifen, Satori-Sattelstütze) ausstaffiertes Edel-Faltrad. Allenfalls der mit Klick-Fix ziemlich wackelige Frontkorb will nicht ins wertige und gründliche Gesamtbild passen. Investieren sollte man noch in Schutzbleche und echte Beleuchtung statt der magnetischen Sicherheitslichter.

Auf urbanen Strecken macht dank langem Radstand und geschmeidigem Cromoly-Rahmen ruhig laufende, komfortable, dennoch spaßig agile und dann auch mit 11,9 Kilo recht leichte Falti eine exzellente Figur. Wer es drauf anlegt, kommt damit auch locker über 30 km/h auf Speed und der Vortrieb wird kaum gebremst. Wenn man den anfangs etwas "tricky" Faltmechanismus mit der Drehschraube einmal rafft, klappt das auch zunehmend flüssig. Vor allem der magnetisch einrastende Hinterbau sorgt für staunende Blicke im Publikum. Der lange Rahmen macht es trotz der abklappbaren Lenkersegmente zwar nicht zum Brompton-mäßigen Kompaktgepäck, aber man bekommt das Vello schon in den Zugabteilen verstaut. Und unter diesen Umständen eignet es sich dann tatsächlich besser für (fitte) Pendler, die gelegentlich Zug oder S-Bahn kombinieren, die Wert auf stylishen Look, feines Handling und guten Komfort legen. Bike at it's best, eben: So einfach und doch so toll! Ganz ohne digitalen Schnickschnack.

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