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VM-Test Opel Combo-e Life: Der Autobahn-Schreck

Schön wär's: Ein emissionsfreier, erschwinglicher Familien-Allzweck-Van für alle Tage und die schönsten des Jahres: Leider macht dem flott fahrenden und flott gemachten Blitz-Stromer der chronisch ineffiziente Stellantis-Antrieb einen Strich durch die Rechnung. In der Stadt passabel, fängt er in der Ferne zu "Saufen" an.

Schick in Schale und gut in Form: Die Mischung aus Raumeffizienz und Emissionsfreiheit wäre eigentlich ziemlich perfekt für umweltbewusste Familien. | Foto: J. Reichel
Schick in Schale und gut in Form: Die Mischung aus Raumeffizienz und Emissionsfreiheit wäre eigentlich ziemlich perfekt für umweltbewusste Familien. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Gestern Diesel, heute Stromer: Das Tempo des Stellantis-Konzerns bei der Elektrifizierung seines Portfolios ist atemberaubend. Gerade erst lief noch der Diesel im Testprogramm der Schwesterzeitschrift LOGISTRA und schlug sich für einen Verbrenner achtbar, da rollt schon die emissionsfreie Elektro-Variante des Combo Life an. Nach dem größeren Zafira gibt es also auch den kleineren Kasten-Kombi-Van als reinen Stromer. Für Nutzfahrzeugkunden folgt sogar noch der Movano-e auf den Fuße. Am Speed mangelt es dem unter der ehrgeizigen Ägide von Carlos Tavares Zug um Zug erweiterten Firmen- und Markenkonglomerat also nicht.

An Gründlichkeit schon eher. Und an Reichweite. Wobei man sich da in bester Gesellschaft befindet mit dem VW-Konzern. Der drückt ebenfalls mächtig auf die Elektro-Tube, aber es nicht alles Gold, was aus dieser Tube herauskommt. Der MEB-Heck-Antrieb ist zwar komplett neu entwickelt und mit großem PR-Tam-Tam begleitet worden. Aber nach Erkenntnis unserer zahlreichen Tests quer durch alle Konzernmarken am Ende ebenso chronisch reichweitenschwach wie der klassische Frontmotor-Vorderradantrieb aus den Stellantis-Regalen.

Von der WLTP-Reichweite im Winter weit entfernt

Der stammt eigentlich von der Ex-Conti-Tochter Vitesco (EMR3) und ist längst als Hinterachsantrieb in der Entwicklung für Generation II, die als EMR4 fünf Prozent effizienter laufen. 25 Prozent leichter und zudem kostengünstiger sein soll. Vor allem ersteres muss sie auch, denn, denn was da mittlerweile 100.000-fach in den Stellantis-Elektrowagen vom Peugeort e208/Opel Corsa-e bis zum Zafira-e/e-Traveller verbaut wurde, genügt den von E-Pionier Tesla geprägten Ansprüchen nicht. Aber auch den eigenen im Konzern. Denn in der winterlichen Fahrpraxis ist der Combo-e von den, erst recht in Kombination mit einem 100-kW-Schnelllader durchaus reisetrauglichen 280 Kilometern WLTP-Reichweite sehr weit entfernt.

Bei normalem BAB-Tempo schrumpft der Vorrat rapide

Im VM-Test bei Außentemperatur 5 Grad und auf 17 Grad kühl, aber nicht kalt temperierter Kabine, im Normalmodus gefahren und mit Michelin-Alpin-Winterreifen bestückt, kommt der Combo-e nach 158 Kilometern der gemischten Testrunde mit abschließender Autobahnetappe in den roten Bereich oder besser, den gelben: Bei 13 Prozent Akkukapazität glimmt die Warnung im Digital-Display auf, doch bitte eine Ladesäule aufzusuchen. So schnell wie die Reichweitenanzeige die Kilometer herunterzählt, kommt man gar nicht nach. Gefühlt gehen pro Kilometer Autobahn drei Kilometer Radius "flöten".

Am Ende im "gelben" Bereich

Auf zwölf Kilometer war nach dem Test der Anfang mit 260 Kilometer offenbar sehr optimistisch hochgerechnete Vorrat zusammengeschrumpft, vor allem auf der Autobahn schmilzt der Vorrat rapide. In der Stadt schlug sich der E-Van noch ganz passabel mit 20,7 kWh/100 km respektive durch die Hügel der Hallertau 19,3 kWh/100 km. Aber sobald die Autobahnauffahrt in Sichtweite kommt, schreckt es den "rotgoldenen Wagen". Im Fahrbetrieb steigt der Energiekonsum auf 26,7 kWh/100 km, wobei wir mit 120 km/h ein "mittiges" Tempo vorlegen, das den E-Antrieb in der 1,84 hohen und 1,92 breiten Karosse ob der großen Stirnfläche aber offenbar an die Grenzen bringt.

Nach dem Laden an der AC-Säule ergeben sich nach 23,8 kWh/100 km, die der Bordcomputer ausweist, inklusive Ladeverluste satte 28 kWh/100 km. Exakt 44,27 kWh zog sich der Bordlader in die schönn glattflächig unterflur verbauten Lithium-Ionen-Akkus, die Brutto 50 kWh und Netto 45 kWh an Kapazität bieten. Diese Erfahrung deckt sich mit dem Zafira-e: Wer wirklich an die 300er-Marke auf Fernstrecken heranreichen will, der loggt den leider nicht abstandshaltefähigen Tempomaten auf 90 km/h ein und reiht sich in die Schlange der Lkw ...

Je kälter, desto kürzer

Das Bild bestätigte auch eine weitere "Langstrecke" Stadt und Überland bei um die Null Grad Außentemperatur, aber maximal 95 km/h Tempo, 17 Grad Heizung, am Ende sogar dem reinen Eco-Modus (der nichts für verfrorene Gemüter ist): Mehr als 160 Kilometer bei anfangs 100, am Schluss formal 10 Prozent Akku waren nicht zu machen mit dem Allzweckmobil. 45,31 kWh ab Ladesäule passten schon wieder in die Lithium-Ionen-Zellen. Man weiß gar nicht, wo die Energie hinfließt, offenbar in die Heizung der Fahrbatterie. Immerhin: Dank 11-kW-Lader ist der Prozess in gut vier Stunden abgeschlossen.

Für Langstrecken eher ungeeignet

In Anbetracht solch kurzer, fast Rennrad-gleicher realer Etappen, wird der Langstreckeneinsatz fast obsolet, es sei denn man gehört zu den "Eile mit Weile"-Zeitgenossen. Und da tröstet dann auch der neben dem 11-kW-AC-Lader standardmäßig verbaute 100-kW-Schnelllader nicht drüber hinweg, den die Stadtwerke-München-Säule um's Eck wie alle anderen Marken übrigens mal wieder verweigerte. Prinzipiell wäre man damit binnen einer halben Stunde wieder bei 80 Prozent Kapazität, womit eine weitere gute 100er-Etappe Fernstrecke drin wäre ... Die recht milde eingestellte, per "B"-Taste aktivierbare Rekuperation scheint es da auch nicht mehr rauszureißen.

Zum konventionellen Vergleich: Der Life mit 1,5-Liter-Top-Diesel (130 PS) und 8-Gang-Automatik benötigte zu gleicher Jahreszeit über die Testrunde 7,1 l/100 km nebst etwa 0,7 l/100 km AdBlue. Die Automatik hatte vor allem in der Stadt spritmäßig zugeschlagen mit 11 l/100 km, wohingegen Überland und auf der Autobahn der Verbrauch des Selbstzünders drastisch sank, auf 6,3 und 7,5 l/100 km. Mithin das glatte Gegenteil des Stromers, der innerstädtisch (halbwegs) spart und Überland säuft.

Im Vergleich zum Diesel natürlich emissionsarm

Wobei das natürlich alles relativ zu betrachten ist, wie man zur Ehrenrettung der raschen Elektrifizierung im Stellantis-Konzern anmerken muss: Schließlich entsprechen die 28 kWh/100 km an Energie nicht einmal drei Liter Diesel, gerechnet ohne den Energieeinsatz im Dieselraffinerieprozess (der nochmal etwa 1,5 kWh pro Liter ausmacht). Emissionsmäßig legt man also schon eine Reduktion um über 100 Prozent hin, sofern man brav Ökostrom bunkert und den CO2-Rucksack des Akkus in der Produktion mal außen vorlässt.

Effizienz ist also relativ. Objektiv ist dagegen die untadelige Raumeffizienz des kleinen und mit einem Preis ab 38.000 Euro durchaus erschwinglichen Elektro-Kasten-Kombis, der auf ziemlich wenig Verkehrsfläche von 4,40 Meter Länge maximales Volumen (600/1.400/2.100 l) bietet und alle SUVs dieser Welt alt aussehen lässt: Aufgehübscht durch ein gewaltiges Panorama-Glasdach, eine illuminierte Ablagegalerie, durch bequeme Sitze und passable Materialien, Ablagen und überhaupt Koffer- und Stauraum ohne Ende und ein raffiniertes Sitzklappkonzept ohne "Entsesselungskünste", wäre der Combo-e Life schlicht das perfekte Familienfahrzeug für alle Tage und die schönsten Tage des Jahres dazu, sprich Urlaub. Wem das alles nicht reicht: Es gibt auch eine Langversion sowie einen Siebensitzer ...

Raumeffizienz: So viel Platz bietet kein 5-Meter-SUV!

Der verwogen mit 1,9 Tonnen Leergewicht für einen Vollformat-Vollstromer relativ leichte Combo liegt im Vergleich zum Verbrenner sogar etwas satter auf der Straße dank des Akkugewichts, federt recht kommod und fährt sich leichtgängig, wenngleich nicht gerade präzise oder agil. Das muss diese Fahrzeuggattung aber auch nicht. Dafür wachen sämtliche Fahrerassistenten aus dem Stellantis-Baukasten wahlweise über die Fahrt, nebst Spurhalter, intelligentem Tempomaten, aktiver Notbremse oder Tot-Winkelwarner. Nur der Abstandstempomat fehlt für Langstrecken. Aber die sind ja ohnehin nicht Kernrevier ... Der E-Antrieb jedenfalls sorgt zudem für noch besseren Geräuschkomfort, auch wenn der PSA-Diesel zu den leisesten seiner Art gehört. Doch im Stromer ist der Antrieb halt gar nicht hörbar. Zudem sorgt er für deutlich flottere Fahrleistungen, legt erst recht im Sportmodus mit aus dem Stand 260 Nm munter los, sodass man oft eher zu schnell unterwegs ist und zieht bis auf Höchsttempo 135 km/h. Oder eben lieber nicht.

VM-Fazit:

Unterm Strich passt das Package des neuen E-Vans vor allem für urbane oder maximal überländliche Einsätze, gerne im gewerblichen Bereich von Handwerk, Lieferdiensten oder Personenbeförderung. In der Stadt jedenfalls sind die 280 Kilometer Reichweite im Sommer vielleicht realistisch. Wer aber ganzjährig auch nur mittlere Strecken halbwegs zügig absolvieren will, ist mit dem Combo-e ebenso schlecht bedient wie mit dem Zafira-e und all seinen zahlreichen Marken- und Modellgeschwistern. Stellantis sollte hier dringend und schnell einen effizienteren Antriebsstrang nachlegen, sonst ist dem Konzern der Groll der Kunden gewiss.

Technische Daten: Opel Combo-e Life

  • Antrieb: Synchron-Elektromotor Vitesco 100 kW (260 Nm), Vorderradantrieb
  • Maße LxBxH: 4.403x1.921x1.840 mm; Wendekreis: 10,5 m
  • Gewichte (gewogen): leer 1.900 kg (inkl. Fahrer 75 kg); zul.GG 2.290 kg; Zuladung 390 kg; Testgewicht 2.055 kg; Anhängelast: 750 kg (gebr./ungebr.)
  • Kofferraum: 597/1.414/2.126 l (dachhoch)
  • Akku: Lithium-Ionen 45 kWh netto/50 kWh brutto
  • Ladetechnik: 11 kW AC Typ 2; 100 kW DC CCS
  • Preise: ab 38.100,- (inkl. 19 % MwSt.)
  • Serienausstattung (u.a.): Front/Seiten/Kopfairbags, ESP, 11-kW-AC/100-kW-DC-Lader; 3,5"-LCD-Infodisplay, Lederlenkrad inkl. Fernbed., ZV inkl. Fernbed., elektr. Parkbremse, Außensp./FH elektr., Bordcomputer, Klimaanlage vorn, Radio BT DAB+, AVAS, intelligenter Tempomat, Spurhalteassist., Verkehrsschilderk., Müdigkeitwarnter, Frontkollisionswarner, 5-Sitze+Rückbank 60:40 klappbar
  • Extras (Auswahl): Paket Ultimate inkl. Panoramaglasdach, Head-up-Display, Keyless Go, Multimedia Navi Pro, Wireless Charging 2.500,-, Digigalinstrumente 10" 200,- 7-Sitzer 600,-, 2. Schiebetür 450,- Tot-Winkel-Warner 250,- Parkpilot 250,- Opel Connect Telematik 300,- AHK 937,- Wallbox 11 kW Smart 1.189,-
  • Testverbrauch: 23,8 kWh/100 km (BC)/28,0 kWh/100 km (inkl. Ladeverluste); Stadt: 0,6 l/100 km + 30 kWh/100 km; Land: 3,8 l/100 km + 9,5 kWh; BAB: 7,0 l/100 km - 0,1 kWh/100 km (lt. Bordcomputer)
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