VM-Test MG4 51 kWh: Nicht alles Gold, was fernöstlich glänzt
Es hätte so schön sein können: Endlich ein schickes Elektroauto mit kompakten Maßen, trotzdem viel Platz für Passagiere und Gepäck, einem schnörkellosen Interieur, dazu drei Akkugrößen mit 350, 435 und 520 Kilometer WLTP-Reichweite, 88- bis 140-kW-Schnelllader und komplette Basisausstattung zum erschwinglichen Preis. Formal eine Wucht. MG hat sich unter chinesischer Ägide des Staatskonzerns SAIC mächtig gemausert und ist wie "Phönix aus der britschen Asche" aufgestiegen. Und dennoch ernüchtert der erste echte Test mit dem 51-kWh-Basis-Modell, für das der Hersteller 35.000 Euro Liste aufruft - und aktuell 40.000 Kilometer Strom spendiert. Es ist nicht alles Gold, was fernöstlich, oder in diesem Fall Diamond Red glänzt. Denn auf entscheidenden Feldern für ein modernes E-Auto patzt der MG4. Und zwar nicht nur leicht, sondern gewaltig.
Verbrauch: Zu viel für einen Kompaktstromer
Da wäre allem voran der Verbrauch: Wer aus der schnittigen Form, gegen die der ID.3 wirklich alt und seltsam formlos aussieht, schließt der MG4 liege gut im Wind und sei bestimmt sparsam, der sieht sich schon im Bordcomputer eines besseren belehrt. 20 kWh/100 km, das verheißt nichts gutes - und ist in jedem Fall kein Glanzwert für eine Kompaktelektrolimousine. Nach Ladeverlusten, wir ahnten es, stehen dann satte 23,4 kWh/100 km zu Buche, gefahren im Eco-Modus mit Winterreifen, aber bei Frühlingstemperaturen. Werte wie die erste Generation ID.3. Und kein Vergleich zum Update-ID.3 im Sommer, den wir mit 16 kWh/100 km über selbige Stadt-Land-Autobahn-Runde - davon 100 Kilometer BAB - pilotierten.
Das war's dann auch mit der formal ordentlichen Reichweite von 350 Kilometern, wie auch eine tags drauf unternommene Mittelstrecke München-Ulm erweist: Nach 253 Kilometern sind noch 17 Prozent in den flachen LFP- statt Lithium-Ionen-Unterflurspeichern der Basisversion, bei vernünftigem Fahrstil, versteht sich. Mit Mühe würde man sich Richtung 300er-Marke bewegen. Immerhin: Am vierten, endlich in Funktion befindlichen EnBW-Lader in schon in die Jahre gekommenen Ladepark in Ulm-Ost, zieht der China-E-Golf dann bei formal 88 kW maximaler Ladeleistung innerhalb einer halben Stunde von 17 auf 80 Prozent. Zurück in München sind wir wieder auf 24 Prozent runter.
Ladedrama in AC und DC
Und dann beginnt das Drama, das eigentlich schon ganz am Anfang der Testphase begonnen hat. Und das uns stark an eine ähnliche Erfahrung mit dem ersten vollelektrischen MG, dem Marvel R von vor einigen Jahren erinnert. Der MG akzeptierte die etwas ältere Mennekes-Ladesäule nicht. Also letzter Versuch an der neuen Säule: Hier klappt es endlich, der MG lädt! Wir wählen bei Rückkunft also gleich die neue Säule, formal 22 kW stark, aber mehr als 5 kW nuckelt der rote Renner nicht aus der Leitung, trotz Justage auf "maximaler Ladestrom" im filigranen 10-Zoll-Touchscreen. Nicht ohne den Hinweis im Display: "Fahrzeug lädt langsam". Das haben wir auch gemerkt. Und das nervt gehörig, schließlich wollen wir das Fahrzeug bis Mittag mit 100 Prozent an den Überführer übergeben.
Am DC-Lader startet der Vorgang nicht
Entnervt geben wir die AC-Laderei auf - und wollen einen DC-Lader nebenan bei Moon aufsuchen. Doch der Stecker blockiert im Fahrzeug. Nach längerer Suche, zuletzt sogar in der digitalen Betriebsanleitung entdecken wir die manuelle Entriegelung, per Drahtschlaufe - und hoffen, dass beim Bohren im Innenleben des MG nicht ein Stromschlag uns ereilt oder etwas kaputt geht. Endlich löst der Stecker. Rüber zu Moon am Skoda-Vertragshändler, wo nach einigem Warten ein Platz frei wird. Fünf Versuche, den MG zum Duett mit dem Hypercharger zu animieren.
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Verbindung hat er, Ladevorgang startet trotzdem nicht. Anruf bei der Hotline: Komplettes System "rebootet", bringt aber auch nichts. Der MG mag nicht mehr. Dann auch am heimischen AC-Lader nicht. Frustriert und mit schlechtem Gewissen übergeben wir das Fahrzeug bei 60 Prozent, was von 24 Prozent aus auch schon wieder 21,3 kWh Brutto bedeutete. Und singen ein leises Loblied auf die (zumindest früher) legendäre "German Gründlichkeit". So fürchtet man sich eher vor der Überflutung mit untauglichen chinesischen Stromautos und der anschließenden Rückkehr der Teutonen in ihrer Verbrenner ... Die knattern zwar und heizen das Klima auf, aber: Sie lassen sich problemlos mit Energie versorgen! Aber das nur als kleiner industriephilosophischer Exkurs.
Fahrassistenz: Es fehlt an der Gründlichkeit
Die Gründlichkeit jedenfalls wünschte man sich auch im Kapitel "Fahrerassistenz", wo der MG mit nervöser Spurhaltung nebst rigidem Lenkradeingriff und holpriger Abstandsregelung nervt. Auch Kleinigkeiten stören, wie dass der Eco-Modus immer wieder neu eingeschaltet werden muss. Einmal steigt die Notbremse radikal in die Eisen, weil sie meint, man komme nicht rechtzeitig zum Stehen. Gut, dass niemand hinter uns fuhr. Was heißt hier "MG Pilot", die meisten Systeme schaltet man schnell einfach aus, weil sie schlecht funkionieren. Da fahren wir statt "teilautonom" lieber ganz autonom, sprich selbst.
Agiles Handling: Die Hardware passt
Was einiges Vergnügen bereitet - und damit zu den guten Seiten des roten Wagens aus dem Reich der Mitte. Der mit 1,7 Tonnen nicht zu schwer geratene MG bietet eine gute Übersicht, legt mit dem 125-kW-Heckmotor und seinen 250 Nm flott und stets trittsicher los, zieht unter 8 Sekunden auf 100 km/h und fegt freudig und präzise dirigiert um die Kurven, gerne auch mit angedeutetem Heckschwenk, bevor - hier mal gut dosiert - die Elektronik greift. Bei 160 km/h ist in der Basisversion Schluss, generell vernünftig für einen Stromer.
Straffes Fahrwerk, steife Karosse
Das Fahrwerk auf der SAIC MSP-Basis (Modular Scalabe Platform) ist eher straff ohne unsportliche Härte, die Seitenneigung gering, der MG4 bleibt auf einem auch langsteckentauglichen Komfortniveau. Die Geräuschkulisse aus Wind- und Abrolllauten ist relativ niedrig, die Verwindungssteifigkeit dafür hoch, nichts knistert oder knackt. Der Synchronmotor hinten verhält sich leise, sendet aber bei 120 km/h dezent spürbare Vibrationen ins Rückenmark. Die Rekuperation lässt sich nach Gusto justieren, bis hin zum "One-Pedel-Drive", der MG kriecht los, sobald man den Fuß von der Bremse nimmt. Passt soweit.
Infotainment: Wie aus der Bastelbude
Altbacken und ein bisschen wie aus dem China-Elektro-Sortiment früherer Zeiten wirkt dagegen das Infotainment, die Regelung gelingt nur mit spitzen Fingern und dezidiertem Druck auf das Display. Nervig: Das nebenbei noch kabelgebundene Carplay muss jedes Mal wieder aktiviert werden. Die Heizungsregelung könnte feiner sein, es wird entweder warm oder kalt, nicht viel dazwischen. Dafür gelingt die "nicht-digitale", sprich analoge Bedienung umso besser: Der MG ist bei spektakulärer Außenoptik innen sehr sachlich und nüchtern gemacht, dabei mit guten Sitzen, reichlich Ablagen, einem griffigen Lenkrad und guter Übersicht gesegnet, dazu kommen noch gute Spiegel, herrlich "normale" Blinkerhebel oder ein Bordcomputer, der in drei Ebenen keine Fragen offenlässt. Unprätentiös und völlig unchinesisch, fast "Golf-mäßig", könnte man sagen.
Platz da: Sogar das Fahrrad passt unzerlegt rein
Gut gefällt zudem das Platzangebot: Auf kompakten 4,28 Meter Länge seitzen vier Erwachsene bequem, es gibt im Fond viel Platz über dem Scheitel wie auch vor den Knien, nötigenfalls auch ein Fünfter in der Mitte, weil der Akku sehr flach baut und der Boden im Fond fast eben ist. Auch der Kofferraum, mit Unterbodenfach geht in Ordnung, einen Frunk sucht man aber trotz Heckantrieb vergebens. Dafür passt das Gravel-Bike in einem Hopps in den bei Umklappen der Lehnen fast ebenen Kofferraum, der folglich eine gute Länge realisiert, fast wie ein kleiner Kombi.
So bleibt am Ende das schale Gefühl: Hier wäre mehr drin gewesen, für MG. Und andererseits die Botschaft an die heimischen Hersteller, es besser zu machen. Motto: Die anderen kochen auch nur mit Wasser. Allerdings kochen sie sehr schnell.
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