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VM-Interview mit Bayerns Umweltminister Glauber: "Schon lange begeistert von E-Mobilität"

Im Interview mit VM outet sich der bayerische Minister für Umwelt- und Verbraucherschutz als E-Pionier, der auch im Ministerial-Fuhrpark auf Stromer setzt und PV kombiniert. Er hält E-Autos für alltagstauglich, Reichweitenangst für unbegründet. Für den Klimaschutz sieht er keine Alternative zur Elektrifizierung. Gerade am Land ergebe Elektro mit eigener PV Sinn. Grünen Wasserstoff sieht er im Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr. Für die Industrie wünscht er Planungssicherheit.

Der Sonne entgegen: Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber setzt nicht nur im eigenen Ministerium auf E-Mobilität in Kombination mit PV-Strom, sondern auch für das ganze Land. | Foto: BSTMUV
Der Sonne entgegen: Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber setzt nicht nur im eigenen Ministerium auf E-Mobilität in Kombination mit PV-Strom, sondern auch für das ganze Land. | Foto: BSTMUV
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Johannes Reichel

VM: Herr Minister Glauber, Sie waren als „Early Adopter“ in Sachen E-Mobilität vorne dabei, mit einem BMW i3. Was hat Sie damals davon so überzeugt?

Thorsten Glauber: Ich bin schon lange begeistert von der E-Mobilität. Als ich vor über zehn Jahren mein erstes Elektroauto gefahren bin, musste man noch etwas leidensfähig sein. Im Winter hat sich bei längeren Fahrten die Frage gestellt: Heizung oder Reichweite? Die Frage habe ich dann mit Mütze und Schal beantwortet. Ich bin von Anfang an aus großer Überzeugung Elektroauto gefahren. E-Mobilität, vor allem aus regenerativ erzeugtem Strom, ist klimafreundlich und schützt die Umwelt. Als „Early-Adopter“ wollte ich von Anfang an ein Zeichen für die Mobilitätswende setzen.

VM: Auch im Ministerium selbst setzen Sie, als eine der Ausnahmen, auf einen komplett elektrischen Fuhrpark. Wie funktioniert das im ministeriellen Alltag und müssen Sie irgendwelche Abstriche bei Terminen machen?

TG: E-Mobilität ist die Fortbewegung der Zukunft. In den vergangenen Jahren hat sich viel getan. Die Reichweite der Fahrzeuge hat sich erhöht, die Anzahl der Ladepunkte ist deutlich gestiegen und der Ladevorgang geht viel schneller. Gerade im Bereich Ladeinfrastruktur ist Bayern bundesweit führend. Jeder fünfte öffentlich zugängliche Ladepunkt ist in Bayern. Bis 2030 soll es in Bayern sogar 100.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte geben. Das heißt für mich als Umweltminister: Ein Elektrofahrzeug zu fahren ist alltagstauglich. Die gute Nachricht: Wir sind noch nirgends gestrandet und haben das Ziel immer erreicht.

VM: Sie sind auch Verbraucherschutzminister: Was glauben Sie, warum sind so viele Menschen noch immer skeptisch in Sachen E-Mobilität?

TG: Die aktuellen Absatzzahlen in Deutschland sprechen für sich. Ich glaube, dass in erster Linie die hohen Anschaffungskosten für E-Fahrzeuge viele Verbraucherinnen und Verbraucher beim Kauf zögern lassen. Die sehr kurzfristig ausgelaufene Förderung durch die Bundesregierung im vergangenen Jahr hat sicherlich zusätzlich geschadet. Fehlende Reichweite und zu lange Ladezeiten werden auch immer wieder angeführt. Für die allermeisten Fahrten im Alltag sind diese Sorgen allerdings unbegründet. Einfach mal Probe fahren, vielleicht passt die E-Mobilität ja doch in den eigenen Alltag.

VM: Speziell in Firmenflotten liegt ein großes Potenzial für die Antriebswende. Warum denken Sie, stellen noch immer so wenige Flotten um?

TG: Wir als Umweltministerium wollen mit gutem Beispiel vorangehen. Wir haben unseren Fuhrpark bereits vor Jahren auf alternative Antriebstechniken umgestellt. Um diese sinnvoll nutzen zu können, wurden zahlreiche E-Tankstellen inklusive einer Schnellladestation errichtet. Photovoltaikanlagen auf dem Dach des Ministeriums versorgen uns mit regenerativem Strom. Unser bayerisches Klimaschutzprogramm sieht für die eigene staatliche Fahrzeugflotte ab 2025 bei zwei Dritteln der Neuanschaffungen einen Elektroantrieb vor. Wir freuen uns, wenn Firmen mitmachen und ihren Fuhrpark umstellen. Dabei gibt es auch steuerliche Vorteile für vollelektrische Dienstwagen gegenüber Verbrennern.

VM: Nicht zuletzt in der ländlichen Bevölkerung sind die Vorbehalte groß. Dabei läge doch hier insbesondere in der Koppelung mit Photovoltaik auf den vielen Einzelgrundstücken und Einzelhäusern großes Potenzial für E-Mobilität, während der Ersatz des Autos eher unrealistisch erscheint. Wie könnte man das ändern?

TG: Die Mobilität der Zukunft ist klimafreundlich. Das steht fest. Das Mittel der Fortbewegung kann dabei ganz unterschiedlich sein. In der Stadt ist der ÖPNV deutlich besser ausgestaltet, auch Radfahren kann bei kürzeren Strecken eine echte Alternative sein. Da lässt es sich auf ein Auto leichter verzichten. Ich wünsche mir auch für den ländlichen Raum einen Ausbau von Bus und Bahn. Doch gerade für den ländlichen Raum kann auch die Elektromobilität ein zentrales Zukunftsthema sein. Wer im eigenen Haus wohnt, kann relativ einfach die nötige Infrastruktur einrichten: Die Wallbox ist gerade in Kombination mit einer PV-Anlage eine runde Sache. Durch die Verbindung der Ladeinfrastruktur mit den Stromnetzen kann die Elektromobilität auch ein wichtiger Baustein für die Energiewende insgesamt werden. Stichwort: bidirektionales Laden. Da dient das Elektroauto als Stromspeicher für das Haus.

VM: Gibt es aus Ihrer Sicht eine Alternative zur Elektrifizierung in der Mobilität, um die Klimaziele einzuhalten?

TG: Wir wollen in Bayern bis 2040 klimaneutral sein. Dabei setzen wir auf eine ambitionierte Klimapolitik im Freistaat. Für uns gilt der Dreiklang aus den klaren Klimazielen des Klimaschutzgesetzes, unserer Klimamilliarde und unserem Bayerischen Klimaschutzprogramm. Den Klimawandel meistern wir nur mit konkreten Maßnahmen. Das Klimaschutzgesetz 2.0 schreibt beispielsweise das überragende öffentliche Interesse für alle erneuerbaren Energien fest. Dieser Vorrang ermöglicht einen substanziellen Ausbau der erneuerbaren Energien. Ein wesentlicher Baustein, um die Klimaziele zu erreichen, ist auch ein schneller Hochlauf der Elektromobilität. Der eingeschlagene Weg ist der richtige.

VM: Was halten Sie von Wasserstoff, E-Fuels und aktuell auch HVO für den Einsatz in der Mobilität?

TG: Wir brauchen Technologieoffenheit. Wasserstoff, insbesondere grüner Wasserstoff, ist ein kostbares Gut. Wasserstoff soll dort zum Einsatz kommen, wo es derzeit keine oder kaum Alternativen gibt und eine hohe Energiedichte benötigt wird. Im Bereich der Mobilität sehe ich durchaus Potential für Wasserstoff und wasserstoffbasierte Kraftstoffe, insbesondere im Schwerlast-, Schiffs-, Flug- und Schienenverkehr. Auch E-Fuels können ein Baustein werden. Flüssige E-Fuels sind unverzichtbar für den Klimaschutz, insbesondere für den Flug- und Schiffsverkehr sowie als Rohstoff in der Petrochemie. HVO 100 bereichert seit einigen Monaten das Kraftstoffangebot an unseren Tankstellen. Wir sollten alle Potenziale nutzen.

VM: Und wie finden Sie in dem Kontext die Debatte um den Ausstieg aus dem sogenannten Verbrennerausstieg der EU bis 2035, der ja eigentlich gar kein fixes Enddatum beschreibt?

TG: Die Autoindustrie denkt bei der Entwicklung und Herstellung von Fahrzeugen in entsprechend langen Zyklen. Die Autoindustrie braucht deshalb vor allem auch Planungs- und Investitionssicherheit. Mein Bekenntnis zur Elektromobilität steht. Ich denke nicht, dass Verbote der richtige Weg sind. Wie gesagt: Ich will, dass wir technologieoffen sind.

VM: Die Klimakrise ist längst sicht- und spürbar geworden, zuletzt auch beim verheerenden Hochwasser in Bayern: Warum fällt es uns als Gesellschaft immer noch so schwer, zu handeln?

TG: Ich treffe jeden Tage Menschen, die sich stark für unsere Umwelt und das Klima engagieren. Beim Klimaschutz zählt jeder Beitrag. Klar ist: Durch den Klimawandel steigt auch das Risiko von Hochwasser und Starkregenereignissen. Die Verbesserung des Hochwasserschutzes ist eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe. Der Freistaat wird beim Hochwasserschutz ein starker Partner an der Seite der Menschen bleiben. Klimaschutz und Klimaanpassung sind zentrale Zukunftsaufgaben, dazu zählt vor allem auch der Hochwasserschutz.

VM: Ihr Ministerium stellt mittlerweile ein Drittel des Budgets für Klimaanpassungsmaßnahmen bereit. Wäre Prävention da nicht billiger und besser? Wie kommen wir in den „Präventionsmodus“?

TG: Um Bayern an die Folgen des Klimawandels anzupassen und die Kommunen auf diesem Weg zu unterstützen, hat der Freistaat eine eigene Klimaanpassungsstrategie erstellt. Damit wollen wir auch unsere Kinder und Enkel, die die Auswirkungen des Klimawandels besonders spüren werden, entlasten. Daneben setzen wir natürlich auch auf viele Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Unser Klimaschutzgesetz 2.0 weist den Weg in eine klimaneutrale Zukunft.

VM: Als Umweltminister müssen Sie das „Big picture“ im Blick haben, können es aber nicht ressortübergreifend politisch beeinflussen. Bräuchten wir nicht längst ein Klima- und Umweltressort mit Querschnittsfunktion?

TG: Klimaschutz und Klimaanpassung sind ressortübergreifende Aufgaben. Jedes Ministerium hat dafür eigene Mittel. Damit können sie ihre jeweiligen Maßnahmen umsetzen. Auch sind die Bezirksregierungen, Landratsämter, Städte und Gemeinde hier in gleicher Weise gefordert, den Klimaschutz und die Klimaanpassung selbstverantwortlich als wichtige Aufgabe voranzutreiben. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, werden wir erfolgreich sein.

VM: Gewinnen wir damit nicht auch an Lebensqualität in den Städten? Ist die Klimakrise also auch eine Chance?

TG: Es ist unser Ziel, die Lebensqualität in den Städten weiter zu verbessern. Wir wollen in Bayern auch Artenvielfalt und Naturerlebnisse in unsere Städte zurückholen. Dafür sollen Städte als Hot Spots der Artenvielfalt gestaltet werden. Großstadtdschungel soll eine völlig neue Bedeutung bekommen: Ziel ist, Lebensraum für Mensch und Natur unter einem Dach zu schaffen. Wir verabschieden uns von Betonwüsten und setzen auf grüne Oasen.

VM: Als Architekt haben Sie auch einen Blick für die Stadt als Ganzes: Wie stellen Sie sich die klimaresiliente Stadt der Zukunft vor und wie sieht die Mobilität darin Ihrer Vorstellung nach aus?

TG: In Zeiten des Klimawandels ist der Ausbau von blauer und grüner Infrastruktur in den Städten oberstes Gebot. Eine gesunde Stadtnatur mit vielen öffentlichen Grünflächen und guter Luft ist entscheidend für die Lebensqualität im urbanen Raum. Verdunstung, Verschattung, Freiflächen, begrünte Dächer und Fassaden sind zentrale Themen für die lebenswerte Stadt der Zukunft. Stadtbäume und Grüngürtel sind natürliche Klimaanlagen: Sie spenden Schatten, kühlen und befeuchten die Luft. Schwammstädte halten gleichzeitig Wasser zurück und sind wichtige Elemente beim Hochwasserschutz. Ich wünsche mir die Stadt der kurzen Wege. Die Mobilität ist klimafreundlich mit gut ausgebautem ÖPNV oder auch dem Fahrrad.

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