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VM-Fahrbericht Xpeng P7 & G9: Der Kampf um die Alleinstellung

Kein Zweifel, gute Elektroautos, aber nach den ersten Runden in den Xpeng-Modellen stellt sich die Frage, was die Alleinstellung des weiteren ambitionierten China-Players sein soll. Es ist wohl eher die Mischung, die es macht: Moderne Technik mit gutem "Preis-Leistungsverhältnis" - und einem echten Händlernetz.

Ein China-Kracher: Mit gutem Preisleistungsverhältnis will die Marke Xpeng am deutschen Markt "einschlagen". | Foto: J. Reichel
Ein China-Kracher: Mit gutem Preisleistungsverhältnis will die Marke Xpeng am deutschen Markt "einschlagen". | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Man hat glatt ein Deja-Vu: Auch Nio trat vor nicht allzulanger Zeit als junge, tech-verliebte neue Marke aus dem Reich der Mitte: High-Tech- und High-End-Stromer, die bis hin zum Battery Swap und Sensorik im Dutzend alles auffuhren, was der Technik-Baukasten hergibt. Mittlerweile ist die Euphorie ziemlich verflogen - und Nio kämpft trotz herem Anspruch mit niedrigen Vertriebszahlen. Die erst vor zehn Jahren gegründete Marke Xpeng kommt da vom Habitus ganz ähnlich daher - und will es doch irgendwie besser machen.

Dabei soll der Ex-Hyundai-Deutschland-Chef Markus Schrick helfen, der ganz "alte Schule" sich vor allem mit einem konservativen Kernwert differenzieren will: Einem echten Vertragshändlernetz, das dank elektro-enthusiastischer Partner mit Erfahrung und Vertrauen der Kunden den Vertrieb und den Service der Fahrzeuge sicherstellt, bis hin zum heimischen Ersatzteillager, falls die Ferndiagnose per Software oder die obligaten Over-the-Air-Updates nicht mehr helfen. Zum Start sind es zwölf Händler an 24 Standorten, bis Ende des Jahres doppelt so viele und bis 2026 will man 60 Händler mit 120 Standorten integrieren.

Gute E-Autos bauen andere auch

Denn gute E-Autos, das weiß auch Schrick, bauen mittlerweile viele, allen voran der Pionier und Maßstab in Sachen effiziente und performante E-Autos, Tesla. Aber komplett "nachhalten" können es eben die wenigsten, auch Tesla kämpft heftig mit Qualitäts- und Serviceproblemen. Ein unschätzbarer Vorteil der etablierten hiesigen Anbieter, den diese leider aber noch nicht zur Gänze mit entsprechend attraktiven Stromern unterfüttern können. Den besten Mix aus Produkt und Service bei E-Autos bietet aktuell zweifellos die Koreaner der Hyundai-Gruppe.

Nun probiert also Xpeng sein Glück und will den anspruchsvollsten Markt in Europa erobern. Nach den ersten Runden in der schick gestalteten, aber auch sehr raumgreifenden Limousine P7 und dem Vollformat-SUV P9 muss man sagen: Das sind gute E-Autos. Bahnbrechend besser als ein Tesla Model 3, ein Kia EV6 oder Hyundai Ioniq5 oder auch ein Nio ET7 sind die Fahrzeuge aber nicht.

Verschwenderische Maße, wenig Raum innen

Beim P7 fällt schon mal das für ein E-Fahrzeug verschwenderische Blechkleid auf, das sich über 4,90 Meter erstreckt und 1,90 Meter Breite, bei Tesla-flachen 1,45 Meter Höhe. Der cW-Wert von 0,23 reiht sich ein in den Reigen aerodynamischer Strom-Limousinen, die Raumverhältnisse eher nicht. Denn innen bietet der gut verarbeitete, ansehnlich, aber von den Materialien und Kunststoffen noch "volksnah" und nicht übertrieben nobel ausstaffierte P7 erstaunlich wenig Platz.

Besonders hinten muss man die Gräten ganz schön sortieren, um halbwegs bequem zu sitzen. Zudem stört ein Mitteltunnel und überhaupt die wuchtige Mittelkonsole. Der Kofferraum ist eine enge Luke mit formal 440 Liter Volumen, immerhin mit ordentlich Ladetiefe, vorne sucht man einen Frunk vergebens. Die opulenten Raumverhältnisse des Model 3 oder Ioniq 5 respektive EV6 bietet der Xpeng bei weitem nicht, selbst ein VW ID.3 oder ein MG4 haben zwei Klassen unterhalb deutlich mehr Platz zu bieten.

Eher komfortabler Charakter

In Fahrt muss man das "chinesische Schiff" also ganz schon um die City-Kurven zirkeln, richtig wendig ist dieses Package nicht. Richtig agil auch nicht: Die Lenkung wirkt eher synthetisch, auch im Sportmodus, genauso die Bremse und das gefühlsfreie Fahrpedal, der P7 wählt generell eine eher komfortable Linie, die für leises Abrollen und niedrige Windgeräusche sorgt. Freilich, der Vortrieb selbst ist in der gefahrenen Long-Range-Version mit Synchronmotor-Heckantrieb dank 348 kW und einem Sprint von 6,7 s bis 100 km/h über jeden Zweifel erhaben, wie auch über die strengen Tempolimits der Feldberg-Runde. Die Performance-Version absolviert das in meist gesetzeswidrigen 4,1 Sekunden ...

Aber das ist eine Frage, die sich im Alltag im Zweifel nicht stellt, wie alle E-Autos im Zweifel überperformant gestaltet sind. Insofern dürfen die Allrad-Performance-Versionen, wahlweise mit freakigen, aber total unpraktischen "Flügeltüren", als Prestige-Objekte gelten, für Flotten eher überqualifiziert. Die Standardversion startet vollausgestattet ab 49.600 Euro, das könnte passen und klingt nach einem "fairen Deal".

Ständige Ermahnungen

Zumal bis auf das tolle, aber natürlich teure Dynaudio-System (3.960,-) sämtliche Komfort- und Sicherheitsfeatures an Bord sind, die man heute eben so hat, um auf Level 2+ zu fahren. Allerdings funktionieren nicht alle richtig gut. Die Mahnung, doch gefälligst auf die Straße zu achten, erhält man auf der 90-Kilometer-Runde gefühl 100 mal. Abschaltung haben wir nicht gefunden, obwohl sich sonst alles haarklein über den Zentralscreen justieren lässt. Auf den fokussiert sich, nach dem Vorbild Teslas, die gesamte Bedienung, was einem erst einmal viel Ablenkung und Getapper beschert - und zahlreiche Mahnungen der Aufmerksamkeitsassistentin. Immerhin, die Sensorik arbeitet sonst trittsicherer als bei Nio, Abstands- und Spurassistenz gehen in Ordnung, der Stopp-and-Go-Assistent auch. "Bahnhof" verstand dagegen die Sprachassistenz auf den Zuruf "Hey Xpeng", als man das Abschalten des Aufmerksamkeitsassistenten verlange ...

Verbrauch geht in Ordnung, ist aber nicht asketisch

In Sachen Verbrauch liegen die vom Bordcomputer angezeigten 17,8 kWh/100 km (16,8 kWh/100 km im WLTP) des leer zwei Tonnen schweren Stromers im "grünen Bereich", aber für eine moderat gefahrene Feldbergrunde im Frühling, eigentlich Idealbedingungen, nicht sensationell. Geladen wird der 86,2-kWh-NMC-Akku hinter der per Schlüsseltipp öffnenden Ladeklappe auf der 800-Volt-Basis mit ordentlichen 175 kW, von 20 auf 80 Prozent geht es in 25 Minuten. AC lädt man mit den üblichen 11 kW. Alles ok, aber kein neuer Maßstab.

P9: Geräumiger SUV mit Oberklasse-Touch

Was den gleich langen, ab 57.600 Euro startenden SUV P9 betrifft, wirkt der "große Kreuzer" noch eine ganze Ecke moderner, die recht geschmeidige Fahrassistenz erkennt etwa auch Ampeln, gibt sich ansonsten komfortabler, bietet Platz in Hülle und Fülle, einen ebenen Boden im Fond und einen riesigen 660-1.600-Liter-Kofferraum. Kein Wunder, bei 1,68 Meter Scheitelmaß und vanmäßigen 1,93 Meter Breite. Wahlweise gibt's das cognac-farbene Leder, das Noblesse in den generell recht hübsch gemachten Innenraum zaubert.

Das Handling des 2,2-Toners ist eher noch weniger agil, dafür ziemlich komfortabel und gut gekapselt. Auch hier ist eine Allrad-Version erhältlich, die bei 69.600 Euro startet, unterhalb eines Kia EV9 mit Heckantrieb ab 72.600 Euro, die Allradversion schlägt hier mit 77.000 Euro zu Buche ... Geladen wird der 75,8 kWh-LFP-Akku hier mit bis zu 260 kW, der Vorrat soll für 460 Kilometer genügen. Mit so ein Schiff angemessenen 18,8 kWh/100 km schlugen wir nach der kurzen Stadt-Überland-Runde an.

VM-Fazit:

Wie gesagt, alles in Ordnung, die Stromer von Xpeng liefern gute Qualität und einen reifen Stand an Technologie ab. Doch abseits von allem Tech-Explorer-Getrommel und dem Ringen um Aufmerksamkeit und Superlative: Viel besser als Tesla, BYD, Volkswagen oder die Korea-Marken sind die Stromer nicht. Eher entsteht der Eindruck eines "Me-too"-Projekts. Den Alleinstellungsnachweis, den muss Xpeng jetzt erst erbringen. Dieser Weg wird kein leichter sein ...

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