Wer hätte es gedacht: Die große Batterie erfreut sich auch der größten Nachfrage! Die Vorbestellungen sprechen eine klare Sprache: Die Leute wollen Reichweite, selbst wenn man sie im Alltag selten braucht. Bei Skodas erstem Vollformat-Stromer Enyaq iV findet also die 82-kWh-Variante mit Heckantrieb den meisten Zuspruch, was Netto 77 kWh bedeutet und für "über 500 Kilometer" Reichweite gut sein soll, wie Produktverantwortlicher Jens Kosyna beim ersten Stelldichein mit dem Elektroauto aus Mlada Boleslav ausführt. Wobei er hinzufügt: Die formal 537 Kilometer im WLTP seien zwar realistischer als der NEFZ, aber eben doch bei erst recht für Stromer optimalen Bedingungen mit 20 Grad und kleinem, moderatem Autobahnanteil. Dennoch will man den Kunden reinen Wein einschenken: Bald mittels Online-Kalkulator, bei dem man die Konditionen individuell voreinstellen kann - und deren Auswirkungen auf die Reichweite gleich serviert bekommt. Überhaupt muss man bei dem Thema konstatieren, dass die Konnektivität flüssiger funktioniert als in den Anfängen beim ID.3. Die Navigation läuft flüssig, das System fährt sauber hoch, scheint, dass die VW-Tochter die "Gnade der späteren Geburt" hat.
Keiner will die Basis
Als Topversionen wird man übrigens von der reichweitenstärksten 80er-Version auch noch zwei Allradler mit 195 und 220 kW Leistung nachschieben. Bisher kaum gefragt, aber neben dem iV80 bereits erhältlich: Die vernünftige und mit 38.850 Euro recht moderat gepreiste 132 kW starke Basis mit 55 kWh brutto - und kombiniertem 7,2-AC- sowie 50-kW-DC-Lader. Der 80er-Enyaq zieht mit 125 kW in DC und 11 kW AC den Strom aus der Leitung. Das Ladetempo soll übrigens noch per seit kurzem möglichen Update over the Air zulegen, als zubuchbare Option, versteht sich. Der größtere Akku und die flottere Ladetechnik sorgen beim iV80 schon für einen Aufschlag von 5.100 Euro.
Zügig, aber nicht zackig
Vorerst stellt der von uns gefahrene Enyaq mit MEB-Heckantrieb das Topmodell dar, mit 150 kW und 310 Nm Drehmoment auch nicht von schlechten Eltern, aber mit deutlichem Abstand etwa zu Performance-Modellen wie Volvos XC40 oder den Tesla-Boliden. Für den Hausgebrauch genügt das völlig, schließlich spurtet der Familienstromer in 8,6 Sekunden auf 100 km/h und kennt dabei keinerlei Traktionsprobleme - dem Akkugewicht auf der Hinterachse sei Dank. Der Komfort geht in Ordnung, lediglich ein gelegentliches Stuckern der Vorderachse irritiert ein wenig.
Vom scharfen Carving-Feeling des VW ID.3 bleibt der "familiär" orientierte Böhme aber auch im wenig differenzierten "Sport"-Modus ein gutes Stück entfernt, erlaubt zwar auch einen "sauberen Strich" und präzises Handling, lädt aber grundsätzlich eher zum Cruisen denn zum Hetzen ein. Und er klotzt mit einem Wendekreis von nur 9,3 Meter, der U-Turn fällt wirklich unfassbar leicht für ein Mittelklassekaliber. Die Performance ist generell also nicht überschäumend, aber angenehm, zumal man schnell auf Marschtempo 120 ist und es dabei besser auch bewenden lässt. Denn wie alle E-Autos macht der Fahrtwiderstand auch dem Enyaq überproportional zu schaffen.
Gute Aerodynamik mäßig den BAB-Verbrauch
Auch, wenn, wie Skoda-Spezialist Kosyna betont, man sich dediziert der Aerodynamik gewidmet hat und neben flacher stehender Windschutzscheibe, topfebenem Unterboden, Diffusor und großformatigen Aero-Alu-Rädern auch den längsten Heckspoiler der Skoda-Historie verbaut hat. So geht es zwar leise zu im Enyaq, aber das ist man von Stromautos ja fast schon gewohnt und der Skoda setzt hier keine neuen Bestmarken. Eher irritiert manches laute Zischen bei vorbeifahrenden Autos oder das etwas laute Abrollen, alles natürlich in Abwesenheit etwaiger Verbrennergeräusche. Der Enyaq liegt also mit cW-Wert zwischen 0,257 so gut im Wind wie ein Superb, trotz der höheren Bauweise, die irgendwo zwischen Hochdachkombi und SUV positioniert ist und dezent an einen höhergelegten Ford S-Max erinnert (der den Enyaq aber de facto um vier Zentimeter überragt).
Platzangebot auf Superb-Niveau - mindestens
Fast ebenso groß ist übrigens der Kofferraum mit 585 bis 1710 Liter Volumen, auch die Beinfreiheit samt ebenem Boden ist durchaus üppig, die Kopffreiheit deutlich größer und auch an den Schultern hat man viel Luft. Das alles in einem Längenmaß von 4,65 Meter und fünf Zentimeter unter einem Octavia Kombi. Hier bewahrheitet sich die Entwicklermaxime des Handelns: Skoda-Vorzüge in die Welt der E-Mobilität bringen, lautete die Vorgabe. Dazu zählt auch, dass es weiter manifeste Tasten für Schnellzugriffe gibt, statt nur auf das neue Getouche und Gewische zu setzen, wie die VW-Muttermarke. Und statt des ergonomisch schwierigen Gangwahlknubbels hinterm Lenkrad gibt's hier einen klassischen Wahlknopf in der Mittelkonsole.
Ein Highlight setzt man mit dem Augmented-Reality Head-Up-Display im Stil der neuen Mercedes S-Klasse. Die Fahrerassistenz bedient sich aus dem Baukasten, fährt teilautomatisiertes Level-2-Niveau auf und regelt im Übrigen immer feinfühliger durch nicht allzu komplexe Situationen und sofern der Fahrer brav die Hände am Lenkrad lässt. Neu sind etwa das "Trainierte Parken" oder die Querführung in engeren Passagen und der Travel Assist berücksichtigt auch Gefahrenmeldungen.
Auch im Interieurdesign setzt man sich mit natürlichen, teils komplett aus PET-Flaschen hergestellten Materialien und "loungiger" Atmosphäre ebenso ab wie mit einem "klassisch" gestalteten "Verbrenner"-Cockpit-Layout. Schließlich verbringt man ja mehr Zeit als früher im Auto, schon für den Ladevorgang, wie der Produktmann argumentiert. Vor allem oben herum ist die Anmutung also ansprechend, ab der Mittellinie wird es eher "preisbewusst" in härterem Plastik.
Die Effizienz könnte ruhig noch zulegen
Und der Verbrauch? Wir bekamen auf der gemischten 60-Kilometer-Runde einen Schnitt von 19,3 kWh/100 km hin, Heizung auf 18 Grad. Angemerkt sei, dass die eigentlich selbstverständlich geglaubte Wärmepumpe Aufpreis kostet. Doch ein Stück von Tesla Model 3 oder den Hyundai-Produkten bleibt man noch entfernt bei der Energieausbeute. Aber vor allem beim winterlichen Thermomanagement sollen die Updates auch noch Verbesserungen in der Effizienz bringen. Die Rekuperation wird per Lenkradpaddel dreistufig moduliert, ist aber nicht zu stramm und vorm Ampelstopp muss man immer "füßisch" eingreifen.
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