VM-Fahrbericht Peugeot 408 Hybrid: Der Löwe wird hochbeinig
Ganz böse Zungen könnten behaupten, den vollelektrischen 408 gibt es schon: Bei Kia mit dem (ähnlich langen, allerdings etwas höheren) EV6 oder bei Polestar, mit deren Model 2. Denn die Kombination aus dynamischem Fließheck alias "Fastback" und einer mit 1,48 Meter Scheitelmaß nicht zu hohen, aber doch leicht SUV-artigen Silhouette nebst coolem, sportiven Look haben die schwedischen Chinesen schon mal vorexerziert. Nicht nur die Höhe, auch Länge und Breite sind vergleichbar. Mit dem Unterschied, dass der Polestar eben schon von Anfang an völlig emissionsfrei fährt und in die Zukunft weist. Während sich auch der neue 408, im Prinzip ein „gecrosster“ 308er, noch immer mit dem faden Kompromiss eines Plug-in-Hybrid-Antriebs „herumschlagen“ muss. Die E-Version mit dem neuen Vitesco-Antrieb, 156 PS und wohl auch über 400 Kilometer Reichweite ist zwar schon avisiert, allerdings erst für 2024.
Der elektrische 408 jetzt sofort, das wär's gewesen
Aber warum man sie 2022 nicht priorisiert, erschließt sich wohl nur aus der entwicklungstechnischen Zeitschiene. Sprich: So schnell hätte man den elektrischen Löwen nicht auf (Hoch)Trab gebracht, erst recht nicht mit dem neuen und viel effizienteren E-Antriebspackage. Gegenüber dem 1,2-Liter-Dreizylinder-Turbo-Basisbenziner mit etwas sehr milden, aber für den Alltag völlig ausreichenden 130 PS brockt einem der PHEV die bekannten Nachteile ein: Der Kofferraum schrumpft von ordentlichen, für 4,70 Meter Länge aber nicht rekordverdächtigen 536 auf 471 Liter, das Gewicht wächst dafür von akzeptablen 1,5 Tonnen auf 1,9 Tonnen. Voll ausgeladen ist der große Löwe mit Doppelherz dann als 2,2-Tonner unterwegs. Die Anhängelast von 1.400 Kilo ist auch nicht berauschend, die Basis zieht maximal 1,2 Tonnen, die man dem 1,2 Liter-Motor aber auch nicht komplett zumuten will.
Über 60 Kilometer soll der PHEV jetzt stromern - naja ...
Immerhin: Beim PHEV, eine Spezies, deren Förderung mit dem nächsten Jahr ausläuft und die „nur“ noch wegen der Steuervergünstigung für Dienstwagen attraktiv bleibt, kommt man dank eines 12,4 kWh-Lithium-Ionen-Akkus im Heck jetzt gut 60 Kilometer weit elektrisch, der E-Motor bietet mit 81 kW und 320 Nm auch schon alleine für das Fahrzeug üppige Power auf. In Summe mit dem 1,6-Liter-Turbobenziner und seinen 180 PS wächst die Systemleistung dann auf deren 225 PS sowie 360 Nm. Eine schwächere PHEV-Version kommt etwas später mit 180 PS. Mehr dürfte die angetriebene Vorderachse dann überfordern – und ist auch gar nicht nötig, um recht flott vorwärts zu kommen.
Kein Vergleich allerdings zum vehementen Schub eines reinen Stromers wie Polestar oder Kia. Will man wirklich schnell Tempo gewinnen, brüllt der Löwenmotor auf, dass es den Verbrenner-entwöhnten Chauffeur in der Stromerseele schmerzt. Das klingt nicht gut, treibt den Verbrauch und liegt dem komfortorientierten Fahrzeug auch gar nicht. Schnell wieder lieber die sanfte Löwen-Tour und rollen lassen, dann hält sich der Verbrenner auch disket im HIntergrund, die 8-Gang-Automatik stuft sanft und schnell.
Wie gehabt: Lahmer Lader
Flott laden tut der PHEV allerdings nicht: Die wenigstens 7,4 kW starke Bordvorrichtung kostet extra. Damit ist man dann in zwei Stunden wieder bei vollen Löwenkräften im Akku, mit dem schwächlichen 3,6-kW-Gerät dauert es dann fast vier Stunden für das bisschen emissionsfreie Fahrt. Irgendwie ist man da mittlerweile andere Ladezeiten gewöhnt – und die PHEV-Technologie hat ihre Zeit hinter sich, bevor sie überhaupt eine wirkliche Berechtigung im Hinblick auf echte Emissionsminderung hatte.
Samtige Seite: Feines Fahrwerk, knackiges Handling
Genug gemeckert: Fahrwerkseitig lässt der samtpfötige und rassig dreinblickende Löwe nicht viel anbrennen, gefällt mit geschmeidigem und leisem Abrollen, gutem Komfort, sicherer Straßenlage und leichtgängiger Lenkung seines wie immer oben und unten abgeflachten Volants. So scharf wie die Optik ist das Handling allerdings nicht, eher Peugeot-like komfortabel oder familienfreundlich sanft und soft. Auch die Bremsen reagieren firmentypisch eher weich, packen nötigenfalls aber kraftvoll zu. Der lange Radstand macht das Fahrzeug aber eher unwendiger, wie überhaupt die Länge in engen Kurven und Serpentinen eher stört. Wie auch das durch das Doppelherz üppige Gewicht von 1,9 Tonnen, das den schweren Wagen in den Kurven ordentlich "schaffen" lässt. Leichtpfötig ist jedenfalls anders.
Gut platziert: Exzellente Sitze
Die Sitze sind ausgezeichnet und AGR-besiegelt, das Raumgefühl trotz des erhöhten Stands mit 19 Zentimeter Bodenfreiheit und des tiefen Dachs in Ordnung und auch im Fond ist man behaglich untergebracht, der lange Radstand sorgt hier aber vor allem für mehr Beinfreiheit gegenüber dem 308, aber auch dem längeren 508. Beim Einsteigen heißt es allerdings aufgrund der fließenden Form „Rübe einziehen“ bei gleichzeitigem Bein heben. Und in Reihe 2 sollte man sich wegen der abfallenden Dachlinie auch nicht zu sehr aus den bequemen Polstern in die Höhe recken. Über 1,85 Meter Scheitelmaß wird's eh knapper.
Keine Verbrauchssensationen im PHEV: Je länger desto höher
Verbrauchsseitig gibt es keine Sensationen zu vermelden: Die 60 Kilometer elektrisch schafft man allenfalls bei Schleichfahrt im Stadtverkehr, gut 40 Kilometer stromerten wir dahin, mit 110 km/h auf der Autobahn. Dann war emissionsfrei Schluss und über 174 Kilometer BAB/Landstraße/City stieg der Verbrauch auf 4,6 l/100 km, bei einem Schnitt von 56 km/h. Je länger die Fahrt gedauert hätte, desto weiter wäre der Verbrauch angestiegen, mit gut 6 l/100 km sollte man bei einem Langstreckeneinsatz mindestens rechnen, deutlich mehr als ein Diesel.
Interieur: Dunkel, aber behaglich
Im Interieur geht es zudem ziemlich düster zu, man wählt zwischen Schwarz-Grau oder Schwarz-Blau, immerhin alles pflegeleicht. Infotainment und Multimedia liegt auf dem ordentlichen Konzernniveau und bietet, was offenbar heute von der Kundschaft erwartet wird. Im Vergleich zum 308 kommt ein zweites breites Digitaldisplay als Zentralinstrument hinzu. Ob man das i-Cockpit mit seinen zwei Dimensionen, auf das der Hersteller sehr stolz ist, jetzt so bedienfreundlich findet, ist Geschmackssache, vielleicht auch Generationenfrage. Nett sind die individualisierbaren "i-Toggles", aber früher hätte man von den Ingenieuren erwartet, dass sie wissen, was die wichtigsten Funktionen zur Direktwahl sind.
Gute Fahrerassistenz. LED Standard
Wichtig und praktisch ist der schlüssellose Zustieg, Verschluss und Start, komfortabel kabelloses Laden und Verbinden per Smartphone, zielführend die TomTom-Echtzeit-Navigation, klangvoll, aber nicht ohne negativen Einfluss auf den Stauraum die Focal-Anlage mit Subwoofer (850 Euro), energiesparend, aber fast schon selbstverständlich die LED-Leuchten vorn und hinten. Optional gibt’s LED-Matrix-Licht. Vorbildlich komplett präsentiert sich das Arsenal an Fahrerassistenz samt aktiver Notbremse, Abstandstempomat mit Stauassi, Totwinkel-Warner, Verkehrsschilderkennung oder Spurhalter, das alles, ohne jetzt komplett vorneweg zu preschen.
Großer Touchscreen in der Mitte, großes Digitaldisplay. Wuchtige Mittelkonsole, manierliche Optik und Haptik für die Preisklasse. | Foto: Peugeot
Passabler Kofferraum, allerdings eingeschränkt durch das abfallende Heck und beim PHEV den Akku unterflur. Außerdem fallen die Sitze nicht komplett flach und es bleibt eine schiefe Ebene. | Foto: Peugeot
Wie in Abrahams Schoß: Erstklassige AGR-Sitze vorn, sportives Design. | Foto: Peugeot
Vor allem an Beinraum gewinnt der 408er gegenüber dem 308 (und auch dem 508), aber der Einstieg ist etwas eng und die Kopffreiheit nicht allzu üppig. | Foto: Peugeot
Akzeptables "Pricing", viel Ausstattung
Maß hält der Peugeot allerdings auch beim Preis: Der schon in der vorläufigen „Basis“, dem mittleren Allure Pack, gut ausgestattete „Shooting Brake Crossover“ beginnt bei 38.800 Euro, der GT kostet 41.900, der Plug-in-Hybrid GT schlägt dann allerdings mit 10.000 Euro mehr zu Buche. Und mit den „serienmäßigen“ Nachteilen. Wobei man sich dann eben preislich schon im Bereich eines Tesla Model 3, Kia EV6 oder Polestar 2 bewegt - und deutlich über einem rein elektrischen MG5 oder Kia E-Niro unterwegs ist. In Anbetracht der mauen Hybrid-Moral in den Flotten wiegt das Fehlen eines „sparsamen“ Langstrecklers in Gestalt eines Diesel-Modells dann umso schwerer. Dann wartet man doch vielleicht lieber auf einen Vollzeit-, statt des Teilzeitstromers, allerdings wird die Wartezeit bis 2024 sehr lang. Etwas tröstlich ist bis dahin: Die Restwerte werden so hoch eingeschätzt wie beim 3008, sodass Peugeot mit günstigen Leasingraten locken will.
Vernunft-Mobilisten nehmen den 308 SW - ab 2023 als Elektro
Oder aber man begnügt sich als Kunde mit dem weniger „crossen“, sprich modischen, dafür selbst als PHEV 5.000 Euro preiswerteren, praktischeren, sechs Zentimeter kürzeren und vier Zentimeter flacheren 308 SW mit 603 Liter großem Kofferraum (Hybrid 548 l) … Den 308er gibt’s sogar als Diesel, ebenso wie übrigens den höher positionierten, etwa 3.000 Euro teureren, schön „uncross“ flachen Kombi 508 SW! Und schon früher kommt der 308er als reinen Stromer mit supereffizientem E-Antrieb, der aus 51 kWh-Akku glatte 400 Kilometer Reichweite rausholen soll. Das ist mal ein wirklich „crosses“ Angebot, das den frechen Chinesen von MG Paroli bieten könnte. Und aus europäischer Provenienz längst überfällig ist. Da lässt man dann jeden Crossover stehen, und mag der noch so „Fastback“-mäßig cool verpackelt sein.
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