VM-Fahrbericht Maxus Euniq 6: Elektro-SUV mit Vernunftfaktor
Die Tochter des chinesischen SAIC-Staatskonzerns Maxus hat große Pläne für Europa: Nicht nur bei den leichten Nutzfahrzeugen und Großraumlimousinen will man reüssieren. Sondern jetzt auch im Trend-Segment der SUV. Umso mehr richten sich bange Blicke Richtung Brüssel, wie sich die Dinge in Sachen Strafzölle entwickeln: Denn SAIC wäre gleich mal mit dem vollen Satz von 38 Prozent dabei, sprich 48 inklusive der bestehenden zehn Prozent. Damit wäre auch das Projekt Euniq 6 so gut wie gestorben. Denn der erste hiesige Elektro-SUV des Autogiganten aus dem Reich der Mitte setzt nicht zuletzt auf einen nicht billigen, aber in Anbetracht des Gebotenen günstigen Preis von 44.950 Euro Netto. Dafür erhält der Kunde ein Fullsize-Elektro-SUV von 4,73 Meter Länge, 1,86 Meter Breite und 1,73 Meter Höhe, das erfreuliche Vernunft walten lässt beim ganzen Konzept und statt Kilowatt-Orgien oder Digital-Experimenten eher "Hausmannskost" serviert. Aber die schmeckt ja auch und macht satt.
Im übertragenen Sinne gilt das auch für den Euniq 6. Statt Bling-Bling setzten die Maxus-Leute auf viel Platz und eine schnörkellose Machart. Streiten kann man noch über das Design, aber im Reigen der nun mal weiter weltweit trendenen SUV ist der Maxus solide optische Mittelklasse, die sich einreiht in die glatten Optiken von Nio, Xpeng, BYD & Co. Vom Format liegt man auf Niveau eines Skoda Enyaq. Aber mal ehrlich: Schön sind diese Hochdachfahrzeuge alle nicht. Aber in diesem Falle wenigstens praktisch. So fläzt man vorn allenfalls eingeschränkt von der fetten Mittelkonsole, vor allem aber hinten sehr kommod und mit viel Schulter-, Kopf- und Beinfreiheit in dem Fahrzeug und weiß zudem eine gewaltige Gepäckhöhle von 754 Litern hinter sich, inklusive eines geräumigen Unterbodenfachs. Wer die Sitze umklappt erhält einen kleintransportermäßigen Frachtraum, in dem nur eine kleine Stufe stört. Und die eher mäßige "Nutzlast" von nurmehr 325 Kilogramm. Weil wir dabei sind: 750 Kilo Anhängelast sind für die Gattung auch nicht berauschend. Die Verarbeitung und Auswahl der Materialien ist nicht edel, aber manierlich, praktisch und robust, die Sitze sind ausreichend bequem und die Bedienung ziemlich selbsterklärend.
Ausreichende Motorisierung, Gleiten statt Hetzen
Das gleiche Muster setzt sich beim Fahren fort: Der Euniq 6 ist kein Reißer, aber der 130-kW-Synchron-Motor an der Front bringt mit seinen 310 Nm die mit 1,96 Tonnen für ein Fahrzeug dieses Formats nicht zu schwere Fuhre ausreichend flott in Fahrt. Gelegentlich scharren die Räder sogar mit den Hufen, aber ein Ausbund an Agilität will der mit seiner nicht sonderlich präzisen Lenkung eher zum entspannten Gleiten veranlagte Stromer ohnehin nicht sein. Die drei Fahrmodi fühlen sich alle irgendwie gleich an, Kickdown sorgt sowieso immer für volle Leistung, sodass man sich das Expermentieren sparen kann und gleich Eco wählt. Die Rekustufen kann man manuell über den etwas fett geratenen Schaltknauf justieren, One-Pedal-Drive gibt es aber leider nicht. In jedem Fall kommt der E-SUV dann recht sparsam über die Runden, wobei die kleine Tour nur durch Stadt- und Überland führte. 15 kWh/100 km laut Bordrechner wären ein recht guter Wert. 354 Kilometer weit soll der Elektro-SUV mit der Energie aus dem 70-kWh-Lithium-Ionen-Akku kommen, was 21,5 kWh/100 km entspräche.
Lahmer Lader trübt das Bild
Etwas sehr mild geraten ist der serienmäßige AC-Bordlader, der nur 6,6 kW bietet - und auch in DC ist man von 30 auf 80 Prozent ganze 35 Minuten an die Säule gefesselt. Trotzdem kann man Langstrecken mit dem Euniq 6 schon in Angriff nehmen. Auch weil der Federungskomfort in Ordnung geht, die Wind- und Abrollgeräusche relativ niedrig liegen. Stets vernehmbar ist dagegen der hochfrequent sirrende Motor, bei wärmerer Witterung übertönt vom Klimakompressor. Die Fahrerassistenz ist zwar komplett versammelt, könnte aber noch Feintunig gebrauchen. So nervt die Spurassistenz mit ständigem Gebimmel, der aktive Eingriff erfolgt nicht sehr gefühlvoll. Der Abstandstempomat inklusive Stop&Go arbeitet dann aber recht zuverlässig. In Sachen Konnektivität bietet man auch Hausmannskost, das Infotainment ist nicht das schnellste, aber in Ordnung, die Soundanlage nicht die klangstärkste, die Verbindung zum Android-Handy per Kabel streikte zudem.
Die Sahneseite des Elektro-Hochdachmobils ist die Ausstattungsliste. Es gibt genau eine Option: Metallic-Lack. Ansonsten ist nach Tesla-Vorbild alles in der langen Liste für die 45.950 Euro Netto aufgeführt, was man heute erwarten darf. Neben dem Arsenal an (mehr oder minder gut funktionierender) Fahrerassistenz, ein Panorama-Schiebedach, LED-Leuchten, 12,3"-Infotainment, Klimaautomatik, induktives Laden fürs Handy, Keyless Go, Rückfahrkamera oder eine (unvermeidlich) elektrische Heckklappe, deren winzigen Taster man aber erst einmal finden muss. Trotzdem: Das Package mag nicht so hyperperformant, edel und ambitioniert sein wie bei den Boliden von Nio oder Xpeng, liefert dafür genauso viel Platz zum in Relation günstigen Preis. Das passt also und Maxus liefert einen weiteren Beweis seiner fast schon wieder wohltuenden Bodenständigkeit, eine Linie, die man ja auch bei der Schwestermarke unterm SAIC-Dach MG erfolgreich fährt. Im Portfolio soll neben dem luxuriösen Mifa 9 ein weiterer siebensitziger Pkw-Van Mifa 7 folgen. Wenn die Sache mit den Zöllen nicht wäre ...
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