Werbung
Werbung

VM-Fahrbericht Maxus Elektro-Vans: Unter Strom aus dem Reich der Mitte

Mit einem breiten Lineup an vollelektrischen Nutzfahrzeugen vom City-Van über Pick-up bis zum 3,5- und bald 7,5-Tonner klotzt die Tochter des chinesischen Staatskonzerns SAIC. Hiesigen Kunden kann's recht sein. Denn die Produkte sind nicht übel - und für E-Modelle fair gepreist. Eine Tour in allen Vieren.

Aus der Mitte entfährt ein Van: Die Luxuslimousine Mifa9 steht nicht im Mittelpunkt des Line-ups der Chinesen, sondern die Transporter, denen noch ein E-Lkw folgt. | Foto: Maxus
Aus der Mitte entfährt ein Van: Die Luxuslimousine Mifa9 steht nicht im Mittelpunkt des Line-ups der Chinesen, sondern die Transporter, denen noch ein E-Lkw folgt. | Foto: Maxus
Werbung
Werbung
Redaktion (allg.)
von Johannes Reichel

Man ist ja hin- und hergerissen, mit diesen China-Marken: Einerseits ist da der Hintergrund einer immer aggressiver auftretenden Wirtschaftsmacht und Autokratie, die gerade auch ihre Industrie zunehmend streng an die Kandare nimmt. Andererseits sind da durchaus wettbewerbsfähige und moderne Produkte, die in Europa den Hochlauf der dringend nötigen emissionsfreien und primär elektrischen Mobilität drastisch beschleunigen - und damit zur Erreichung der Klimaziele im dauersäumigen Verkehrssektor beitragen könnten.

Und das auch tun: Nach ersten Lieferschwierigkeiten wuchs der Marktanteil von Maxus, Tochtermarke des mächtigen chinesischen Staatskonzerns und mit einer Million Fahrzeuge größten chinesichen Autoexporteurs SAIC, sprunghaft auf fast ein Prozent im LCV-Segment in Deutschland. 1.000 Fahrzeuge hat man binnen kürzester Zeit, sprich bis Juni 2023 losgeschlagen und bereits gut sechs Prozent Marktanteil bei reinen E-Vans im Kompakt- und im 3,5-Tonner-Segment erobert, wie Country Manager & MD Astara Germany Gerald Lautenschläger nicht ohne Stolz anmerkt bei der Vorstellung der breiten Modellpalette. Zu der sich neben dem E-Pick-up, dem eDeliver3, dem eDeliver9 bald noch der eDeliver7 im Ford Transit Custom-Format dazugesellt.  Ganz zu schweigen vom ersten Großserien-Verteiler-Lkw, dem EH300, der als rein elektrischer 7,5-Tonner mit beeindruckenden 4,3 Tonnen Tragfähigkeit ebenfalls im Laufe des Jahres bei uns anrollt, wie Country-Manager Karsten Dornheim ankündigt.

Hohe Schlagzahl dank SAIC-Konzern-Pool

Eine beeindruckende elektrische Schlagzahl, die wiederum möglich wird durch den gewaltigen Pool der Mutter SAIC, aus dem das Line-up für Europa zusammengestellt wird. In weltweit fast 50 Ländern und Regionen ist die Marke Maxus schon präsent, nur um zu verdeutlichen, dass es sich hier nicht um eine "kleine Klitsche", sondern einen ambitionierten Global Player handelt. Für den Import und Vertrieb in zwölf von 16 Bundesländern ist die Maxomotive Deutschland GmbH mit Sitz in Köln zuständig. 77 Partnerbetriebe mit 136 Standorten in zwölf Bundesländern (im Norden ist der norwegische Importeur zuständig) stellen dort die Kundenbetreuung sicher – Tendenz steigend, speziell auch mit Hochvoltzentren, wie man anmerkt. Und die Maxomotive Deutschland GmbH ist wiederum Teil von Astara Western Europe, die auch Marken wie Ssangyong, Isuzu oder die Schweizer Microlino importiert.

Soweit zum Hintergrund. Der ist wichtig, um die Ernsthaftigkeit der Produkte zu verstehen. Und auch, wenn die sich von ihrer jeweiligen Laufzeit etwas überlagern, es sind durch die Bank gut gemachte E-Nutzfahrzeuge, die mit Performance, Effizienz, Praktikabilität und obendrein vernünftigen Preisen locken.

Der eDeliver3: Pragmatiker im Lieferdienst

Allen voran der erstmals als dedizierter E-Van entwickelte eDeliver3, der in zwei Radständen kommt, mit niedrigem Zustieg, Laderaum sowie toller Übersicht punktet und mit einem robusten Lithium-Eisenphosphat-Akku von "right sized" 50 kWh Netto aufwartet. Das soll für 228 Kilometer im WLTP genügen, im Stadtbetrieb dürften die gut 300 Kilometer nicht unrealistisch sein. Zwar wirkt die Hartplastiklandschaft innen etwas arg preisbewusst und das träge reagierende Infotainment ist nicht der letzte Schrei. Aber letztlich ist das Interieur praktisch, der Boden topfeben, die Bedienung erfreulich simpel und der Durchstieg gelingt locker. Der Zugang zum Laderaum ist seitlich mit der schmalen Schiebetür etwas eng, dafür von Heckseite quadratisch, praktisch und niedrig. Zudem dürfen 850 Kilogramm Fracht mit. Eine Fahrgestellversion bietet gar 1.300 Kilo Tragfähigkeit.

Stramme Rekuperation

In Fahrt glänzt der als L2-Version 5,14 Meter lange Van mit strammem Antritt der 118 kW und 225 Nm starken E-Maschine, die auch im Eco-Modus den Vorderradantrieb schnell an seine Grenzen bringt. Aber man muss es ja nicht so "stromen" lassen. So rollt man ruhig und recht leise dahin, die Karosserie wirkt recht steif, das Fahrwerk filtert den Unbill der Straße ordentlich weg, hier rappelt und klappert nichts. Die Lenkung ist zwar nicht sonderlich gefühlvoll oder ambitioniert in Sachen Agilität, aber man kommt klar. Der Wendekreis mit dem langen Radstand ist allerdings für die Stadt ganz schön unhandlich. Man drückt den Verbrauch dank dreier per separater "REG"-Taste links aktivierbarer Rekuperationsstufen von sanft bis stramm auf unter 20 kWh/100 km laut Bordrechner.

Ladeanschluss in der Front - Ladetempo praxisgemäß

Der Ladeanschluss liegt dort, wo er hingehört: Im Grill und unter der kurioserweise abnehmbaren Kunststoffmotorhaube, die den E-Motor freigibt. In DC geht es mit 80 kW ausreichend schnell zur Sache, sprich 5 bis 80 Prozent in 45 Minuten, in AC sind 11 kW der Stand der Dinge. Der Blick in die Preisliste offenbart eine üppige Serienausstattung von Kunstoffboden über Seitenverkleidung, Infotainmentsystem oder Tempomat und Notbremse bis hin zur Rückfahrkamera, nicht zu vergessen, ein vollwertiges Ersatzrad. Eine Sitzhöhenverstellung hätte man da aber auch noch spendieren können. Dennoch: Das alles ab unter 40.000 Euro netto, sprich knapp 6.000 Euro unter dem kärglicher ausstaffierten, viel kleineren ID.Buzz Cargo oder dem ähnlich-formatigen eVito Kasten im knausrigen Basistrimm. Nicht schlecht also für einen 6,3-Kubikmeter-Van in "vollelektrisch".

eDeliver9: Beim Transit Maß und Form genommen

Speziell bei der Fahrerassistenz legt der auch für Mittel- und Langstrecken ausgelegte eDeliver9 da noch ein "Schäuferl" drauf, der noch auf einer Multiantriebsplattform basiert und wahlweise zu der 150-kW-Synchron-Maschinen doch tatsächlich noch einen Diesel beherbergt. Nicht mehr allzu lange, wie Maxus-Country Manager Karsten Dornheim anmerkt. Sichtbar wird der Antriebskompromiss in Gestalt eines hässlichen Kardanwellenbuckels, der den Innenraum verunziert und den Durchstieg erschwert. Ansonsten kommt man mit dem Interieur schon klar, das zwar ein bisschen "Rouge" aufgetragen hat, stellenweise aber mit scharfem Hartplastik den Rotstift der chinesichen Ingenieure verrät.

Multiantriebsplattform: Schwieriger Durchstieg

Auch der 3,5-Tonner geht elektrisch flott ab, fährt sich komfortabel und federt erwachsen und mit sattem Ploppen die Unebenheiten weg. Auch hier ist "Eco" der beste Modus - und in der Stadt die mit dem altmodischen Schaltknauf aktivierbare, stramme "Reku-Stufe" 3 die beste, die fast One-Pedal-Driving ermöglicht. In der Stadt könnte man dann dank des größeren 89-kWh-Lithium-Eisenphosphat-Akkus (alternativ 72 kWh) die 400-Kilometer-Marke knacken, der Verbrauch soll formal bei 32 kWh/100 km liegen, in unserem Fall spann der Bordcomputer aber utopische Werte zusammen. Geladen wird in DC mit eher lahmen 70 kW, in AC mit 11 kW, von 20 bis 80 Prozent vergeht eine Dreiviertelstunde, von 5 bis 100 Prozent in AC neun Stunden. Das passt für die gewerbliche Praxis und hält die Kosten im Zaum.

Etwas mühselig ist das Aktivieren der teilautomatisierten Funktionen, was man aber sowieso nur Überland oder auf der Autobahn braucht. Zudem nerven die serienmäßigen Systeme mit allzu großer Mitteilsamkeit akustischer Art, die Spurführung schaltet man im urbanen Umfeld dann schlicht ab. Überhaupt könnten die Fahrerassistenten bei allen Maxus-Produkten ebenso noch Feinschliff vertragen wie die Infotainmentsysteme, die sehr schlicht daherkommen und zudem nicht sehr reaktiv sind.

Hoher Ladeboden, niedriger Laderaum

Im Laderaum des eDeliver9 muss man ebenso "Multiantriebskompromisse" machen: Der Standard-Heckantrieb verursacht eine hohe Ladekante und nicht ungefährliche Stufe am Heck, wo ein Handlauf akut mangelt. Der hohe Ladeboden schrumpft innen das Scheitelmaß, sodass man über 1,80 Meter Größe höllisch aufpassen muss, sich nicht zu stoßen. So ist bei formal 12,5 Kubikmeter Schluss, eher durchschnittlich für fast sechs Meter Länge, gut zwei Meter Breite und 2,50 Meter Höhe. Die nächste Generation soll als dedizierter E-Van hier deutlich besser sein, auch in Sachen Raumeffizienz.

Immerhin: Mit 1.275 Kilo Nutzlast kommt man klar und mit 1,5 Tonnen Anhängelast kann der eDeliver9 passabel schleppen für einen Stromer. Doch schon jetzt ist das ein praktikables Package, das allerdings mit 64.500 Euro in der 72-kWh-L2-Basis und 7.500 Euro sowie 3.500 Euro Aufschlag für die 89-kWh-L3-Version mit dann 75.000 Euro auch ihren Preis hat. Klar, dass es in zwei Radständen auch ein Fahrgestell gibt - und über VanSelect eine reichhaltige Auswahl an Aus- und Aufbauten. Im direkten Vergleich zu dem optisch offenbar Pate stehenden eTransit wirkt der eDeliver aber ein gutes Stück weniger wertig, stimmig und aus einem Guss.

Elektrisch Pick-up fahren: Es hat sich ausgedieselt

Womit man schließlich beim aktuell dritten im Nutzfahrzeugbunde wäre, wenn man vom Luxus-Van dem Mifa9 einmal absieht, der in seiner ganzen Opulenz sehr chinesisch gemacht ist, weich und komfortabel wie eine Sänfte dahinschaukelt, aber in Sachen Platzangebot und Praktikabilität nicht mit einem Mercedes EQV/eVito Tourer oder ID.Buzz Pro mithalten kann, bei gestreckten 5,27 Meter Länge und zwei Meter Breite wohlgemerkt. Der Pick-up ist wie der eDeliver9 abgeleitet von einem Verbrenner, ohne den Diesel herrscht unter der Haube allerdings ziemliche Leere, weil der E-Antrieb ziemlich grobschlächtig an der Hinterachse sitzt, gleich einem überdimensionierten Differenzial. Ob das im Gelände so günstig ist, sei dahingestellt. Jedenfalls schüttelt der "offene Transporter" seine Fahrgäste auf dem Leiterrahmen ordentlich durch und wirkt so starrig, als wolle er beweisen, dass er zwar Europas erste Strompritsche, aber eben doch ein Pick-up ist. Da hätte man durch das Zusatzgewicht des 89-kWh-Akkus mehr Sanftmut erwartet.

Recht genügsam im Betrieb

Sonst ist das natürlich schon faszinierend, Pick-up-Fahren ohne das ewige und traditionelle Geknatter und Geknurre, leise surrt man dahin. Der T90 EV beschleunigt ebenfalls flott, hier aber ohne Traktionsprobleme des 130 kW und 310 Nm starken Heckantriebs. Einen Allrad sucht man (noch) vergebens, dafür gibt es eine elektronische Bergabfahrkontrolle. Für 330 Kilometer im WLTP soll der Energievorrat genügen, im Nahverkehr gar 470, was unsere Anzeige im Bordcomputer mit 18,6 kWh/100 km bestätigt, offiziell in 26,8 kWh/100 km WLTP. Geladen wird ebenfalls in DC eher lahm mit 80 kW und 11 kW DC, hier anstelle des Diesel-Tankstutzens. Für einen Pick-up eher mau ist allerdings die Anhängelast von 1.000 Kilogramm, die Nutzlast von 925 Kilo ist unterer Standard, die Ladefläche mit 1.485 Millimeter in der Länge und 1.510 Millimeter in der Breite auch. Dafür ist im Fond der Doka gut Platz für Mitfahrende.

Unterm Strich legt Maxus zwar wirklich eine hohe Neuheitenfrequenz an den Tag. Doch in Sachen Gründlichkeit und Materialanmutung könnten die Produkte aus dem China-Baukasten noch nachlegen. Man kann davon ausgehen, dass sie das auch werden. Der eDeliver7 lässt schon mal grüßen. 

Werbung

Branchenguide

Werbung