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VM-Fahrbericht Hyundai Ioniq 5 N: Der Verbrenner-Verdränger

Mit einem aufwändig leistungsgesteigerten Modell setzt Hyundai dem Ioniq5 die Krone auf und zeigt, wie man die Freude am Verbrenner-Fahren ins Elektrozeitalter transferiert. Der N-Elektro-CUV kommt dem Anspruch „Genuss ohne Reue“ sehr nahe, Performance, Handling und sogar Sound passen, selbst wenn er 2,2 Tonnen Gewicht nicht ganz verbergen kann.

Will den Verbrenner verdrängen, auch von der Rennstrecke: Der Hyundai Ioniq5 N geht mit großen Ambitionen an den Start. | Foto: J. Reichel
Will den Verbrenner verdrängen, auch von der Rennstrecke: Der Hyundai Ioniq5 N geht mit großen Ambitionen an den Start. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Braucht man das? 650 PS und 770 Nm Drehmoment. Das sind Werte eines Schwerlasters der „King of the Road“-Klasse. Und die nüchterne Antwort lautet: Nein, braucht man natürlich nicht. Aber Spaß macht es trotzdem. Nicht unbedingt im Alltag, wo man die Performance der aus dem Kia EV6 GT übernommenen und nochmal leistungsgesteigerten Elektromotoren kombiniert mit zweistufigem Wechselrichter für mehr Effizienz und höhere Leistungsabgabe an Front und Heck sowieso nie und auch besser nicht ausreizt.

Aber für die Hobbyrennfahrer, die ab und zu mal auf die Nordschleife wollen, sei versichert: Das geht jetzt auch ohne zu stinken und die Umwelt zu verpesten. Fossilfreier Fahrspaß auf Rennstreckenniveau, das war der Anspruch des Ingenieursteams um ihren Chef Till Wartenberg. Oder, wie es der Ex-Entwicklungschef von Hyundai Albert Biermann bei Start des Projekts postulierte: Den Elefanten zum Tanzen bringen.

Den Elefanten zum Tanzen bringen

Denn für Sportwagenverhältnisse „elefantös“ ist natürlich das Gewicht dieses Elektro-Crossovers, der mit seinem neuerdings 84 kWh großen Lithium-Ionen-Akku satte 2,2 Tonnen auf die Waage bringt. Die Schwierigkeit bestand also darin, dieses Gewicht zu kaschieren und die Karosserie so massiv zu versteifen, dass die Agilität eines 1,5-Tonnen-Sportwagens aufkommt. 42 zusätzliche Schweißpunkte werden gesetzt, 2,1 Meter zusätzlicher Teile verklebt.

Auch am Fahrwerk blieb quasi kein Stein auf dem anderen: Geänderte Aufhängungen, spezielle Doppelquerlenker, andere Federn- und Dämpfer, ein adaptives ECS-Fahrwerk, das sich der aktuellen Straßenlage anpasst, eine elektronische Differenzialsperre e-LSD, modifizierte Front- und Heckkinematik, größere Bremsscheiben und Spezialbremsanlage etc. pp. Sogar eigene Hochleistungspneus haben die Koreaner bei Pirelli in Auftrag gegeben, mit der Kennung „HN“, für Hyundai N-Reihe. Das Ergebnis kann sich sehen, fahren und auch hören lassen.

Jede Menge Gadgets

Sicher, die Krawalloptik ist nicht jedermanns Sache, gehört für die angepeilte Klientel aber wohl zum „guten Ton“ oder Bild, wie ja auch ein M-Power-BMW oder AMG-Mercedes dicker aufträgt. In diesem Falle erfüllen aber die geänderte Front- und Heckschürze, die breiteren Schweller oder der verlängerte Dachspoiler funktionelle Aufgaben der Verbesserung des Handlings und der Straßenlage. Selbstredend gehören neben der Hardware für die Software-verliebten Koreaner alle möglichen Spielereien und Gadgets dazu, die sich im eigenständigen „N-Menü“ aufrufen und individuell einstellen lassen.

Auch die Kombination aus Eco-Modus und straffem Fahrwerk und Lenkung ist so etwa möglich. Oder ein spezieller Driftmode, wirklich etwas für Freaks und Helden der Rennbahn, die sich die teuren 275er-Pneus in den speziellen 21-Zoll-Wagenrädern leisten können. Man kann es sich aber auch einfach machen und die beiden N-Tasten am Lenkrad nutzen. Mit der linken startet der Sportmodus, der die Lenkung deutlich härter macht, dem Fahrwerk seine ursprüngliche, komfortbetonte Weichheit austreibt und das Display auf einen Analogtacho mit Drehzahlmesser umstellt.

Kennzeichen "N": Die magischen Tasten

Mit der rechten Taste ergänzt man das sportive N-Menü dann um einen Sound sowie die Möglichkeit Schaltvorgänge per Paddel selbst zu simulieren. Ganz ehrlich: Auch für dem Automobil gegenüber eher nüchtern eingestellten Menschen entlockt das zumindest ein anerkennendes Nicken: So könnte es gehen, mit dem fossilfreien Fahrspaß für ein neues Zeitalter. Jedenfalls brabbelt, bollert und sprotzt das nach innen druckvolle, nach außen dezente Soundsystem im überzeugendsten der drei Klangkulissen mit vielsagendem Namen „Ignition“ so lustvoll und glaubhaft, als säße unter der Haube ein V8-Biturbo.

Zuletzt hatte Abarth ähnliches Soundexperiment gewagt und viele Fans gewonnen, freilich eine Dreiviertel Tonne niedriger und zwei Klassen kleiner. Und wie die Ingenieure es hinbekamen, dem Antriebsstrang auch noch Schaltrucke anzutrainieren, die sich anfühlen, wie ein perfektes DSG. Per Paddel kann man selbst sortieren, wenn man es denn will – oder den Automaten machen lassen, der sogar bergab die Gänge hält oder lässig hochschaltet, wenn man das Fahrpedal lupft.

Die E-Maschinen ziehen mächtig durch

Sein Gewicht kann der Ioniq5 trotz allen Aufwands nicht ganz verbergen: Bei Wellen oder in Schikanen walkt die Karosse dann doch ein wenig, bleibt die letzte Schärfe und Präzision schuldig und lässt die Leichtigkeit eines echten Sportwagens doch etwas missen. Das macht aber die gewaltige Performance der beiden Elektromaschinen wieder wett, die machtig Schub machen, einen durch die Kurven beamen und über die Geraden zoomen lassen. Was war noch mal ein Verbrenner? Wer will, kann auch die Launch Control aktivieren, mit der dann der 2,2-Tonner in 3,4 Sekunden auf 100 km/h schnalzt. Wirklich ein Fall für die Nordschleife. Zwischensprints lassen sich mit dem verboten roten Knopf NGB („N Grin Boost“) absolvieren, bei denen die volle Leistung wie bei der Schwester Genesis für 10 Sekunden komplett zur Verfügung steht, auch lieber nicht auf der Straße probieren.

Verbrauch geht für das Tempo in Ordnung

In Relation zu dieser überschießenden Leistung geht sogar der Verbrauch auf der Rennstrecke in Ordnung: 39 kWh/100 km genehmigte sich das Geschoss auf den flott gefahrenen Runden über 33 Kilometer. Da gibt man guten Gewissens Ökostrom, wenn man bedenkt, dass bei einem Verbrenner dieser Leistungsliga auf dem Parcours eher 39 l/100 km fällig geworden wären. Und ein paar neue Bremsbeläge vermutlich auch. Denn das ist ein weiterer großer Pluspunkt des Stromers: Die verstärkte Rekuperation mit klangvollem Namen „N Brake Regen“ ist für Rennstrecke entwickelt und verzögert so viel Tempo weg – bis zu 0,6 G – dass die gewaltigen Scheiben nach den Runden völlig cool bleiben. Mehr als 30 Grad zeigen sie nicht an. Man spart also auch noch am Bremsverschleiß und Bremsstaub. Wobei der Übergang nahtlos ist, aber das Pedalgefühl gleichwohl etwas synthetisch.

Ziel: "Alltagssportwagen"

Doch Rennbegeisterung hin, RNB-Mode her, Ziel war es, eben auch ein alltagstaugliches Fahrzeug zu schaffen, einen „Alltagssportwagen“, Dr. Jekyll und Mr. Hyde sozusagen. Wer will, bewegt den Ioniq 5 eben auch wie einen ganz braven, wie gehabt äußerst geräumigen Familienwagen durch den Alltag. Der Ecomodus zieht dem „N“ komplett den Zahn, sanft schiebt der „Riese“ an, schaukelt brav über die hohen Bodenwellen und lässt sich wahlweise komplett komfortabel mit dem Fahrpedal fortbewegen, weil im iPedal-Modus wirklich stramm und bis Stillstand verzögert wird.
 

Höherer Verbrauch versteht sich

Auch alle Fahrerassistenten der Standardversion sind selbstredend an Bord, wobei der Lenkassistent so nervös agiert, dass man ihn Überland schnell ausschaltet. Freilich, die Hochleistungsmotoren haben auch größeren Energiehunger – und so kamen wir über die ausgiebige 190 Kilometer Berg- und Talfahrt, mit einigem moderaten Autobahnanteil und Tempo-30-Ortsdurchfahrten auf 20,5 kWh/100 km. Die 448 Kilometer WLTP sind in Anbetracht des Spaßpotenzials da eher Theorie. Das kann der zivile Bruder sicher besser. Aber der gibt halt auf der Rennstrecke eine fade Figur ab. Beide laden dann aber zügig nach, in 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent, dank der 800-Volt-Basis der E-GMP.

Und was kostet der (Fahr)Spaß? Mit 74.900 Euro listet der Ioniq 5N mit bis auf das Panoramadach kompletter Ausstattung selbstbewusst, aber wenn man eine ähnliche Performance bei Porsche oder BMW will, zahlt man das doppelte. Allenfalls Tesla kann da mit dem Model 3 als Performance mit ähnlichen Leistungswerten und Reichweite noch mithalten respektive sogar deutlich unterbieten: Das Vorgängermodell taxierte bei 65.000 Euro. Insofern bleibt der „N“ der Hyundai-Linie treu: Nicht billig, aber preiswert.

VM-Fazit:

Am Ende dieser im wahrsten Sinne „hochspannenden“ Sause bleibt festzuhalten: (Mancher) Mensch bleibt wohl ein Hedonist, solang er lebt – und die Klientel für solche Hochleistungsfahrzeuge gibt es offenbar, sonst würden sich die leistungsgesteigerten Modelle der Premium-Marken nicht wie geschnitten Brot verkaufen, getreu dem schizophrenen Motto: „Jetzt noch Vollgas geben, das darf man in Zukunft sicher nicht mehr“. Auch Hyundai war seit dem Start der Submarke mit dem einen Buchstaben äußerst erfolgreich. Und daran will man nun anknüpfen – und zwar elektrisch. Fahrspaß für eine bessere Welt sozusagen. Die Zeichen stehen nicht schlecht – oder Buchstaben.

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