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VM-Fahrbericht Genesis Electrified GV70: Frontalangriff auf den BMW iX3

Das Elektro-SUV der südkoreanischen Premiummarke hat den BMW iX3 im Visier. Listenpreis des Genesis Electrified GV70 Sport AWD: 67.300 Euro, Listenpreis des BMW iX3: 67.300 Euro – das kann kein Zufall sein. Wir konnten das E-SUV rund um Frankfurt ausgiebig testen.

GV70 jetzt auch rein elektrisch - mit Allrad und 490 PS.| Foto: Genesis
GV70 jetzt auch rein elektrisch - mit Allrad und 490 PS.| Foto: Genesis
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Thomas Kanzler

Genesis ist 2021 mit großen Ambitionen auf dem deutschen Markt gestartet. Die Premium-Marke des Hyundai Konzerns will vor allem Audi, BMW und Mercedes die Kunden abjagen. Mit mehreren Baureihen mit unterschiedlichen Antrieben sind die Koreaner hierzulande präsent. Wobei die Zeit der Genesis-Verbrenner schon bald wieder vorbei ist, ab 2025 werden die Koreaner nur noch rein elektrische Fahrzeuge auf den deutschen Markt bringen.

Rein elektrisch angetrieben gibt es bei Genesis bisher das Mittelklasse-SUV GV60 sowie die große Limousine G80 Electrified. Während der GV60 auf der Electric Global Modular Platform (E-GMP) von Hyundai aufbaut, die auch der Kia EV6 nutzt, sind G80 und GV70 auch als Verbrenner auf dem Markt.

Nicht nur beim Einstiegspreis zielt der GV70 auf den BMW iX, mit 4,72 Metern Länge ist er auch exakt genauso lang. Weitere Gemeinsamkeit: Wie der BMW ist auch das Elektro-SUV Electrified GV70 der Ableger des Modells mit Verbrennungsmotor. Bei der Performance muss der Platzhirsch BMW dem Newcomer GV70 das Feld überlassen. Während das bayerische SUV nur mit einem 210 kW (286 PS) starken Heckantrieb zu haben ist fährt sein koreanischer Kontrahent stets mit Allrad und bis zu 360 kW (490 PS) vor.

Fahrleistung auf Sportwagen-Niveau

Sportlich kann der GV70, Leistung ist im Überfluss abrufbar. Front- und Heckmotor bieten jeweils eine Maximalleistung von 180 kW (245PS), das Drehmoment gibt Genesis mit 700 Nm an. Am Lenkrad lässt sich mit einem Tastendruck den Boost Mode aktivieren und für 10 Sekunden 20 kW Extra-Leistung pro Motor abrufen. Das E-SUV beschleunigt dann in 4,2 Sekunden auf 100 km/h. Gut, dass bei über 120 km/h die sehr bequemen Sitze zupacken, die Seitenwangen werden enger und bieten zusätzlichen Seitenhalt. Erst bei 235 km/h Spitzengeschwindigkeit ist Schluss. Überholen ist gerade mit dem Boost-Effekt sehr souverän möglich, die Verbrauchswerte, die dabei allerdings angezeigt werden (weit über 50 kW), lassen den Fahrer schnell wieder zum sanften Cruisen zurückkehren.

Vorausschauendes Fahrwerk

Das Ansprechverhalten der Motoren und die Leistungsentfaltung sind auf Sportwagen-Niveau. Das Elektro-SUV liegt auch dank der aufwendigen Fahrwerkstechnik stets satt auf der Straße. Wie auch schon im GV80 verfügt der GV70 über die Fahrwerkregelung Preview ECS. Dabei erkennt die vorausschauende Fahrwerksregelung den Zustand der Straße mittels einer Frontkamera und passt die Federung in Echtzeit an. In der Realität funktioniert das gut, der GV70 ist ein kommoder Gleiter und lässt die meisten Unebenheiten nicht zum Fahrgast durchdringen. Einzig eine etwas buckligere Passage über Feldwege offenbarten, dass das SUV doch eher zum Asphalt als zum Gelände tendiert.

Entspanntes Fahren auf den Feldberg

Die Testrunde führte uns auch auf den Feldberg. Mit dem feinen Fahrwerk sind die Serpentinen hinauf zum Gipfel schnell erklommen, die 2,3 Tonnen Lehrgewicht sind kaum zu spüren. Situationsbedingt lässt sich die Rekuperation einstellen. Mit einem Stromer macht bergab mit maximaler Rekuperation besonders Spaß. Man muss nicht bremsen und der Akku läd sich wieder auf. So kamen wir mit Serpentinen, Landstraßen- und Autobahnfahrten auf unseren Testrunden laut Anzeige auf einen guten Durchschnittsverbrauch von 19,7 kW/100km.

Silence is golden

Ein weiteres Komfort-Goodie ist die optionale - in unsrem Testwagen verbaute - aktive Geräuschkontrolle. Mittels Sensoren und acht Mikrofonen werden die Fahrbahngeräusche erfasst. Lautsprecher erzeugen dann im Innenraum inverse Schallwellen, die den Geräuschpegel senken. Gefühlt wurde das Testfahrzeug bei aktivierter Fahrgeräusche-Unterdrückung noch etwas leiser als sowieso schon. Wer es nicht so still mag, kann über den Bordmonitor Fahrgeräusche wie bei einem Verbrenner einspielen lassen – was in unseren Augen doch etwas kurios anmutet.

Gediegen, elegant und hochwertig

Die Karosserie des GV70 ist dynamischer gestaltet als die des großen Bruders GV80. Typische Merkmale, wie die doppelten Leuchteinheiten vorne und hinten, der sogenannte Crest-Grill und der Schwung der seitlichen Sicke – der GV70 ist sofort als Genesis identifizierbar. Beim Stromer ist der „Kühlergrill“ geschlossen, die Ladeklappe ist fast unsichtbar in dem Crest-Grill versteckt. Vorne herrschen üppige Platzverhältnisse, die verarbeiteten Materialien wirken sehr hochwertig. Aluminium und Leder vermitteln das Gefühl, in einem luxuriösen Fahrzeug zu sitzen. Gerade in der hellen Innenausstattung kommen die hübschen Details besonders zur Geltung.

Im Fond herrschen für diese Klasse aber nur durchschnittliche Platzverhältnisse. Der mittlere Sitz ist für längere Strecken kaum nutzbar. Der fast coupéhafte Dachverlauf wirkt sehr elegant, schränkt aber den Nutzwert ein. Sperriges Transportgut dürfte den Genesis Fahrer vor Probleme stellen. Immerhin lassen sich die Sitzlehnen, die in der Neigung verstellbar sind, so umlegen, dass eine ebene Ladefläche entsteht. Der Kofferraum ist mit 503 Litern nur 7 Liter kleiner als der des BMW iX3.

Ladetechnik mit bis zu 350 kW

Als Reichweite verspricht Genesis 455 Kilometern nach WLTP pro Akkufüllung, also in etwa, was auch BMW beim iX3 angibt (bis zu 461 km). Bei der Ladeperformance muss sich aber das bayerische SUV geschlagen geben. Beim Elektrified GV70 kommt 800 Volt-Technik zum Einsatz. Wird eine entsprechend leistungsfähige Ladesäule angesteuert, soll der Ladevorgang von 10 bis 80 Prozent in 18 Minuten vonstattengehen.

Assistenz

Over-the-air-Updates sollen die die Software des GV70 immer auf dem neuesten Stand halten, die Smartphone-Integration gelingt per Apple CarPlay sowie Android Auto. Auf Wunsch hat der GV70 sogar einen Fingerabdruckscanner, der den Schlüssel ersetzt. Zu den angebotenen Assistenzsystemen gehört ein Autobahnassistent, der beim Lenken unterstützt und die Spur hält. Beim Setzen des Blinkers wird das System zusätzlich von einem aktiven Totwinkelassistenten unterstützt. Das Infotainment System lässt sich auch dank zahlreicher Tasten intuitiv bedienen, die Sprachsteuerung ist allerdings noch nicht auf dem Niveau des Konkurrenten BMW.

Flagship-Stores und Personal Assistent

Genesis hat kein Händlernetz in Deutschland. In München und bald auch in Frankfurt, Berlin und in einigen weiteren Städten werden in Studios die Fahrzeuge präsentiert. Beim Kauf kümmert sich ein eigener Personal Assistent fünf Jahre um ihr Fahrzeug. Der Genesis-Service holt das Fahrzeug zum Kundendienst ab und stellt es dann wieder vor der Tür ab. Dieser fünf-Jahres Service soll auch verlängerbar sein, die Konditionen sind dafür aber noch nicht bekannt.

Überraschen wird den potentiellen Käufer, dass Genesis keine Rabatte gewährt. Mit dem Grundpreis von 67.300 Euro ist Genesis selbstbewusst auf Augenhöhe von BMW oder Mercedes (EQC, etwa 66.000 Euro). Die Preisliste ist erfreulich kurz. Verschiedene Ausstattungslinien gibt es nicht, die üppige Serienausstattung kann aber mit Technik, Komfort- und Sitzpaket erweitert werden.

Was bedeutet das?

Der Genesis GV70 Electrified ist ein sehr elegantes und auch sportliches E-SUV. Durch die Verbrenner-Basis müssen die Koreaner – wie auch die aktuellen Mitbewerber - noch einige Kompromisse eingehen. Doch Genesis ist erst seit 2021 auf dem deutschen Markt, hat mittlerweile mehrere Modelle und konkurrenzfähige Fahrzeuge. Bei dem Tempo, das die Koreaner vorlegen, müssen sich Audi, Mercedes und BMW warm anziehen.

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