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VM-Fahrbericht Ford E-Transit & Mustang Mach-E: Licht und Schatten der Stromer

Während das elektrifizierte Nutzfahrzeug mit einem ausgewogenen Fahrwerk und gutem Komfort aufwartet, kommt auch die per Software upgedatete Version des E-Crossover eher hölzern rüber. Immerhin: Recht sparsam sind beide. Und sie sind erst der Anfang einer Elektrifizierungsoffensive. Zudem fordert Ford das Verbrenner-Ende ab 2035 und unterschreibt eine EU-weite Petition.

Brüder im Geiste - und doch so unterschiedlich: Während der Ford E-Transit ein für einen Transporter exzellent abgestimmtes Fahrwerk bietet, wirkt der Mach-E ziemlich ungeschliffen und hölzern. | Foto: J. Reichel
Brüder im Geiste - und doch so unterschiedlich: Während der Ford E-Transit ein für einen Transporter exzellent abgestimmtes Fahrwerk bietet, wirkt der Mach-E ziemlich ungeschliffen und hölzern. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Wer hätte das bis vor kurzem gedacht: Ford hatte bei seiner jüngsten Roadshow mit der aktuellen Produktpalette "auch" Verbrennermodelle dabei, wie Christian Weingärtner, seit Anfang Februar Geschäftsführender Direktor für Ford DACH und Geschäftsführer Marketing und Sales der Ford-Werke GmbH, eigens betonte. Denn schließlich sei man als Hersteller auf einer "Road to electrification". Man gehe also "all in" bei Elektro. Und die Straße zum Strom sieht dann so aus:

  • Ab 2026 will man in jeder Pkw-Baureihe mindestens ein Plug-in oder ein vollelektrisches Modell im Angebot haben.
  • Ab 2030 werde das Pkw-Angebot nur noch aus rein elektrisch angetriebenen
    Fahrzeugen bestehen.
  • Im Nutzfahrzeugbereich sollen ab 2024 alle Modelle entweder als vollelektrische Modellversionen oder mit Plug-In-Hybrid-Antrieb angeboten werden, ab 2030 elektrifizierte Varianten dann zwei Drittel der Nutzfahrzeug-Verkaufszahlen ausmachen.

Bereits 2026 soll der neu gegründete Geschäftsbereich „Ford Model e“ jährlich mehr als zwei Millionen Elektrofahrzeuge herstellen, etwa ein Drittel der weltweiten Produktion von Ford. Bis 2030 soll es die Hälfte sein. Hierfür investiert man allein in diesem Jahr rund fünf Milliarden US-Dollar in die Elektromobilität – eine Verdoppelung gegenüber 2021. Bis 2026 sind insgesamt Investitionen von 50 Milliarden US-Dollar allein in die Elektrifizierung geplant.

Vom Gejagten zum Jäger: Petition für Verbrennerausstieg ab 2035

Dazu passte natürlich die Nachricht, dass Ford Europa gemeinsam mit 27 Unternehmen eine Petition an die Europäische Union unterzeichnet hat. In dem Apell wird gefordert, dass ab dem Jahr 2035 alle neuen Pkw und Lieferwagen in Europa emissionsfrei sein sollen sowie verbindliche Vorgaben für die Ladeinfrastruktur.

"Mit ihrem Ersuch, verweisen die Unternehmen darauf, dass die Verbannung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor von der Straße unerlässlich ist, damit Europa sein Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichen und so dazu beitragen kann, die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschen und den Planeten zu vermeiden", formuliert es der Hersteller ebenso drastisch wie realistisch.

Und so standen denn neben dem ein oder anderen mildhybriden Focus Kombi und Puma und zwei Mustang-V8-Boliden die elektrischen Modelle klar im Mittelpunkt. Deren Kontrast könnte größer nicht sein: Auf der einen Seite der elektrifizierte Klassiker unter den Transportern, der E-Transit, dessen Entwicklung in Europa und im englischen Dunton in der Schlussphase in zwei Jahren im "Corona"-Modus über die Bühne ging. Und auf der anderen Seite der von der US-Mutter entwickelte E-Crossover Mustang Mach-E, der für sein harsches und hölzernes Fahrwerk von den Europäern jüngst heftige Prügel bezogen hatte.

Update per Luftschnittstelle soll helfen

Ein Update "over the Air" mit einer verfeinerten Fahrwerksabstimmung, nebenbei mehr Anhängelast und schnelleren Ladezeiten oberhalt von 80 Prozent, sollte Linderung bringen. Sprich, laut Hersteller eine stärkere ESC-Kontrolle bei Kurvenfahrten und insbesondere bei Ausweichmanövern ermöglichen. Die Federn und Dämpfer des Fahrwerks habe man so angepasst, dass sich die Balance und der Komfort des Fahrzeugs signifikant verbessern, so die Ansage. Eine Neukalibrierung der Ein-Pedal-Fahrfunktion sorge darüber hinaus für eine laut "O-Ton" noch sanftere Leistungsentfaltung bei niedrigeren Geschwindigkeiten und damit ebenfalls für eine Verbesserung des Fahrkomforts.  

Theorie und Praxis: Software ist nicht Hardware

Klingt gut auf dem Papier, fährt sich aber noch immer nicht richtig geschmeidig. Das Mustang-Fahrwerk bleibt auf der "hölzernen" Seite und weit entfernt vom geschmeidigen und stimmigen "Surfen" eines Tesla Model 3, VW ID.3 oder Hyundai Ioniq. Noch immer fühlt sich der "fahrbare Untersatz" bei schnellen Wedelbewegungen mit dem Lenkrad eher schwammig an, die Dämpfer quittieren Kanaldeckel, Kopfsteinpflaster oder Querfugen eher ruppig rumpelnd denn souverän. Fast meint man, am Heck sei eine Starrachse verbaut, keine Einzelradaufhängung ... Dazu kommt eine Tendenz zum Aufschaukeln und ziemlich rasch mit dem Heck zu wedeln, was man für einen "Mustang" spaßig finden kann, aber für eine Elektro-Familienlimousine der 80.000-Euro-Klasse doch eher etwas "pubertär" rüberkommt. Genauso wie das mächtige "Aufbäumen" des Mustang-Vorderwagens, wenn man den 351 Pferden (580 Nm) der Standard-Allrad-Version mit 88 kWh-Akku die Sporen gibt. 

Auf der anderen Seite der Temposkala wirkt der Antrieb, den man im Menü auch auf Einpedalfahren moduliert bekommt, in Langsamfahrt doch etwas nackelig, feinfühlige Rangiermanöver werden von dezentem Nackeln und Knacken begleitet, nicht wirklich tragisch, aber es gibt eben geschmeidigere E-Antriebe. Je nach Fahrmodus "Zahm", "Aktiv" oder "Temperamentvoll" wird die Beschleunigung untermalt von mehr oder minder krawalligem Sound, das Fahrwerk und die Abstimmung jeweils angepasst. Eine Sänfte wird der Mustang aber auch im "Whisper"-Modus nie. Dafür haben die Mustang-Pferde nur überschaubaren Durst: Wir kamen mit 18 kWh laut Bordcomputer über eine moderat mit ein paar Sprints gefahrene Stand-Land-Autobahn-Runde.

Brett vorm Bein: Das Monstertablet auf Kniekurs

Apropos Computer: Das riesige "Brett", das die Ford-Ingenieure in Opposition zu Tesla ausgerechnet aufrecht in den nicht allzu üppigen Raum gestellt haben, nimmt bei flotterer Kurvenfahrt schon mal fies Kontakt mit dem Knie auf. An einen Unfall mag man da lieber nicht denken. Die Anzeigen auf dem irre großen Tablet wirken auch übertrieben groß. Immerhin zeigt eine Balkengrafik an, wofür die Energie im Fahrzeug drauf geht. Bei unseren Vorfahrern über 1.200 Kilometer zum Beispiel zu elf Prozent für die Klimatisierung, zu 9 Prozent für irgendwelches Zubehör (wahrscheinlich großformatige Smartphones), zu sechs Prozent für den Ausgleich der Außentemperatur und nur zu 74 Prozent fürs Fahren selbst. Das konnte natürlich nicht so bleiben: Klimaanlage aus, Lüftung an, Handy ab und schon flossen 92 Prozent der Energie ins Fahren, 0 Prozent in die Klimatisierung. 

Eigentlich ein stimmiges Package

Insgesamt ist es schade, dass der E-Crossover, der nicht zu SUV-mäßig und hochbauend ist und ein zwar nicht üppig geräumiges, in Details etwas "budget-mäßig" ausstaffiertes, aber doch ordentliches Gesamtpaket schnürt, beim Fahrwerk so patzt. Vielleicht ist es deshalb, dass Ford-Direktor Weingärtner betont, im Ford Electrification Center Köln, sprich in Europa, werde entwickelt und gebaut nicht weniger als ein mittelgroßes, fünfsitziges Crossover mit einer WLTP-Reichweite von 500 Kilometern, dessen Name im Lauf des Jahres bekanntgegeben wird. Zudem kündigte man als zweites standorttreues Euro-Modell einen elektrischen Sport-Crossover an. Hm, ist der Mach-E nicht auch ein fünfsitziger, mittelgroßer Crossover respektive Sport-Crossover mit 500 Kilometer Reichweite? Man kann das auch als interkontinentales Misstrauensvotum der Fahrwerkskönner aus Köln (und Dunton) verstehen ...

Der E-Transit wirkt dagegen wie aus einem Guss

Was die in so drauf haben, beweist etwa der E-Transit, wenngleich in einer ganz anderen Klasse, witzigerweise zum gleichen Preis von etwa 80.000 Euro Brutto (Basis ab 53.000 Euro netto). Aber dafür, dass unser Testwagen unbeladen war, machte vor allem die komplett neue und mit einem kompakten und vom Mach-E abgeleiteten E-Antrieb versehene Hinterachse einen derart guten Job, dass man den Hut ziehen muss. Souverän der Komfort auch auf auf rauen Oberflächen, Kopfsteinpflaster oder bei Schlaglöchern, keinerlei Poltern im riesigen Aufbau, dazu eine für einen Kastenwagen satte Straßenlage und die von Ford gewohnt präzise Lenkung. Von E-Antriebsnackeln keine Spur, völlig geräuschlos und wie von Geisterhand geschoben, zieht der E-Transit davon, etwas moderater im Eco-Modus, nachdrücklich im Normal-Betrieb.

Ohne mit der Wimper zu zucken: Satte Traktion im E-Transit

Selbst ohne Fracht auf der Achse, schafft man es nicht, den auch in der "Basisversion" mit 135 kW üppig ausgestatteten Antrieb (immer 430 Nm) zum Durchdrehen der Räder zu bringen. Trocken regelt die Elektronik und findet schnell Grip. Dabei bleibt das hochbauende 3,5-Tonnen-Kasten-Gefährt mit 23 kWh/100 km laut Bordcomputer über selbige Stadt-Land-Autobahn-Runde vorbildlich sparsam für dieses Kaliber, was freilich noch der Überprüfung mit Ballast und über die Testrunde harrt. Angenehm auch das Geräuschniveau: Der E-Transit ist dermaßen gut gedämmt und gekapselt, dass man auf der Autobahn flugs mal über der 120er-Marke rutscht, die dem Energievorrat in den 68-kWh-Speichern unterflur dann aber nicht zuträglich ist.

Der E-Transit ist der Van, auf den die gewerbliche Welt wartet

110 km/h ist ein angemessenes Tempo für diese Kategorie Fahrzeug. Schön und konsequent übrigens, dass Ford alle Fahrerassistenz auch im E-Modell anbietet, etwa den Abstandstempomat oder aktiven Spurassistent. Mit 115-kW-Schnelllader an Bord werden damit sogar Mittelstrecken plausibel, die man etwa in 250er-Etappen teilen kann. Die offizielle WLTP-Reichweite von 317 Kilometer erscheint realistisch. Der Akku erscheint "right sized", um auch Elektroskeptiker zu überzeugen. Und wer will, kann den E-Van unterwegs auch als Powerbank nutzen: Der Schreiner, der an dem Testmodell munter mit Holzarbeiten zugange war, meinte, nach einem Tag Anzapfen der Energie per 220-Volt-Steckdosen (Pro Power) im Heck seien gerade einmal 30 Kilometer Reichweite geschwunden.

Feststeht nach der nun zweiten Runde im Strom-Van: Der E-Transit ist ein Fahrzeug, auf das der gewerbliche Markt gewartet hat und der erste wirklich nahezu voll praxistaugliche Beitrag in Sachen großer E-Transporter, der jeden "Bastel"- oder "Nachrüstcharme" hinter sich lässt und wirkt wie aus einem Guss. Wenn Ford ihm noch ein paar Handläufe am hohen Heck spendiert und dem Sync4-Infotainment (mit völlig ausreichendem 12"-Quer-Screen") das Sprechen oder Hören beibringt (Ich will heim nach Fürstenfeldbruck!), passt das Paket perfekt.  

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