VM-Fahrbericht Ford E-Transit: Mehr als ein toller Stromvan
Nein, das ist kein Fahrbericht! Sondern ein Systembericht. Ford launcht den neuen E-Transit im Rahmen einer kompletten Ökosystem-Offensive, die da sinnfällig heißt Ford Pro, für "professionell". Das soll signalisieren, dass es eben nicht nur um den Tausch eines Antriebskonzepts von Verbrenner auf Elektro geht, sondern um einen kompletten Systemwechsel, inklusive Ladeinfrastruktur, digitalem Service und Telematik. Nichtsdestotrotz steht natürlich das Fahrzeug im Mittelpunkt: Denn, wenn das nichts taugt, nützt auch das beste Ökosystem drum herum nichts.
Hier kann man Entwarnung geben: Der E-Transit ist tatsächlich der beste Transit, den es je gab. Und nach den ersten Eindrücken auch der mit Abstand beste Elektro-Transporter am Markt. Mit dem Ausbau des zwar kräftigen und zuletzt nach Euro6D für einen Verbrenner vorbildlich sauberen Selbstzünders gewinnt der Transit in mehrfacher Hinsicht. Das mit Verlaub "Genagel" unter der bis auf ein paar Nebenaggregate wie Invertert ziemlich leer geräumten Haube hat ein Ende, das Gerühre in irgendwelchen Schaltkulissen ebenso. Nur Rudolf-Diesel-Nostalgiker werden es vermissen. Denn der E-Transit macht es dem Fahrer von Anfang an so bequem, dass man am Ende eines langen Arbeitstags deutlich entspannter oder weniger gestress aussteigen wird. Vom E-Hinterachsmotor, der eine Ford-Adaption eines US-Zulieferers darstellt, hört man noch weniger als bei den Wettbewerbern wie eSprinter, e-Crafter oder Master Z.E., sprich: Gar nichts.
Ein geschmeidiger Antrieb
Die Kraft des 135 oder 198 kW starken Motors, gefühlt so gut wie kein Unterschied, kommt gefühlt irgendwo aus dem diskreten "Off", sie ist aber einfach reichlich vorhanden. Und entfaltet sich über das linear definierte, Kickdown-freie Fahrpedal dermaßen geschmeidig, ansatzlos und ruckfrei, dass es eine Wonne ist. Druckvoll geht es voran, aber der Antrieb ist kein grober Reißer, eher geht es voran wie am Gummiband gezogen. Traktionsprobleme kennt das Fahrzeug keine, der 68-kWh-Akku (77 kWh Brutto) unter dem Fahrzeugboden sorgt hier für genug "Ballast", der noch ergänzt werden darf durch knapp eine Tonne im Falle des leer und mit 400 Kilo beladen gefahrenen 3,5-Tonners - ein akzeptabler Wert. Die Anhängelast ist beim 3,5-Tonner dann aber auf 750 Kilo begrenzt.
Der Plug&Play-Transporter
Rekuperiert wird simplerweise mit einem "L"-Modus, der sich per Rändelrad in der Mittelkonsole aktivieren lässt. Den besten Verbrauch erzielten wir übrigens in der unbeladenen Version im Modus "Normal", bei dem wir mit 18 kWh/100 km über die gemischte Stadt-Überland-Runde kamen. Im Eco-Modus ist die Kraft etwas gebändigter, mit der beladenen 3,5-Tonner-Version kamen wir auf 22 kWh/100 km. Das deutet an, zu was der E-Transit fähig wäre, offenbar ist der Heckantrieb auch ein guter Futterverwerter. Und könnte damit die konservatis angezeigte Reichweite von 220 Kilometer deutlich übertreffen. Die 317 Kilometer laut Werk dürften nicht unrealistisch sein. Zumal optional schnell geladen ist: Von 15 auf 80 Prozent per CCS und 115 kW Leistung binnen 35 Minuten. Sonst mit 11 kW in acht Stunden.
Kein One-Pedal-Driving, aber effiziente Strategie
Einziger Wermutstropfen: Der Transit rekuperiert zwar ordentlich und erübrigt so meist die Betriebsbremse, aber nicht bis zum Stillstand. So muss der Fahrer aufpassen - und wird durch einen Warnton alarmiert - dass er auf der "letzten Meile" bis zum Stopp noch auf die Bremse tritt. Wobei der Hersteller betont, dass dies eine effizientere Fahrstrategie ist, als das für den Kunden möglicherweise noch bequemere "reine" Einpedal-Fahren mit strammerer Rekuperation, bei dem aber eben auch viel Energie "verpufft". Auch einen Stopp-and-Go-Assistent haben wir vermisst, man muss den Tempomat jedesmal aufs Neue "reseten". Dann hält der E-Transit dank eines Bündels an serienmäßig verbauten Sensoren für die Fahrerassistenz brav den Abstand zum Vorausfahrenden und bremst wohldosiert ein. Auch der aktive Spurasstistent funktioniert zuverlässig und lenkt nicht zu zackig gegen - wer die Hände aber zu lange provokant vom Volant nimmt, wird entschlossen ermahnt.
Fahrerassistenz in Serie
Ergänzt wird zum Totwinkel- und Spurwechselwarner eine zuverlässige Heckkamera, die optional ein gutes 360-Grad-Bild auf den Sync-4-Infotainment-Screen wirft. Mehr oder minder kundige Fahrer kommen aber auch mit den exzellenten Rückspiegeln klar. Praktisch ist der Ausparkassistent, der beim Zurückstoßen warnt und zur Not "den Stachel" reinhaut, spricht die Bremse zieht. Apropos: Elektrische Parkbremse oder "keyless Entry & start", sowie der Bremsassistent mit Fußgängererkennung, Front- und Heckparksensoren, eine Klimaautomatik sowie Frontscheiben- und Sitzheizung sind einfach mal Standard. So muss das sein.
Highlight am Heck: Die Einzelradaufhängung macht einen top Job
Mit dem Heckmotor zieht auch eine komplett neu gestaltete Hinterachse ein, die auf Einzelradaufhängung setzt und einen ins Gesamtbild passend geschmeidigen Job macht. Gerade leer ist der Federungskomfort top, kein Vergleich zum eher harschen Anfedern mit der obligaten Kombination aus Starrachse und Blattfedern der konventionellen Version. Souverän steckt das E-Transit-Fahrwerk die Kanaldeckel, die zahlreichen Verkehrsberuhigungen oder Schlaglöcher weg. Zudem liegt das Fahrzeug gefühlt deutlich satter auf der Straße, fährt sich nötigenfalls höchst agil und lässt sich mit einer guten Mischung aus (Lenk)Präzision und Leichtigkeit durch Stadt und Überland zirkeln. Bei der motorisch leisen Klangkulisse fällt natürlich auf, dass der E-Transit auch ein gut gedämmtes Fahrzeug ist, sanft abrollt und nicht zum Poltern neigt, trotz des 12,4-Kubik-Kastens hinter der Kabine. Einziger echter Kritikpunkt: Durch Akku und Hinterachsmotor liegt der Laderaum des E-Transit mindestens so hoch wie beim Hecktriebler-Diesel. Ohne Zwischenstufe und Handläufe ist das kaum zu machen, schon gar nicht bei Lieferdiensten mit häufigem Zutritt zum Frachtabteil. Dennoch: Der Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Ökosystem "E-Transit" passt also schon mal, der Rest ist dann eine eigene Geschichte. Der Schlüsselfaktor für ein erfolgreiches Ökosystem "E-Transit" passt also schon mal, der Rest ist dann eine eigene Geschichte.
Ford Pro: Mehr als ein Transporter
Dass Ford so stark Wert darauf legt, mit dem neuen E-Transit nicht nur ein effizientes und gutes Produkt auf die Räder zu stellen, sondern auch das ganze Ökosystem drum herum betont, hat seine Gründe. Schließlich bedeutet die Transformation für die Fuhrparks nicht nur einen Antriebs-, sondern einen Systemwechsel. Und diese gravierende Veränderung will man für die Kunden so verwerfungsarm wie möglich gestalten, für den Hersteller natürlich auch. Gekoppelt werden unter der neu gegründeten Dachmarke Ford Pro in Europa also die Metathemen Elektrifizierung und Digitalisierung. Als digital getriebene Plattform bündelt das System innovative Lösungen für Flottenkunden mit kleinen und großen Fuhrparks, die bereit sind, auf elektrische Nutzfahrzeuge und vernetzte Mobilität umzusteigen, heißt es offiziell.
Die Elektrifizierung bietet hohe Kosteneinsparpotenziale
Man kombiniert eigenentwickelte Software-Lösungen und Lade-Technologien, das Handling von Wartungs- und Inspektionsservices sowie Finanzierungsangebote. Die Vorteile für den Kunden sollen klar auf der Hand liegen: Die Einsatzzeit des eigenen Nutzfahrzeug-Bestands steigt, die Betriebskosten sinken, idealerweise auch der Aufwand für die Administration. Vom vielzitierten "Smartphone auf Rädern" spricht denn auch Ted Cannis, Vorstandsvorsitzender (CEO) von Ford Pro. Und: Der beste E-Antrieb könne nur so gut sein, wie die Ladeinfrastruktur und die Telematik außen herum.
"Das digitale Zeitalter eröffnet neue Lösungen. Gleichzeitig wird aber der wirtschaftliche Betrieb einer Nutzfahrzeug-Flotte so komplex wie nie zuvor", erläutert er.
In Summe sollen sich mit der Elektrifizierung der Fuhrparks bis zu 40 Prozent an Kosten sparen lassen, betont Cannis, alleine bis zu 20 Prozent machen die Energiekosten aus, der Rest reduzierte Wartung und Service. Das sei nicht weniger als eine "Revolution" im Nutzfahrzeuggeschäft. Und trägt natürlich seinen Teil dazu bei, dass Ford, wie Hans Schep, General Manager Ford Pro Europa, betont, bis 2030 zu drei Vierteln elektrisch unterwegs ist, bis 2035 komplett umstellt und bis dahin auch ein insgesamt CO2-neutrales Unternehmen ist.
Schlag auf Schlag: E-Line-up wächst rasch
Ford hatte jüngst angekündigt, in den kommenden zwei Jahren über den E-Transit hinaus vier weitere Elektro-Nutzfahrzeugmodelle in Europa auf den Markt zu bringen: 2023 den neuen Transit Custom und den Tourneo Custom als vielseitigen Personentransporter, jeweils in der Ein-Tonnen-Nutzlastklasse angesiedelt. Erste Details will man noch Anfang Mai kommunizieren für das komplett neue Modell, das auch der Nachfolger des VW T6.1 ein. 2024 folgt dann die nächste Generation des Transit Courier und des Tourneo Courier, dies sind leichte Nutzfahrzeuge insbesondere für urbane Einsatzzwecke.
Ford Pro Software: Eine Flotten-Plattform für alles
Mit der Ford-Pro-Software soll der Kunde also auf ein zentrales Fuhrparkmanagementsystem zurückgreifen können, das selbstverständlich auch die anfangs noch stark gemischten Flotten aus Verbrennern und Stromern handelbar macht, markenübergreifend zudem, mit einer extra Plug&Play-Hardware. Die dazugehörige Ford-Telematik ist für das erste Jahr für E-Transit-Kunden sogar kostenfrei, das Sync4-Infotainment konsequenterweise in Serie an Bord. Damit lässt sich dann etwa der Ladestand ablesen, der Fahrstil des Chauffeurs analysieren, die Kabine fernwärmen oder ein Mindestladestand mit Warnmeldung einstellen. Über Ford Charging will man dann passgenaue Ladeinfrastrukturlösungen für den Betrieb, aber auch für heimische Wallboxen der Fahrer organisieren. Zudem ermöglicht die Ladekarte Zugang zu 300.000 öffentlichen Säulen in ganz Europa.
Die Ausfallzeiten, die beim E-Transit ohnehin niedriger liegen sollen, will man über die digitale Anbindung der Flotten mit ihren Fahrzeugdaten an die sogenannten 800 Transit-Center sowie die 4.500 Werkstätten in Europa weiter minimieren. Kernelemant dafür ist das Ford Liive-Instrument, das auf Echtzeitdaten zurückgreift. Nötigenfalls sollen mobile Einsatzteams auch vor Ort Mängel beheben können, was bei 70 bis 75 Prozent der Reparaturen der Fall sei, so der Hersteller. Auch hier sei man offen für Fremdmarkenreparatur, betont man. In Großbritannien laufen die Mobilservices bereits, in Deutschland sei ein Pilotprojekt erfolgreich verlaufen. Nun erfolge der Serienstart.
Finanzierung und Beratung über ALD
Die Produkte und Dienstleistungen von Ford Pro Financing umfassen die Kauf- und Leasingfinanzierung von Nutzfahrzeugen mit kombinierter Abrechnung, gewerbliche Kreditlinien, Online-Kontoverwaltung und die Möglichkeit, mit einem Finanzexperten zusammenzuarbeiten. Schließlich soll die Kooperation mit ALD Leasing namens Ford Fleet Management maßgeschneiderte Betriebszeiten-Services bieten und Betreuung bei der Suche nach den besten Einzellösungen sowie bei Finanzierung und Umsetzung. Das Angebot ist bereits in Frankreich und im Vereinigten Königreich verfügbar und soll auch auf anderen wichtigen Märkten, darunter Deutschland, eingeführt werden. Ein weites Feld, das Ford da aufmacht. Aber wie gesagt: Es ist mehr als ein Antriebswechsel.
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