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VM-Fahrbericht E-Works Heero: Doppel-Held der Nachhaltigkeit

Elektrifizierung im Retrofit wirkt doppelt nachhaltig: Kombiniert mit kraftvollem und reichweitenstarken Antrieb will das Münchner Start-up mit einem Strom-Sprinter punkten - gegenüber den Nachrüstern, aber auch dem Original mit Stern.

Elektrisch und Retrofit, dazu Performance und Anhängelast wie der Diesel: Mit diesem Mix will das Ismaninger Start-up E-Works am umkämpften Markt reüssieren. | Foto: J. Reichel
Elektrisch und Retrofit, dazu Performance und Anhängelast wie der Diesel: Mit diesem Mix will das Ismaninger Start-up E-Works am umkämpften Markt reüssieren. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Sie sagen es natürlich nicht so direkt, aber eigentlich wollen die selbsterklärten und selbstbewussten Ismaninger Elektro-Revoluzzer von E-Works nicht weniger als: Mit dem Heero den besseren eSprinter liefern. Sprich, einen mit mehr Reichweite, mehr Power, Anhängertauglichkeit - und mit Hinterradantrieb! Das mit der Reichweite ist natürlich keine Kunst, wenn man sieht, dass der original Mercedes eSprinter mit hohen Verbräuchen über 30 kWh patzt, dabei nur über einen 47-kWh-Speicher verfügt und das Team um E-Works-Gründer und CEO Dominik Ashkar einen gewaltigen, doppelt so großen 110-kWh-Lithium-Ionen-Speicher (96 kWh nutzbar) unter das Fahrgestell der klassischen Hecktriebler-Variante geschnallt hat.

Dennoch wiegt der Energieriegel "schlanke" 550 Kilogramm, auch dank Kniffen wie Aluverschraubung im Inneren. Die Nutzlast des leer 2.600 Kilo schweren E-Vans bleibt bis auf 180 Kilo Mehrgewicht erhalten - und wächst dank der gesetzesgemäßen Auflastung auf 4,25 Tonnen ja ohnehin auf üppige 1,6 Tonnen. Moment, Frontmotor und Heckantrieb, wie geht das denn? Die Tüftler aus Ismaning haben tatsächlich einen Weg gefunden, die im Sinne der Retrofit-Idee original erhaltene Kardanwelle durch das Akkupaket ans Heck zu führen. So raffiniert, dass man sich das vorsichtshalber patentieren ließ.

Damit taugen alle Sprinter-Modelle ab Baujahr 2018 - viel älter lohnt der immerhin üppige 76.000 Euro teure Umbau nicht - für die Elektrifizierung. Und das ist genau der Impact, der dem Gründer Ashkar vorschwebte, der ursprünglich an der Verstromung des legendären De Lorean ("Zurück in die Zukunft") arbeitete und dann feststellte, dass die E-Antriebstechnik auch für Nutzfahrzeuge taugt - und hier ein viel größerer Effekt für die Umwelt zu erzielen ist.

Die Hardware von extern, die Software intern

So entstand der Antriebsstrang des elektrifizierten Sprinter. Für den bedient man sich zwar externer Motor-Hardware, sprich ein AC Propulsion-Asynchron-Aggregat mit üppigen 180 kW Leistung und 345 Nm Drehmoment. Aber bei der Software greift man auf eine komplette Eigenentwicklung zurück. In Software, Batteriemanagement und der IT-Integration sieht E-Works-Mitarbeiter Peter Findl denn auch die Kernkompetenz des jungen Hauses. Zuckelt man mit dem Heero, in unserem Fall eine Pritsche, mit Ortstempo dahin, zeigt die Verbrauchsanzeige im noch improvisierten Tablet-PC knapp über 10 kWh/100 km an Verbrauch. In der Stadt soll der Umrüst-Stromer mit einer Ladung locker 450 Kilometer schaffen, bei viel Autobahnbetrieb sollen es immerhin noch über 300 Kilometer sein.

Ein-Pedal-Fahren als Komfortfeature

Je nach Tempo wird der E-Sprinter angepasst per einstufiger Rekuperation verzögert. Das klappt ziemlich gut und nach dem "Plug-and-Play"-Prinzip: Einsteigen, Automatikwählhebel auf D - und losfahren. Einen Kriechmodus hat man ebenso ausgespart, dafür verzögert das Fahrzeug bei Lupfen des Strompedals bis zum Stillstand, sehr bequem. Dass der Antrieb schon lauter heult als das e-Golf-Package im e-Crafter oder der Motor im frontgetriebenen eSprinter, ist natürlich auch der Kardanwelle geschuldet. Laut ist das aber nicht, sondern "kernig elektrisch", wenn man das so sagen darf.

Druckvolle Beschleunigung

Immerhin geht, untermalt von diesem E-Sound, auch ordentlich die Post ab: Der Pritschenwagen schnellt druckvoll nach vorn und beschleunigt mit entschlossener Vehemenz. Definitiv eine bessere Performance als beim eher "mild" eingestellten eSprinter ab Werk mit seinen 85 kW. Ob jeder Kunde das so braucht, sei dahingestellt. Eine leistungsreduzierte Version sei aber ebenso machbar wie ein kleinerer Akku für rein urbane Anwendungen, so die Aussage. Trotz des üppigen Drehmoments sind, auch durch den tiefen Schwerpunkt der Akkus, keinerlei Traktionsprobleme festzustellen. Der Heero tritt satt und ohne mit der Wimper zu zucken an.

Die Gewichtsverteilung habe sich im Übrigen nicht so gravierend verändert, sodass man die Fahrwerksteinstellung weitgehend beibehalten konnte. Der Wegfall des Diesel-Motors unter der Haube lässt aber ein gewaltiges Loch entstehen, dass man mit einem "Frunk", einem Frontkofferraum für kleinere Utensilien oder Ladekabel zu schließen gedenkt.

Volle Integration der elektronischen Assistenten

Überhaupt legt man bei E-Works Wert auf die Feststellung, dass man alle elektronischen Sicherheitssysteme nahtlos erhalten und in den Umbau integrieren kann und die Funktionalität von Notbrems- oder Fahrspurassistent voll erhalten bleiben. Im Interieur wird lediglich ein neues Display als Powermeter fällig, auch den Stern im Lenkrad ersetzt das Firmenlogo. Einen oben drauf setzt man dafür in Sachen Ladetechnik: Der 100-kW-CCS-Lader im Frontgrill ist ebenso Serie wie die 22-kW-AC-Einheit. Wobei der Lader selbst theretisch bis 340 kW Leistung vertragen würde und später noch ein Update bekommen soll. Serie ist übrigens auch der zweite große USP gegenüber dem "Original": Die Anhängekupplung kommt ab Werk, die Anhängelast beträgt zwischen 2.500 und 3.500 Kilogramm und die Steigfähigkeit steht dem Diesel in Nichts nach, verspricht der junge Hersteller.

Große Pläne: Bis 2025 will man 1.000 Sprinter jährlich umrüsten

Der hat zudem große Pläne: Eine Version 2.0 könnte gleich über einen Hinterachsantrieb verfügen. Die Umrüstung von bis zu 1.000 Exemplaren soll dann bis 2025 im Auftrag erfolgen statt wie bisher in Einzelarbeit in der Werkstatt in Ismaning. Offenbar gibt es reichlich Interessenten, wie zu hören ist. Und falls der "große Daimler" anklopfen würde, weil er die Nachrüstlösung so überzeugend findet, wäre wahrscheinlich auch mit den Ismaningern zu reden. Allerdings hat der sich nach anfänglichem Zögern ein nun hochambitioniertes Elektrifizierungsprogramm auferlegt, das mit einem Zwischenschritt ab 2023 mehr Reichweite und Performance sowie Aufbaufreundlichkeit und Variabilität bringen soll.

Keine Konkurrenz, sondern Ergänzung

Das ängstigt die Ismaninger alles nicht: Man sieht sich nicht als Konkurrenz. Und hat die große Zahl an fossilen Sprintern im Blick, die dann vor der Zeit aus dem Verbrennerdienst ausscheiden könnten - und auf ihre mittelalten Tage emissionfrei werden. Zum Start hat man sich den Sprinter als populärstes Modell in der Klasse vorgenommen, weitere Marken könnten folgen. Zur Ümrüstung gehört übrigens auch eine professionelle Fahrzeugaufbereitung, inklusive Beulendienst und einer etwaigen Folierung nach Kundenwunsch. Und einer Zweijahres-Garantie über 80.000 Kilometer. Wobei man auch zugibt, dass der aufwändige Umbau eher hochpreisig ist. Die Ismaninger verweisen aber auf niedrige Betriebskosten - und dass im Prinzip ein zweites Fahrzeugleben entsteht, das Ressourcen und die Neuanschaffung spart, der gegenüber man einige Prozentpunkte günstiger liege. Ob es in Anbetracht des Preises für eine massenhafte Umrüstung reicht, sei dahingestellt. Das wäre allerdings wirklich ein Impact - und die perfekte Ergänzung zum Neugeschäft. Wahrlich eines "Heeros" würdig.

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