Echt jetzt, auf die Rückbank, in diesem Winzling?! Unser freundlicher e.GO-Life-Pilot hat da überhaupt keine Scheu. Per Timeslot konnte man sich bei der Münchner Dependance des Aachener E-Mobil-Herstellers den Kleinststromer vor die Haustür liefern lassen - um sich selbst von seinen Qualitäten zu überzeugen. Klasse Idee, wenn man neu ins Geschäft kommen will. Und im wahrsten Sinne des Wortes sehr entgegenkommend. Nun steht man da im Münchner Schneetreiben vor dem nur 3,35 Meter kurzen Elektro-Floh und hat arge Zweifel, ob der e.GO-Fahrer das ernst meint. Meint er aber: Und kraxelt behende auf den Sitz hinter dem weit nach vorn geklappten Frontsitz. Dort nehmen der 1,83-Meter-Fahrer und der 1,90-Meter-Kollege Platz. "Du kannst gerne noch ein Stück zurück mit dem Sitz", tönt es von hinten (natürlich sind alle an Bord geimpft oder genesen!).
Ein Blick zurück von vorn: Aber tatsächlich hockt der junge Mann von bestimmt 1,85 Meter Größe gar nicht mal so verquer auf dem erwachsen formatierten Einzelsitz, der Beinraum ist knapp, aber für Kurzstrecken geht es allemal. Und der großwüchsige Kollege staunt erstmal über die üppige Kopffreiheit, die der Life aus ebenso üppigen, aber clever proportionierten 1,58 Meter Höhe zieht. Es kommen Ur-Mini-Gefühle auf, in dem kleinen Raumwunder, vor allem der Beinraum vorn ist dank topfebenem Boden top, der Kopfraum eh.
Aus der Höhe kommt der Platz: Fast wie ein Ioniq 5!
Aber ok, der ist ja auch fast so hoch wie der Ioniq 5-Testwagen mit 1,60 Meter Scheitelmaß, der ein paar Meter weiter parkt! Aaaaaaber: Satte 1,30 Meter kürzer und mit 1,75 Meter (mit Spiegeln!) glatt 14 Zentimeter schmaler als der Korea-CUV ohne Spiegel, bei einem Stretch-Radstand von 2,2 Meter. Kurzum: Ein echter City-Crack, im Gegensatz zum Ioniq, der öfter mal seitlich zur Parklücke rausragt ... 22 Prozent schmaler als ein durchschnittlicher SUV sei der e.GO Life, reklamiert das Aachener Start-up stolz. Ja, und denkt man an Vollformat-Geländewagen, wie den von BMW avisierten XM macht ein e.GO Life bald mal "halb lang".
Klar, im Heck bleibt da nicht viel mehr Platz bei voll besetzten Plätzen als für das Ladekabel und zwei Getränkekisten. Aber hey, wie oft fährt man schon zu Viert! Flugs hat man das Gestühl umgelegt und erhält dann statt der 140 Liter gar nicht üble 640 Liter Ladevolumen, die dann samt Passagieren 260 Kilo wiegen dürfen. Da kann man dann schon was anfangen für einen Wochenendtrip zu zweit. Nur allzu weit sollte es nicht gehen. Im Stadtverkehr schlägt sich der Life zwar mit 171 Kilometern (WLTP City) noch ganz wacker. Aber an einem kühlen Tag wie diesem mit 19 Grad Heizung (die es übrigens bollerwarm macht), kann es auch mal weniger sein.
Der eher hohe Verbrauch reduziert die Reichweite
Und wer rein Autobahn absolviert, was mit dem stabilen Fahrwerk und 122 km/h Höchsttempo durchaus möglich ist, steht spätestens alle 125 Kilometer am (lahmen) Lader, der in Typ 2 einphasig maximal mit 3,7 kW in die Speicher zieht. Das dauert dann von 0 auf 95 Prozent knapp sechs Stunden, am Haushaltsstrom fast zehn. Denn schließlich fehlt dem Life noch die Schnell(er)lademöglichkeit, die hier das Spektrum des Stadtwagens hin zum Universalgefährt deutlich erweitern würde. Ist in Planung, ebenso ein größerer Akku optional zum 21 kWh-Modul mit bis zu 200 Kilometer Reichweite, versichert unser Fahrer. Hm, bessere Effizienz wäre der preiswertere Weg. Beim Lader handelt es sich übrigens um eine 11-kW-Einheit, nicht etwa ein DC-System, das wäre zu viel des Guten für den Elektro-Zwerg.
Stadt-Auto? Manchmal muss es halt bequemer sein
Einstweilen kommt man aber auch damit zurecht, wobei sich natürlich die Grundsatzfrage stellt: "Ist die Bezeichnung Stadt-Auto nicht ein Widerspruch in sich?". Zwar ist Mittags im Münchner Norden die Piste einigermaßen frei. Aber das ist die absolute Ausnahme. Normalerweise steht man sich durch die Stadt mehr als man fährt. Und ist mithin eigentlich fast immer mit dem Fahrrad oder der Tram- respektive Untergrund-Bahn schneller unterwegs. Sei's drum: Es mag ja mal Fälle geben, das hat man es eben gerne bequemer, wärmer und unterhaltsamer. Und das ist es: Von den LED-Leuchten mit Licht/Regensensor über die Bord-, Sitz-, Front-, Heckscheibenheizung, akustischen Parkwarner (eigentlich unnötig) und ein ordentliches 7"-Infotainment-Sound-Paket mit vier Boxen sowie sehr ordentliche Isri-Sitze ist eigentlich alles an Bord, was man wirklich braucht für eine gemütliche Fahrt weit oberhalb des Niveaus der 48-Volt-Stromer Citroen Ami oder Opel Rocks-e. Der e.GO ist dann schon: Ein erwachsenes Auto, das als solches ernst genommen werden will.
Viel erwachsener als die Niedrig-Volt-Mikros von PSA
Und schnürt dann auf einem Meter mehr Länge und 20 Zentimeter mehr Breite als der Niedrig-Volt-Stromer von PSA ein vielleicht perfektes "urbanes Paket". Man findet jedenfalls auch fast überall einen Parkplatz und kommt noch durch die schmalste City-Straße durch. Zudem legt das kleine Autochen, nach dem etwas anachronistischen Start per Schlüsseldreh, mit seinem 57-kW-Peak-Bosch-Motor im Heck im Sportmodus recht zackig los: Formal von 0 auf 50 in 4,3 Sekunden. Um die Reichweite zu optimieren, geben wir dann aber "Normal" den Vorzug, was auch für ausreichend Schub sorgt. Wobei man sagen muss: Berauschend ist ein Verbrauch von 18,3 kWh/100 km für einen solchen Mikro-Stromer nicht gerade, wenn man es mit den 13,9 kWh/100 km eines Dacia Spring vergleicht ...
Begleitet wird der "Take Off" von einem im unteren Tempobereich laut vernehmbaren Heulen, das aber auch der Außenwarnung dienen soll. Klar ist aber zu jeder Zeit: Man ist hier in einem Elektroauto unterwegs. Und zwar öfter mal eher zu schnell als zu langsam. Man bremst sich selbst mit den zackig ansprechenden Betriebsstoppern in den üppigen 17-Zoll-Alu-Rädern ein. Rekuperiert wir übrigens automatisch und tempoabhängig, aber weit entfernt von "One-Pedal-Driving". Die Strategie ist eher, "rollen lassen", die (kleinen) Massen, gut 1,2 Tonnen beträgt das Leergewicht.
Mini-Gefühle: Knackiges Fahrwerk und Handling
Zu den recht quirligen Fahrleistungen gesellt sich ein knackiges Fahrwerk: Der Life liegt wie ein Go-Kart auf der Straße, auch hier dem Ur-Mini nicht unähnlich, und federt straff, sportlich und ehrlich, lässt es aber nicht an Fahrbahnkontakt missen, auch über die präzise Lenkung des höhenverstellbaren Volants garantiert. Für die Stadt geht der Komfort in Ordnung, bei längeren Fahrten mag das bocksteife Anfedern schon mal nerven. Dabei fällt auf, dass die Karosserie auf dem Alu-Frame knarzfrei und verwindungssteif verarbeitet ist. Die Außenhaut besteht ja aus eingefärbtem Polymer-Kunststoff ist voll recycelbar und so remplerresistent und robust, dass unser Chauffeur hernach feixend mit dem Schlüssel am "Lack" entlangfährt. Kurz reißt es einen in der Autofahrerseele.
Klein, aber oho: Der Preis wirkt selbstbewusst
Das tut es leider auch beim Blick in die Preisliste: Klar, nachhaltig produziert und eh "made in Germany", quasi Vollausstattung, das hat man da schon im Hinterkopf. Aber 26.560 Euro Brutto für die "Special Edition Next", rabattiert per Hersteller-Bonus von 3.750 Euro und Bafa-Bonus von 6.000 Euro auf 16.990 Euro, das ist immer noch ganz schön deftig, für einen Kleinstwagen - und mag er noch so elektrisch und nachhaltig sein. Der vom chinesischen Renault EZE abgeleitete Dacia Spring jedenfalls startet bei 20.490 Euro Basis und kommt am Ende bis auf 10.920 Euro runter, bietet dann aber in einem 3,73-Wagen deutlich mehr Platz, Kofferraum (290 Liter) und dank höherer Effizienz (13,9 kWh/100 km) nebst größerem Akku (27 kWh) auch Reichweite von 234 (WLTP) bis 305 Kilometer (City), neben dem 7,4 kW-Lader wahlweise sogar eine 30-kW-CCS-Option. Es ist ein wenig der Fluch der guten Tat, mit dem löblichen hohen Nachhaltigkeits- und Regionalitätsanspruch: Der e.GO Life wurde ein bisschen von der Realität überholt. Zudem müsste er für so ein Format nicht nur so raum-, sondern auch energieeffizient sein. Ein sympathischer, konsequent raumsparender und über die komplette Kette nachhaltiger Beitrag zur urbanen E-Mobilität ist er doch. Und wird hoffentlich seinen Weg machen, der bisher so steinig war.
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