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VM-Dauertest Kia EV6: EV6 trifft Cee'd GT

Im direkten Vergleich spürt man die riesigen Fortschritte, die Kia in den letzten Jahren gemacht hat.

Im direkten Vergleich mit dem Cee'd GT spürt man die Entwicklung bei Kia. | Foto: Stefanie Schartner
Im direkten Vergleich mit dem Cee'd GT spürt man die Entwicklung bei Kia. | Foto: Stefanie Schartner
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Redaktion (allg.)

Es ist erstaunlich, was sich in acht Jahren alles verändern kann. Manch eine Veränderung ist in dieser Zeit ist kaum wahrzunehmen, wie z.B. das Wachstum der alten Kastanie im Nachbargrundstück. Andere Dinge wiederum verändern sich so schnell und haben so deutliche Auswirkungen, dass man sich fragen könnte: „Waren das sicher NUR acht Jahre?” Genau diese Frage greifen wir heute auf, indem wir einen Blick auf die Fortschritte bei Kia werfen.

Denn beim koreanischen Autohersteller ist gefühlt nichts mehr so, wie es noch vor 8 Jahren war. Zum Vergleich steht einmal das aktuellste, was man beim KIA-Vertragshändler kaufen kann: Der neue EV6 mit 77,4 kWh-Akku. Heckantrieb und 168 kW respektive 229 PS. Ihm gegenüber steht unser privater KIA Cee’d GT in der höchsten Ausstattungsvariante “Track” aus dem Jahr 2014. Mit seinem 1,6-l- Vierzylinder Turbo-Benziner leistet er 204 PS. Das war zu damaliger Zeit noch das stärkste und auch schnellste Modell, dass bei uns in Deutschland gekauft werden konnte. Man sollte nun an dieser Stelle erwähnen, dass unser Vergleichstest an der ein oder anderen Stelle etwas unverhältnismäßig ist. Dennoch zeigt er gut, welchen Fortschritt die Koreaner gemacht haben, und was man in den nächsten acht Jahren noch alles von ihnen erwarten kann.

Gute Qualität auch nach acht Jahren

Bevor wir uns jedoch dem direkten Vergleich der beiden widmen, möchten wir etwas näher auf den älteren im Bunde eingehen. Denn mittlerweile hat der “GT”, wie er von uns liebevoll genannt wird, schon einiges von der Welt gesehen. Die 200.000er Marke hat der Tacho 2022 geknackt, aber ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Denn weder Rost, noch technische Mängel oder sonstige Schäden plagen dieses Auto. Und das bei einem Kia?! Ja, richtig gelesen. Und auch die Mängel der Vergangenheit halten sich in einem sehr kleinen Rahmen. Da gab es nur Kleinigkeiten, wie ein defekter Empfänger für den schlüssellosen Zugang der Heckklappe, oder die bröselnden Sitzpolster. Aber dank der schon damals beliebten 7-Jahres-Garantie wurden diese Mini-Problemchen immer vom Hersteller beseitigt. Auch der Motor und das Getriebe haben uns über die Jahre hinweg sehr begeistert. Abgesehen von den vorgeschriebenen Wartungen waren keine zusätzlichen Arbeiten am Aggregat oder Antriebsstrang notwendig. Selbst die erste Kupplung ist noch drin und leistet munter ihren Dienst.

Natürlich könnte man das jetzt alles auf die gute Pflege und eine größtenteils ruhige Fahrweise schieben. Und mit Sicherheit haben die auch ihren Beitrag zum guten Erhalt des Fahrzeugs beigetragen. Aber der GT wurde nicht nur von A nach B geschoben. Des Öfteren durfte er mal zeigen, aus welchem Blech er gemacht ist und wurde sogar während eines Rumänien-Urlaubs auf den bekannten Bergpässen Transfăgărășan und Transalpina zu Höchstleistungen gezwungen. Aber auch diese Anforderungen meisterte er mit Bravour.

Und heute, acht Jahre nach seiner Produktion, steht er seinem jüngeren Bruder gegenüber. Klar, der ist etwas größer als er und spielt nicht mehr in der Kompaktklasse. Dennoch wirkt der Crossover nicht übertrieben riesig. Lediglich die dickeren Backen, die größere Bodenfreiheit und der lange Radstand lassen eine höhere Fahrzeuggattung erahnen. Wenn wir die zwei so nebeneinander betrachten, fallen uns dann doch einige Gemeinsamkeiten auf. Da wäre einmal die “Augenbraue” über den Frontscheinwerfern, die sich weit in die Kotflügel nach hinten ziehen. Auch die Linienführung der hinteren Seitenfenster ist sich sehr ähnlich und bestätigen die Verwandtschaft der beiden. Man sieht, nicht alles ist neu, es hat sich nur etwas verändert. Starke Unterschiede sind allerdings beim Anblick von vorne und hinten auszumachen. Hatte der Cee’d noch gewöhnliche Formen, so sticht der EV6 hier mit seinem futuristischen Look deutlich heraus. Besonders am Heck der Fahrzeuge macht sich der Unterschied am deutlichsten bemerkbar. Lediglich die hohe Position der Rücklichter ist bei beiden Fahrzeugen noch gleich, ab dann könnte es unterschiedlicher nicht sein.

Riesensprung beim Design, aber wenig „Tigernose“ beim EV6

Zeigt sich der Cee’d noch mit leicht rundlichen Lichtern, einer verspielten Kennzeichenmulde und den vertikalen Reflektoren, so zeichnet der EV6 am Hintern ein umso mehr geradliniges Design. Überall sind klare Kanten und gerade Linien zu sehen und verspielt könnte man hier höchstens den Blinker nennen, der sich in Lauflicht-Manier von unten aus einer Chromleiste entspringend Richtung Himmel streckt. Was uns persönlich überrascht hat, ist das Fehlen der sogenannten “Tiger Nose” beim EV6. Während dies eines der damals beworbenen Merkmale am Cee’d war, scheint man nun beim Elektrofahrzeug gänzlich darauf zu verzichten. Vermutlich ist die optimierte Aerodynamik schuld daran. Aber ihr ahnt es sicher schon, hier hört es mit den Unterschieden nicht auf. Sobald man sich ans Steuer des EV6 setzt, merkt man einen gewaltigen Kontrast zu seinem älteren Bruder. Das Raumgefühl ist gefühlt um Welten besser. Hatte man schon im Kompaktsportler viel Platz, so gleicht das Gefühl im Elektroboliden doch eher einem Wohnmobil.

Am meisten tat sich beim Infotainment

In Sachen Technik und Infotainment hat sich dem Gefühl nach am meisten getan. Wurde man im Cee’d noch von einem kleinen digitalen Bildschirm in der Mitte des Tachos begrüßt, so bekommt das Wort „Armaturen-BRETT“ im EV6 eine neue Bedeutung. Hier steht ein riesiges, gewölbtes Cluster zur Verfügung, welches zwei Bildschirme mit einer Diagonale von 12,3 Zoll beherbergt. Auf diesen Laufen alle wichtigen und auch nicht ganz so wichtigen Informationen zusammen. Die Bedienung erfolgt fast ausschließlich über Touch- oder Spracheingabe. Denn der große Drehregler auf der Mittelkonsole ist einzig der Gangwahl vorbehalten. Schade! Hier wurde die Möglichkeit einer intuitive Bedienung à la BMW verspielt.

Diese wäre in manchen Situationen durchaus von Vorteil, da es doch einer leichten Verrenkung bedarf, um bei optimaler Sitzposition alle Bereiche des rechten Touchscreens zu erreichen. Allerdings bietet der EV6 eine zusätzliche Touch-Leiste unterhalb des Hauptbildschirms, über die alle Klima- und Infotainmentfunktionen erreicht und eingestellt werden können. Hierbei lässt sich über einen Tastendruck zwischen den beiden Menüs wählen. Pluspunkt: die Temperatur- oder Lautstärkeregelung erfolgt, entsprechend der gewählten Menüfunktion, über normale Dreh-Druck-Knöpfe. Somit funktioniert die Bedienung des EV6 in kurzer Zeit fast genauso fehlerfrei, wie in unserem “alten” Auto. Einfach Altbewährtes mal neu entdeckt. Da könnten sich die meisten deutschen Konkurrenten mal was abschauen.

Lenkstockhebel und Taster: Bewährtes vereinfacht die intuitive Bedienung

Bei der durchaus wichtigen Licht- und Wischerbetätigung zieht sich das Prinzip der Gewohnheit fort. Anders als VW und Co. wird hier auf die bewährten Schalter der 2010er Jahre gesetzt: Drehschalter am linken Lenkstockschalter für das Licht und alles, was die Scheibenwischer betrifft, findet man auf der rechten Seite. Selbst die Empfindlichkeit des Automatikwischer ist noch als Drehregler vorhanden und nicht in einem komplizierten Untermenü versteckt.

Apropos Untermenü: Das war bei unserem alten GT noch deutlich besser. Klar, hier gab es nicht mal einen Bruchteil der Einstellmöglichkeiten und die Menge der Untermenüs ist im EV6 auch nicht das Problem. Vielmehr ist es der Aufbau der Menüs, die den Bildschirm auf den ersten Blick eher unübersichtlich wirken lassen. Hat man sich aber mal in die Materie eingearbeitet, findet man sich größtenteils zurecht. An eine Sache konnten wir uns aber die gesamte Zeit nicht gewöhnen: der Knopf für die Parkbremse. Dieser befindet sich auf der linken Seite des Lenkrads. Dort wo z.B. alte Mercedes die mechanische Entriegelung ihrer Parkbremse hatten, baut Kia heute den Schalter für die elektronische Parkbremse an. Warum, KIA? Man könnte jetzt argumentieren, dass so ein Knopf auf der Mittelkonsole hässlich ist und mit der Funktion der automatischen Parkbremse sowieso total überflüssig geworden wäre. Aber es gibt halt Leute wie wir, die so ein essenzielles Bauteil des Fahrzeugs noch gerne selbst bedienen möchten. Zudem erfüllt diese Bremse im Notfall noch den Zweck der Rückfallebene, falls die Fußbremse ausfällt. In der Panik falls die Bremsen versagen würden, fänden die meisten Autofahrer diesen Knopf dann dort links unten nicht.

Zweimal gut 200 PS: Gewicht und Ruhe machen den EV6 zum gelassenen Gleiter

Kommen wir nun zu den Fahrleistungen der koreanischen Geschwister. Wie oben bereits erwähnt, hinkt unser Vergleich natürlich etwas. So sind es schließlich zwei Welten, die aufeinander prallen. Auf der einen Seite ein kleiner Giftzwerg mit emotionalem Krawall aus der aufpreispflichtigen Bastuck-Abgasanlage und auf der anderen Seite der elektrische Leisetreter, der es eher mal ruhiger angehen lässt. Letzteres merkt man sofort, wenn man das erste Mal im EV6 beschleunigen möchte. Er wirkt träge und braucht im Normal-Modus viel Input ins Fahrpedal, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Erst wenn man den Sportmodus aktiviert, steht der Antrieb wirklich „unter Strom“. Dann ist der Kaugummi-Effekt, der in den anderen beiden Fahrmodi vorhanden ist, etwas ausgebügelt. Dennoch ist der rechte Fuß nie wirklich zufrieden. Denn auch die Dosierbarkeit könnte deutlich besser sein: Sowohl beim Rangieren als auch bei kurvigen Landstraßen findet man selten den richtigen Winkel im Fahrpedal. Das funktioniert im Cee’d GT einfach besser. Da gibt es keine unnötigen Fahrmodi, welche an der Fahrpedalkennlinie herumpfuschen. Einfach ein Tritt aufs Pedal und vorwärts geht’s.

Und bei dem Wort vorwärts braucht sich der kleine Verbrenner nicht zu verstecken. Der Grund liegt im knapp 600 kg geringeren Leergewicht. Der Cee’d bleibt beim Autobahnspurt vorn: Bei offiziellen 185 km/h bzw. Tacho 190 war im EV6 Schluss mit Vortrieb und der GT zog fröhlich vorbei, bis diesem dann bei knappen 250 auf dem Tacho die Luft ausging. Wir verstehen ja, dass dieser Eingriff beim EV6 bestimmt was mit Verbräuchen, Akkukühlung und auch etwas Sicherheit zu tun hat, aber etwas enttäuscht waren wir schon: Hier wäre ein kleiner Geschwindigkeitsbonus im Sportmodus schon schön gewesen. Da müssen wir uns wohl auf die GT-Version des EV6 freuen, die dann erst bei 260 km/h durch die Elektronik eingebremst werden soll. Andererseits waren wir dann ganz froh um die geringere Endgeschwindigkeit, da jedes Km/h mehr auch gebremst werden will. Und da schneidet der Stromer, trotz Rekuperation und 345er Scheiben an Vorder- und Hinterachse schlechter ab.

Auch in Kurven spürt man das Gewicht des EV6

Zwar ist der tatsächliche Bremsweg des EV nur minimal länger, allerdings fühlt sich eine Vollbremsung im GT deutlich kontrollierter und nicht so schwerfällig an. Im EV6 wird man immer wieder an das höhere Gewicht erinnert. Das merkt man leider auch in Kurvenfahrten ganz deutlich. Das Einlenken wirkt schwerfällig. Fast könnten man meinen, der EV6 will lieber geradeaus fahren. Hat man ihn doch mal im richtigen Winkel in die Kurve gelegt, so wird das Fahrzeug bei erhöhter Geschwindigkeit schnell nach außen getragen. Dabei vermitteln einem die starken Wankbewegungen im direkten Vergleich ein Gefühl einer Segelfahrt. Selbst bei einer entspannten Fahrweise ist das Rollen in den Kurven bereits deutlich zu spüren.

Der Cee´d macht nach wie vor Spaß beim Kurvenwedeln

Komisch, dachten wir uns, denn auf gerader Strecke wirkte die Federung eigentlich straff und fast schon zu hart. Da hat Kia wohl die Stabilisatoren zu weich und die Federn zu kräftig ausgelegt. Anders herum hätten wir es besser gefunden. Ganz anders läuft das in unserem GT ab. Die kleine Krawall-Büchse tänzelt förmlich durch die Kurven und lässt dabei gerne auch mal den Hintern etwas mit wackeln. Das erfolgt alles sehr kontrolliert und gezielt. Somit sind sehr präzise Fahrmanöver machbar und zaubern einem in jeder Kurve ein noch größeres Lächeln ins Gesicht. Nur in seltenen Fällen wünscht man sich dann doch eine zweite angetriebene Achse … oder zumindest ein Sperrdifferenzial. Denn durch den Frontantrieb kann es bei sehr ambitionierter Fahrweise schon mal zum Untersteuern kommen, oder bei zu hoher Lastverteilung dreht das kurveninnere Rad auch gerne mal durch. Somit ist tatsächlich etwas Feingefühl gefragt. Das wiederum erfreut uns an diesem Auto, da man schon bisschen was können muss, um flott unterwegs zu sein.

Tanken und laden: Letzteres geht beim EV6 wirklich schnell!

Nach einem langen Tag auf der Straße kommt dann das Lästigste aller Themen: das Tanken bzw. Laden. Über die Jahre hinweg hat sich unser kleiner GT im Schnitt ca. 8 Liter Super auf 100 Kilometer gegönnt. Das könnte mit Sicherheit auch ein Liter weniger sein, dann aber würde das Fahren wohl kaum noch Spaß machen. Bei den aktuellen Spritpreisen wäre allerdings eine sparsamere Alternative interessant. Wie gut, dass es die in Form des EV6 gibt. Denn mit ihm waren wir verhältnismäßig sparsam unterwegs. Hätten wir eher mit über 20 kWh/100km gerechnet, so überraschte er uns mit knapp über 18 kWh/100km. Rechnet man das mit den 77,4 kWh der Batterie gegen, müssten etwas über 400 Kilometer Reichweite möglich sein. Besonders begeistert waren wir dann aber an der Ladestation. An einer 350kW Ladesäule steckten wir das Fahrzeug mit 14% SOC an. Die Ladeleistung stieg sehr rasch über 200kW und blieb dort für eine sehr lange Zeit. Somit konnten wir den Akku innerhalb von nur knapp 20 Minuten auf 80% laden. Für eine volle Ladung mussten wir dann nochmal weitere 20 Minuten warten. Das sind Top-Werte!

Kia wächst schnell und nachhaltig

Im Anschluss standen dann sehr realistische 386 Kilometer auf der Reichweitenanzeige. Als Fazit kann man klar sagen, dass sich die letzten Jahre einiges bei Kia getan hat. Daher würden wir den Hersteller nicht als langsam wachsende Kastanie, sondern eher als robusten, schnell wachsenden Bambus bezeichnen. Aber sie sollten sich nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen, sondern diese Entwicklung auch in die Zukunft weiter tragen.

Was bedeutet das?

Zum Schluss stellt sich natürlich die Frage, ob wir unseren Cee’d GT gegen einen Kia EV6 eintauschen würden? Eine eindeutige Antwort ist hier nicht so einfach, aber wir tendieren eher zum Nein. Das liegt schlicht und einfach an der fehlenden Sportlichkeit des “normalen” EV6. Die vielen anderen, positiven Eigenschaften und Qualitäten haben uns schwer beeindruckt und schon fast vom Kauf des Elektro-Kia überzeugt. Dennoch möchten wir den Spaß beim Autofahren nicht missen. Aus diesem Grund warten wir sehr gespannt auf die GT-Version des EV6 und würden auch eine kleine sportliche E-Alternative zu unserem Cee´d GT begrüßen…

Den Artikel verfasste Florian Keil, Testfahrer bei einem Dienstleister für Automobilunternehmen

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