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Verzögerte Verkehrswende: Bahn muss Hauptstrecke ab 2024 für Monate sperren

Die meistbefahrene ICE-Trasse zwischen Frankfurt und Mannheim soll nach der Fußball-EM 2024 erstmal für ein halbes Jahr gesperrt werden, für eine Generalsanierung. Dem Konzern fällt die verschleppte Sanierung durch die CSU-Verkehrsminister auf die Füße. Geplanter Verkauf der Tochter Schenker stößt auf Kritik.

Die Abfahrt verzögert sich ... Nach der Fußball-EM 2024 soll die Trasse Frankfurt-Mannheim aufwändig generalsaniert werden. | Foto: DB/Benjamin Kedziora
Die Abfahrt verzögert sich ... Nach der Fußball-EM 2024 soll die Trasse Frankfurt-Mannheim aufwändig generalsaniert werden. | Foto: DB/Benjamin Kedziora
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Johannes Reichel

Beim sogenannten Schienengipfel in Berlin haben Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bahnvorstand Berthold Huber ein Sanierungsprogramm bis 2030 vorgestellt, dessen Pilotprojekt die wichtige ICE-Trasse Mannheim-Frankfurt ist. Auf dieser verkehren fast 300 Züge täglcih, mit bis zu 200 km/h. Diese soll nach der Fußball-EM 2024 für knapp ein halbes Jahr gesperrt werden für eine Generalsanierung. Sieben weitere Korridore sollen folgen, das komplette Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn, etwa die Rheintaltrasse, die Schnellstrecke Frankfurt-Köln, der Knoten München/Stuttgart oder die Strecke Würzburg-Nürnberg. Die Sanierung soll durch die blockweise statt im Betrieb vorgenommene Arbeit schneller vor sich gehen, mit massiven Verzögerungen im Fahrplan. Die Bahn listet 1.200 Anlagen der Leit- und Sicherungstechnik auf, 152 Weichen, zahlreiche Bahnübergänge und zehn Kilometer neue Lärmschutzwände. Ziel ist es, dass danach für mehrere Jahre ohne Beeinträchtigung gefahren werden soll, wie es die österreichische Bahn schon länger praktiziert. "Uns ist bewusst, dass wir Kundinnen und Kunden viel zumutern", erklärte Bahn-Vorstand Huber.

Der Konzern leidet unter der lange unter der Ägide von CSU-Verkehrsministern verschleppten Sanierung der Schieneninfrastruktur. Aktuell kommt es zu zahlreichen Störungen, die Pünktlichkeit der Züge im Fernverkehr sank zuletzt auf 56,8 Prozent, der dritte Monat in Folge unter 60 Prozent. Die Bahn setzt künftig auch auf den Einsatz digitaler Technik, die die Frequenz erhöhen soll. Auch ein automatisierter Betrieb von Zügen soll selbst ohne neue Trassen die Zugzahl um 20 bis 30 Prozent steigern können.
 

Bundesverkehrsminister Wissing sieht aber auch Versäumnisse des Managements als Grund für die Misere. "Ich erwarte, dass die Bahn das Thema Verspätungen mit Nachdruck angeht", erklärte er in Berlin. Wie es ist, könne es nicht bleiben, die berüchtigen "Störungen im Betriebsablauf", für angeblich 50 Prozent der Verspätungen verantwortlich, wolle er baldmöglichst nicht mehr hören. Er forderte ausreichend Personal und Fahrzeuge.

ICE L verzögert sich, die 2. Stammstrecke München auch

Zuletzt hatte allerdings die Meldung, dass sich der ICE L um mindestens ein Jahr verspäten wird, für negative Stimmung gesorgt. Zudem erwies sich das mit größte aktuelle Nahverkehrsprojekt, die 2. Stammstrecke in München, als deutlich teurer und auch deutlich verspätet realisierbar: Vor 2037 wird es hier keine Entlastung geben, das Projekt wird aktuell auf 7,8 Milliarden Euro taxiert. Stellvertretend für viele Verkehrsverbünde in Deutschland beklagte der Chef der MVG in München Ingo Wortmann, zugleich Präsident des Verbands der Verkehrsunternehmen (VDV), alleine hier fehlten 30 Millionen Euro jährlich an Finanzmitteln zum Ausbau, Tendenz stark steigend. Die Preise müssten statt der geplanten 6,9 um sogar 22 Prozent steigen, aufgrund explodierender Energie- und Personalkosten. Der VDV plädierte zuletzt für ein bundesweites 69-Euro-Ticket im Nahverkehr, das bundesweit zwei Milliarden Euro kosten würde. MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch unterstrich, in Deutschland wäre genug Geld für den öffentlichen Nahverkehr vorhanden, es komme nur nicht dort an. "Es ist eine Frage der Priorisierung", erklärte er laut der Süddeutschen Zeitung.

Auch der Industrieverband verwies auf die Bedeutung des Schienentransports für die Wirtschaft, die Zuverlässigkeit sei die "Vorraussetzung für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene", mahnte BDI-Geschäftsführer Holger Lösch. Unterdessen verzögert sich laut Informationen der Süddeutschen Zeitung offenbar der Verkauf der Logistik-Tochter Schenker, die mit geschätzt 15 Milliarden Euro Einnahmen zur Finanzierung der Sanierung hätte beitragen sollen. Das Thema wurde von der Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung genommen. Auch von den Gewerkschaften kommt Gegenwind zu den Verkaufsplänen.

Was bedeutet das?

Klar, die Hauptschuld am Sanierungsstau bei der Bahn tragen die säumigen CSU-Verkehrsminister von Ramsauer über Dobrindt bis Scheuer, die in den letzten Jahrzehnten die "Abfahrt Richtung Klimaschutz" massiv verzögerten, weil sie die Straße priorisierten vor der Schiene. Dennoch ist die Situation extrem misslich, weil der aktuelle Verkehrsminister mit der Bahn als "Klimafaktor" auf absehbare Zeit nicht wirklich rechnen kann. Umso mehr muss er die Bemühungen in anderen Bereichen forcieren. Und da sieht es nicht weniger düster aus. Es wird dem Minister nichts übrig bleiben, als einige heilige Kühe der FDP, wie das Tempolimit 130 außerort und 30 innerorts oder die Dienstwagen- und Dieselprivilegien oder die Kfz-Besteuerung und das Parkraummanagement anzupacken.

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