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Verkehrswende von unten: Breites Bündnis will Radgesetz in Bayern

NRW und Berlin haben bereits Radgesetze, eine Initiative aus Parteien und Verbänden will sichere und bessere Radinfrastruktur nun auch in Bayern gesetzlich fixieren, als wichtigen Baustein der Verkehrswende. Die erste Hürde im Volksbegehren nahm man vierfach: 100.000 Unterschriften kamen in gut vier Monaten zusammen. 

Guter Rad-Schlag: Vor dem Rathaus in München übergaben die lokalen Aktiven des Radentscheid Bayern mit ADFC-Bayern-Chefin und Sprecherin Bernadette Felsch die 16.000 Unterschriften aus der Isarmetropole an Oberbürgermeister Dieter Reiter. | Foto: Michael Nagy
Guter Rad-Schlag: Vor dem Rathaus in München übergaben die lokalen Aktiven des Radentscheid Bayern mit ADFC-Bayern-Chefin und Sprecherin Bernadette Felsch die 16.000 Unterschriften aus der Isarmetropole an Oberbürgermeister Dieter Reiter. | Foto: Michael Nagy
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Johannes Reichel

Ein breites Bündnis aus Parteien und Verbänden will nach Nordrhein-Westfalen und Berlin auch im CSU/FW-regierten Bayern per Volksbegehren ein Radgesetz etablieren. Von Mitte Juni bis Ende Oktober hatte das Bündnis Radentscheid Bayern in allen bayerischen Gemeinden über 100.000 Unterschriften für die Zulassung eines Volksbegehrens gesammelt und diese jetzt an zahlreiche Gemeinden in Bayern, so auch an die Landeshauptstadt München, übergeben. Die breite Initiative aus Parteien und Verbänden fordert ein bayerisches Radgesetz, das den Rahmen für eine echte Radverkehrsförderung im Freistaat schaffen soll und das man als wichtigen Baustein für eine Verkehrswende und mehr Klimaschutz im Sektor sieht. Zu den bereits gesammelten Unterschriften kämen verspätet weitere Listen beim Radentscheid an, so die Initiatoren. In nur vier Monaten seien damit viermal mehr Unterschriften zusammen gekommen, als nach den bayerischen Vorgaben für Volksbegehren erforderlich.

Die zweite Hürde wird deutlich höher

In über 100 Städten, Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften übergaben Radentscheid-Aktive ihrer Stadtverwaltung Unterschriftenbögen zur Prüfung. Gültig sind alle Unterschriften von Wahlberechtigten zur bayerischen Landtagswahl. Im Anschluss an die Prüfung durch die Kommunen gehen die gesammelten Unterschriften an das bayerische Innenministerium, das über die Zulassung und die 14-tägige Eintragungsfrist für das eigentliche Volksbegehren entscheiden wird.

Voraussichtlich im Frühjahr oder Sommer 2023 seien die Menschen in Bayern dann aufgerufen, sich in ihrem Rathaus für den Radentscheid Bayern einzutragen. Dann müssten allerdings zehn Prozent der Wahlberechtigen Bayern, etwa eine Million Menschen, für das Volksbegehren unterschreiben, was zu einem Volksentscheid führen würde - sofern der Landtag den Entwurf nicht übernimmt. Die Initiative moniert, dass es an der Hälfte der Staats- und Bundesstraßen in Bayern keine Radwege gebe, die Mitnahme in Bus & Bahn kompliziert sei und Radwege häufig mangelhaft oder zugeparkt.

“100.000 Menschen haben mit ihrer Unterschrift klar gemacht, dass Radfahren in Bayern für alle sicher und komfortabel werden muss. Solange allerdings z.B. Standards, Verfahren und Zuständigkeiten völlig unklar sind, gehen Planung und Bau von guter, sicherer Radinfrastruktur viel zu langsam voran. Deshalb brauchen wir ein Radgesetz”, appellierte Bernadette Felsch, Beauftragte Radentscheid Bayern.

Andreas Kagermeier, stellvertretender Beauftragter Radentscheid Bayern zeigte sich durch die gesammelten Unterschriften motiviert, den Weg des Volksbegehrens weiterzugehen.

"Damit von umweltfreundlicher Mobilität nicht nur geredet, sondern diese auch ermöglicht wird, muss der Freistaat die Städte und Gemeinden massiv unterstützen und zur Radverkehrsförderung ermutigen”, forderte Kagermeier.

Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nahm die Unterschriften in der Landeshauptsstadt entgegen und verwies darauf, dass man ja bereits mit den erfolgreichen Radentscheiden in München die Verbesserung der Radinfrastruktur in der Isarmetropole in Angriff nehme. Zudem appellierte er an die bayerische Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern, es müsse ja nicht zu einem Volksbegehren kommen, wenn die Forderungen aus dem Gesetzesentwurf der Initiative einfach übernommen würden. Es brauche dringend eine bessere Radinfrastruktur, vor allem auch aus der Stadt ins Umland, etwa mit Radschnellwegen, wenn es gelingen solle, möglichst viele der täglich 450.000 Pendler zum Umstieg aufs Rad zu bewegen, forderte das Stadtoberhaupt. Die Staatsregierung müsse die Kommunen hierbei besser unterstützen, Prozesse beschleunigen und auch die Kombination aus ÖPNV und Rad erleichtern.

Basis-Bewegung: Zahlreiche lokale Radentscheide - NRW erstes Flächenland

Zum Start im Juni 2022 hatte die wohl längste Fahrraddemo auf einer Autobahn in Deutschland stattgefunden. Von Frankfurt nach Wiesbaden fuhren ca. 10.000 Radfahrer*innen über die A66 gut 30 Kilometer, um 70.000 Unterschriften der Initiative Verkehrswende an den hessischen Verkehrsminister Tarek Al Wazir (Grüne) zu übergeben. Allerdings war der Entwurf anschließend vom Land als verfassungwidrig eingestuft worden. Derzeit laufen Gespräche der Regierung mit den Initiatoren, wie man zu einem verfassungskonformen Gesetzentwurf kommen könnte. Krititpunkt der Regierung war vor allem, dass die Forderungen über die Zuständigkeit des Landes hinausgingen und auch die Straßenverkehrsordnung und die Eisenbahninfrastruktur beträfen.

NRW und Berlin sind Vorreiter

In NRW war man hier erfolgreicher: Dor hatte Die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ im Jahr 2019 mit über 200.000 Unterstützern für die Einführung eines Gesetzes für Radfahrer stark gemacht. Daraufhin wurde die Landesregierung vom Landtag beauftragt, ein Gesetz zu erarbeiten, das sich an den Forderungen der Volksinitiative orientiert. Der Referentenentwurf des Gesetzes wurde im März 2021 durch die Landesregierung vorgestellt und im Juni in den Landtag eingebracht. Nach Befassung im Verkehrsausschuss erfolgte Anfang November 2021 die abschließende Lesung des neuen Gesetzes. Erstmals in einem Bundesland hatte allerdings bereits 2018 Berlin mit dem Mobilitätsgesetz den Vorrang des Umweltverbundes aus öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Fuß- und Radverkehr festgeschrieben. Auch hier hatte eine Initiative 2015 den Anstoß gegeben, der schließlich in ein Gesetz mündete.

Über das Bündnis

Das Bündnis „Radentscheid Bayern“ wurde vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Bayern, vom Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Bayern e.V. (VCD Bayern) und den 11 kommunalen bayerischen Radentscheiden (Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Erlangen, Freising, München, Nürnberg, Neu-Ulm, Regensburg, Rosenheim, Würzburg) gegründet. Unterstützt wird der Radentscheid Bayern vom BUND Naturschutz (BN) und fünf bayerischen Landesverbänden politischer Parteien (Bündnis 90/Die Grünen, SPD, ÖDP, DIE LINKE, Volt) Ziel ist ein Radgesetz für Bayern, das die Staatsregierung und Kommunen verpflichtet, umweltfreundliche Mobilität praktisch umzusetzen.

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