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VDV: Bremsklötze der Verkehrswende auf der Schiene lösen

Netzausbau, Energiepreise und Personalmangel sind die Engpässe für Verlagerung auf die Schiene im Güterverkehr. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen nimmt die Politik in die Pflicht.

Zu wenig Personal: Auch im Schienengüterverkehr ist der Personalmangel ein Thema - und die Brisanz nimmt zu. (Symbolbild: Pixabay)
Zu wenig Personal: Auch im Schienengüterverkehr ist der Personalmangel ein Thema - und die Brisanz nimmt zu. (Symbolbild: Pixabay)
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Johannes Reichel
von Nadine Bradl

Der Schienengüterverkehr ist unter dem Strich bis jetzt glimpflich durch die Corona-Krise gekommen. Die Branche hat gegenwärtig bessere Zahlen als noch vor der Pandemie. Das stellte der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen VDV Oliver Wolff in Berlin fest. Gleichwohl seien diese für den notwendigen Aufwuchs und das Erreichen der Klimaschutzziele 2030 noch zu wenig, konstatierte Wolf weiter.

„Es gibt zahlreiche Stellschrauben beim Netzausbau, bei der Energiepreisentwicklung, wie auch beim Fachkräftemangel, an denen wir arbeiten müssen um in eine deutlich verbesserte Entwicklung zu kommen - sowohl die Branche selbst als auch die Politik sind dabei gefordert", appellierte der VDV-Chef.

Zudem gäbe es äußere Faktoren, wie etwa beim Infrastrukturausbau, die steigenden Bau- und Materialkosten, die man als Branche akzeptieren müsse.

„Unser Gutachten zum Schienengüterverkehr hat sachlich fundiert aufgezeigt, dass ein Marktanteil von 25 Prozent bis 2030 sehr ambitioniert aber auch realistisch erreichbar ist. Politik und Branche müssen umgehend die notwendigen Voraussetzungen schaffen, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, so Wolff. 

Kapazitätsengpässe infolge Bautätigkeiten sind ärgerlich aber notwendig

Doch mit dem aktuellen und zukünftig gewollten Zuwachs im Schienengüterverkehr steige auch die Sorge der Güterbahnen um die Leistungsfähigkeit. Vor allem die zunehmenden Baumaßnahmen im deutschen Schienennetz belasten die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Transporte unter Umständen massiv.

Aus Sicht des VDV ein notwendiges Übel: „Die vermehrten Baustellen sind zunächst einmal ein hervorragendes Zeichen, dass es im Land vorangeht, dass wir Strecken modernisieren, ausbauen, digitalisieren. Gleichwohl brauchen wir stabilere Netze auch in Bauphasen, selbst wenn dies den finanziellen Aufwand steigert. Denn auch während der Bautätigkeiten muss die Schiene ein verlässlicher Verkehrsträger sein. Und das geht nur, wenn trotz Baumaßnahmen Trassen genutzt und Fahrpläne eingehalten werden“, so Wolff.

Dies erfordere Einsicht und Abstimmung auf allen Seiten. Man brauche einen strukturellen Wandel bei Bauvorhaben im Schulterschluss mit der Politik. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sei laut VDV nicht kundenfreundlich genug. Hier müsse die Politik nachsteuern, damit nicht nur das wirtschaftlichste Angebot gewinne, sondern auch das gesamtwirtschaftlichste, indem zu jedem Zeitpunkt möglichst viel auf der Schiene transportiert werden könne. Das politisch wie branchenweit ins Auge gefasste Wachstum des Markt­an­teils im Schienengü­ter­ver­kehr auf 25 Pro­zent könn­te sonst verfehlt werden, so der Branchenverband. Die betriebliche Qualität war zuletzt infolge von Bautätigkeiten, Starkwettersituationen und weiteren Gründen teilweise erheblich gesunken.

„Wenn das Streckennetz nicht ausreichend zur Verfügung steht, steigt der Aufwand für die kapitalintensiven Transportmittel, für Personal sowie für die Netznutzung und für die Energie“, unterstreicht der VDV-Hauptgeschäftsführer.

Preissteigerungen bei Diesel und Strom

Fahrstrom- und Dieselpreise sind ein wesentlicher Posten bei der Kalkulation von Personenbeförderungen wie Gütertransporten auf der Schiene.

„Diese Entwicklung wird nicht alle gleichermaßen treffen, wir müssen uns jedoch große Sorgen gerade um einzelne Eisenbahnunternehmen in allen Bereichen machen. Denjenigen, die das unter dem Stichwort Marktbereinigung diskutieren sei gesagt, dass es genau diese Unternehmen und ihre Kapazitäten sein werden, die uns fürs Erreichen der Ziele bei der Verkehrswende am Ende schmerzlich fehlen werden“, so Wolff.

Der VDV rät zu einer sachgerechten Reaktion des Bundes, um die angespannte Situation für die Branche etwas zu lindern. Beispielsweise müsse darüber nachgedacht werden, die Trassenpreisförderung für den Fernverkehr auf der Schiene – gegenwärtig rund 50 Prozent Ermäßigung als ‚Coronahilfe‘ – auf einem maßvollen Niveau auch für 2022 weiterzuführen. Dies wäre praktisch angewandter Klimaschutz. Auch die ohnehin vom Bund bereits für alle Verbraucher und Unternehmen in Aussicht gestellte Streichung der EEG-Abgabe könne in der jetzigen Situation einen Beitrag leisten, Schlimmeres zu verhindern. Letzteres gelte dabei natürlich nicht nur für die Eisenbahn, sondern auch für den ÖPNV, so der Branchenverband.

 

Personalengpass darf nicht zum Flaschenhals der Verkehrswende werden

„Während die Omikron-Ausfallquoten in der Branche wegen Krankheit oder Quarantäne nicht überdurchschnittlich hoch ausfallen, werden die strukturellen Engpässe bei den Fachkräften sowohl bei den Güter-, als auch bei den Personenbahnen des Nah- und Fernverkehrs immer deutlicher“, erklärt Wolff.

Das bestätigt auch eine Sonderauswertung der VDV-Branchenumfrage Personal aus November 2021 mit rund 30 Schienenverkehrsunternehmen: „Der Personal- und Fachkräftemangel wird immer gravierender. Wir suchen in allen Bereichen, vor allem im Fahrbetrieb, aber auch im gewerblich-technischen Bereich. Wir werben um Ingenieurinnen und Ingenieure, wir rekrutieren IT-Fachkräfte, wir würden gern viel mehr ausbilden und einstellen“, so Wolff.

Laut Angaben der Agentur für Arbeit (2020) kommen bei den Triebfahrzeugführern auf 100 gemeldete Stellen gerade einmal 54 Arbeitssuchende, die die fachliche Eignung hätten. Dieses Berufsbild findet sich daher seit Jahren bei der Agentur für Arbeit auf der Liste der so genannten „Mangelberufe“ in Deutschland. In anderen Bereichen sieht es etwas besser aus, aber auch hier reichen die verfügbaren Bewerberinnen und Bewerber nicht, um die freiwerdenden und zusätzlich geschaffenen Stellen zu besetzen. Und das, obwohl selbst in der Krise bei den Güterbahnen in den letzten beiden Jahren jeweils mehr Personal eingestellt wurde als im Vorjahr.

2020 und 2021 mehr Personaleinstellungen als 2019

„Die Verkehrsunternehmen können es sich auch in der Pandemie nicht leisten auf Personaleinstellungen zu verzichten. Im Gegenteil, wir suchen händeringend“, so Wolff.

Handlungsbedarf ergebe sich einerseits aus dem demografischen Wandel – nach Angaben der Unternehmen müssen rund 30 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bis 2030 altersbedingt ersetzt werden. Zusätzlich erfordere der nötige Ausbau des Angebots für das Erreichen der Klimaschutzziele erhebliche Mehreinstellungen: Die Unternehmen prognostizieren bis 2030 einen zusätzlichen Bedarf von etwa 23 Prozent. Über 72 Prozent der Unternehmen stellten 2021 mehr Personal ein als im Vorjahr.

„Nachdem bereits im Vergleich in der Vorjahresumfrage der Fachkräftebedarf gestiegen war, sagen 62 Prozent der Schienenunternehmen, dass dieser erneut zugenommen habe. Hier unterstütze die VDV-Arbeitgeberinitiative die Unternehmen zum Beispiel mit einem eigenen Branchen-Karriereportal mit aktuell 8.328 offenen Stellen“, so Wolff abschließend.

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