VDA Technischer Kongress 2022: Wie machen wir die Antriebswende erfolgreich?

Mittlerweile steht fest: Die Mobilitätswende kommt – allerdings gibt es zur Umsetzung durchaus noch unterschiedliche Ansichten.

In Berlin wurde auf dem 23. Technischen Kongress des VDA wieder spannend und teils kontrovers diskutiert. | Foto: Christian Lietzmann
In Berlin wurde auf dem 23. Technischen Kongress des VDA wieder spannend und teils kontrovers diskutiert. | Foto: Christian Lietzmann
Gregor Soller

Nach wie vor zeigt man sich Technologieoffen – allerdings differenziert technologieoffen. Das Panel eröffnete Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin Im Bundesinnenministerium für Digitales und Verkehr BMDV.

Auch sie zeigte sich betroffen von der Ukraine-Krise: Noch vor zwei Wochen standen die Lust am Erfinden und Anpacken, im Fokus: Heute dominierten andere Themen und wir wurden „aus Komfortzone geworfen, in der wir uns trotz Corona noch befanden“, wie Kluckert feststellt.

Keine Erfindung hat den Anspruch auf ewige Gültigkeit

Trotzdem gäbe es so viele Technologien im Land der Erfinder, die gehört und erprobt werden wollen, auf dass sich das Beste durchsetzt. Und hier solle man ruhig man „out oft he box“ denken und zu sehen, wo sich heute Kostenvorteile ergeben. Dass die heutigen Erfindungen keine Allgemeingültigkeit auf Dauer haben werden, ist ihr dabei wohl bewusst: Entsprechend werde man die Erfindungen so lange nutzen, bis es etwas Besseres gibt. Deshalb verschwanden auch die Elektroautos ab den 1910er Jahren, denn die Energiedichte der Fuels ist bis heute unerreicht. Doch: Sie bringen eben Nachteile mit sich und die Rahmenbedingungen könne man eben nicht ignorieren. Dazu kommt jetzt das neue Thema Versorgungssicherheit.

Dazu kam die politische Diskussion des Fit-for-55-Paketes, um das es laut Kluckert ein hartes Ringen gab. Darunter die Frage, wie man massive Investitionen für Schnellladeinfrastruktur am besten angeht? Fakt ist: Bis 2045 muss Deutschland klimaneutral wirtschaften. Dazu muss die Politik Entscheidungen treffen, um die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, nicht zu früh und nicht zu spät. Das erfordere viel Fingerspitzengefühl, denn hier müssen auch viele pfadabhäbgige Entscheidungen getroffen werden. Im Anschluss ging Kluckert dann Energieträger für Energieträger durch.

Reale Sicht auf Wasserstoff: Gern in Flugzeugen und die Hochseeschifffahrt

Sie begann mit den Gasantrieben. Dabei sei Biogas im Sinne einer freien Energie für Stromnutzung zu bevorzugen. Das Thema Brennstoffzelle respektive Wasserstoff betrachtete sie ganz nüchtern: Denn die Herstellung von Wasserstoff kostet viel Energie, doch er kann weltweit produziert werden. Und auch Kluckert sieht die Brennstoffzelle respektive den Wasserstoff eher im Luft- und Schiffverkehr. Denn hier macht das Volumen den Unterschied: Ab gewisser Größe sei Wasserstoff wirtschaftlich einsetzbar, was der BMDV großflächig fördere.

Als nächstes kam sie auf E-Fuels aus Wasserstoff. Dazu hatte sie ein Gespräch mit Raffineriebetreiber, der hier massiv investieren möchte. Zwar hat man hohe Umwandlungskosten, aber am Ende tolles, lagerfähiges Produkt, das auch den Bestand weiter versorgen könne und dessen CO2-Ausstoß reduziere: „Ich bin der Überzeugung, dass die E-Fuels ihren Platz finden werden“, war sich Kluckert sicher.  

Ein weiter so gibt es nicht

Zuletzt kam sie zum Schluss, dass auch wir uns verändern müssen, ein weiter so gäbe es nicht: „Gute Politik unterstützt dabei alle Bürger. Wir müssen effiziente Antriebe und Transportmittel noch effizienter machen – und das noch schneller.“ Denn das Jahrzehnt, das vor liegt, entscheidet laut Kluckert auch über das Gelingen der Transformation.

Der Antrieb der Zukunft ist noch nicht erfunden

Ebenfalls für Technologieoffenheit warb Matthias Zink, CEO Automotive Technologies Schaeffler AG. Er erklärte: „Technologieoffenheit ist für Schaeffler ein Schlüssel, weil wir immer schon dafürstanden, aktuell sind wir in zehn Sektoren aktiv.“ Schon immer musste Schaeffler sich entsprechend ein Stück weit neu erfinden und existiert genau deshalb noch immer. Dazu habe man immer mit aggressiven Szenarien gearbeitet. Der Antrieb der Zukunft? „Ist für mich noch nicht erfunden“, so die klare Antwort Zinks.

Im Zuge der Transformation riet er auch, sich aktiv mit den neuen Playern im Markt zu befassen. Dazu müsse man auch seine eigene Firma modernisieren. Dann könne auch ein vormals traditionelles Unternehmen mit den neuen Playern sehr erfolgreich sein. Die Kommunikation sei nicht immer ganz einfach, doch man bekäme so im schlechtesten Fall immerhin neuen Input und neue Ideen. Worauf sich Zink ganz weit aus dem Fenster lehnt:

„Ich persönlich glaube nicht, dass das Lenkrad in 20 Jahren noch das richtige Bedienelement sein wird.“

Um das Umzusetzen, habe Schaeffler sich nicht in alte und neue Welt differenziert, sondern sieht das Bewährte als das Fundament und das Neue. Dazu gehört mittelfristig auch noch der Verbrenner. „Wir werden Euro 7 bringen müssen“, erklärt er und nennt exemplarisch das eRocker System oder en elektrischen Nockenwellenversteller – das übertragen in Industrieroboter.

Schaeffler kommt einst vom Nadellager – und entwickelt heue noch das Kugellager weiter

Selbst in einem ganz normalen Kugellager sei noch Innovation möglich. Mit Schleuderscheibe und Thermomanagement gäbe es neue Ansätze. Womit er zur Batterieelektrik wechselt: Man habe ganz große Chancen auf Effizienzsteigerungen bei den „Wohlfühltemperaturen“ von Akku und Antriebsmanagement. Vor dem Kongress besuchte er dazu die BVV mit 140 E-Bussen.

Aber auch bei der Brennstoffzelle sieht Zink noch große Innovationspotenziale. Man investiert gerade groß in die Bipolarplattenherstellung in Herzogenaurach und für industrielle Komplexe wie  Härteranlagen in Fabriken sei Wasserstoff „unumgänglich“. Deshalb schloss Zink:

„Für mich ist Technologieoffenheit und Fokussierung kein Widerspruch.“

Deshalb werde man weiter auch einzelne Komponenten und ganze Systeme machen. Aber auch er findet:

„Wir brauchen alle miteinander Veränderungsbereitschaft.“

Die Frage aus dem Publikum, wie Schaeffler zum Plug-in steht, beantwortete er differenziert:

„Stehen wir zum schweren SUV im Fernverkehr: Nein. Wenn Plug-in-Hybride allerdings korrekt betrieben werden und die Fahrprofile passen, ja.“

Interessant war auch die Frage zum „Insourcing“ bei den OEMs: Er sehe verstärktes Insorcing der OEMs, aber nicht in dramatischem Ausmaß. Zumal man beobachten könne, dass sich viele OEMs heute mit Akku- und Zellfertigung befassen. Da könne es ein paar Verschiebungen geben, aber Zinks Meinung nach weniger bei Mechanik, Mechatronik.

CATL startet mit seiner Akkuzellfertigung am Erfurter Kreuz

Interessant waren Matthias Zentgraf, President for European Business at CATL. Das erst 2011 gegründete Unternehmen war das fünfte Jahr in Folge der größte Li-Io-Akkuzellhersteller, getrieben durch den Heimatmarkt China. Bis 2030 erwartet er in China, den USA und Kanada sowie Europa 37 Millionen Elektro Autos mit einem Akkubedarf von mindestens 1,5 Terrawattstunden.

„Mittlerweile sind wir bei Terafactories“. Um den Bedarf zu decken bräuchte man 70 Gigafactories. CATL hätte mittlerweile 10 Produktionsstätten, Erfurt sei das erste Werk außerhalb Chinas. Bei dessen Planung 2018 gab es zwei Großserienproduzenten in Polen, Ungarn, und eine kleinere Fabrik in UK. Im Juli 2018 fiel die Entscheidung für Deutschland, mittlerweile würde er wegen der Energiekosten aber Frankreich bevorzugen: Dort bekäme man die Kilowattstunde Industriestrom für vier statt zwanzig Cent! Doch CATL ist nicht der Einzige, der nach Europa kommt: Mittlerweile seien über 30 Gigafactories projektiert. Zentgraf freut sich:

„Noch 2018 stand die Aussage, dass die Herstellung von Akkuzellen in Europa nicht wirtschaftlich darstellbar ist.“

CATL übernahm am Erfurter Kreuz, den Ex-Solarworld-Komplex und möchte im zweiten Halbjahr mit der Modulmontage beginnen. Ganz wichtig in China: Die Kantine! Dazu entsteht ein Komplex auf der grünen Wiese: Das Modulassembling findet in G1 statt, die Zellfertigung in G2. Sauberkeit sei das A und O und man setzt auf ein intelligentes Manufacturing-System. Dafür investiert CATL im ersten Schritt zwei Milliarden Euro für 14 bis 18 GWh. Das Geld verdiente Gründer Robin Zeng unter anderem damit, dass 60 Prozent aller Apple-Akkus von CATL kommen.

Lithium-Ionen-Akkus und die Ideen für die Zukunft

Für die Zukunft hat CATL laut Zentgraf noch viele Ideen: Weniger Bauteile, mehr Energiedichte, Cell to Pack, idealerweise ohne Akkuhousing. Auch die Kühlung sei noch ein Thema mit Potenzial. Und auch CATL reduziert den CO2-Footprint. Die Akkurückgewinnungsrate liegt in China auch wegen der teuren Rohstoffe mittlerweile bei mehr als 95 Prozent, wobei sich Zentgraf hier wohl auf Fahrzeugakkus bezog. Das sei machbar und werde auch in Europa kommen.

Was sind die nächsten Schritte? Man muss jetzt Personal einstellen, wobei man anfangs noch viele chinesische Know-How-Träger im Werk hätte, dann könne die Zellproduktion im zweiten Halbjahr 2022 mit importierten Materialien starten. Dann müsse man ein lokales Lieferantennetzwerk aufbauen.

Die Frage nach Solid State beantwortete er klar: Es sei für die Großserie noch nicht umsetzbar. Im Labor arbeite man wir daran:

„Solid State wird kommen, aber das wird Ende dieser, Anfang nächster Dekade sein.“

Energieautarkie in Europa? Eher nicht!

Das Panel schloss Adrian Willig, Hauptgeschäftsführer bei en2x, des Wirtschaftsverbandes Fuels und Energie. Er sieht künftig ganz neue Kooperationen und nannte als Beispiele einen Windradhersteller, der mit einer Raffinerie kooperiert und eine Zementfabrik, die mit einem Elektrolyseur arbeite. Er warb einmal mehr für alternative Fuels, um im Bestand CO2-Neutralität zu erreichen. Fuels sieht er weiterhin auch für schwere Fahrzeuge. Er mahnte an, dass der Ukraine-Krieg zu eine nachhaltige Änderung der Energieversorgung nach sich ziehen wird. Auch die Lieferstrukturen werden sich diversifizeiren. Trotzdem steht für ihn fest:

„Wir werden nicht energieautark werden!“

Seiner Meinung nach werde man weiter Energieimporte brauchen, das seien dann aber keine fossilen Energien mehr. Daraufhin bilanzierte er kurz: 60 Prozent der Mineralöle gehen aktuell in den Verkehr 20 Prozent in Wärme, 20 Prozent Rohprodukte. Beim Verkehr nutzen aktuell 83 Prozent Pkw, Bus und Lkw, 15 % das Flugzeug und 2% das Schiff. Für Flugzeuge und die Schiffahrt, da ist er sich mit Kluckert einig, wird man langfristig erneuerbare Fuels brauchen. Und man brauche den

Verkehrsmittel- und Antriebswechsel. Wir werden bis 2030 einen Anteil von 22% an alternativen Fuels brauchen und  alle Register ziehen müssen, wenn man bis 2030 klimaneutral sein wolle:

„Das ist wie bei einer Orgel: Wenn sie da einen guten Klang haben wollen, müssen sie auch alle Register ziehen“.

Beim vom VDA geforderten Ladegipfel wollen man dabei sein: Tankstellen seien 24/7 offen, bei den Ausschreibungen überdacht und man kenne sich mit Bezahlsystemen aus. Wichtig sei, dass hier ein fairer Wettbewerb erfolge. Auch der Wasserstoffausbau ginge weiter: Jet plane bis 2025, rund 250 Wasserstofftankstellen in Deutschland, Österreich und Dänemark zu installieren. Dafür brauche man aber auch die Fahrzeuge. Bis März 2022 wurden 91 H2-Tankstellen eröffnet. Laut Willig werde man alternative Kraftstoffe brauchen, wenn man den Bestand dekarbonisieren wolle. Auch hier war er mit Kluckert einig. Und er forderte eine Energiebesteuerung, die sich an CO2-Werten orientiert:

„Ein CO2-neutraler Kraftstoff kann nicht so hoch besteuert sein wie ein fossiler Kraftstoff. Das hälfe auch bei der Entstehung eines Businesscases“.

Beim Thema Power 2 X stört er sich an dem Argument der Wirkungsgradverluste. Diese Debatte verkenne, dass wo man viel Sonne und Wind zur Verfügung habe, die Fuels CO2-neutral entstünden. Klar sit auch für ihn: Die Elektrifizierung wird dominant sein.

„Aber wenn wir Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir noch zusätzliche Alternativen“.

Was bedeutet das?

Das Panel zur Energieversorgung der Zukunft war sich im Großen und Ganzen einig: Der gesamte Verkehr wird nicht auf Akkus umzustellen sein und man wird vor allem für die Fliegerei und die Seeschifffahrt – und den Übergang zu Lande samt der Bestandsfahrzeuge alternative Fuels und Wasserstoff brachen.

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