Valmet Automotive: Kompensation ist keine Lösung für echte Nachhaltigkeit!
Valmet Automotive wurde 1968 in Finnland als Joint Venture der Firmen Saab-Scania und Valmet gegründet; Auftrag: die Fertigung von Saab-PKWs. Das erste Modell, ein blauer Saab 96, lief am 13.November 1969 im Werk Uusikaupunki vom Band; diesem folgten zahlreiche weitere Modelle des schwedischen Herstellers. Was vielleicht die auch heute noch hohe Saab-Dichte in dem finnischen Städtchen erklärt. Später, zwischen 1997 bis 2011, fertigte das Unternehmen 14 Jahre für Porsche den Boxster und Cayman.
Nach der ersten Boxster-Generation, die sowohl in Zuffenhausen wie auch in Finnland produziert wurde, lief die zweite Generation des Sportwagens ausschließlich bei Valmet Automotive vom Band, so wie auch parallel der erste Cayman. Aktuell produziert das Unternehmen im Kerngeschäft Fahrzeugbau hauptsächlich für Mercedes-Benz. Nachdem die Fertigung des Mercedes-Benz GLC im Sommer 2022 planmäßig ausgelaufen ist, gehört die Bühne derzeit der A-Klasse.
Produktionsstart feierte jetzt Ende November der solar-elektrische Lightyear 0, in Produktionsvorbereitung befindet sich unter anderem der AMG GT Viertürer, sowie ein weiteres solar-elektrische Fahrzeug, der Sion von Sono Motors, dessen Produktionsstart für Ende 2023 geplant ist.
Auch Valmet Automotive stellt sich breiter auf - samt Akkuproduktion
Aber Fahrzeugfertigung ist nur ein Teil des Geschäfts. Im Jahr 2010 haben die Finnen das Dachsystemgeschäft der insolventen Karmann übernommen und betreiben dieses Geschäft in der Business Line Roof & Kinematic Systems. Und früh hat man die sich aus der Elektromobilität ergebenden Chancen erkannt und entsprechend agiert. So lief bereits im Jahr 2009/10 der Think City, ein als Stadtauto konzipierter Elektrokleinwagen eines norwegischen Start-ups, in Uusikaupunki vom Band und fast parallel dazu der Fisker Karma, eine Coupé -Limousine mit Range Extender.
Auch wenn dem Think City und dem Fisker Karma der Erfolg versagt blieb, ließ Valmet Automotive das Thema nicht mehr los. Eine Initialzündung zur Fokussierung auf Elektromobilität gab der Einstieg des chinesischen Batterie-Riesen CATL im Jahr 2017, endgültig wurde 2018 der Schalter Richtung Elektromobilität umgelegt und Anfang 2019 die Business Line EV Systems aus der Taufe gehoben.
Einst wurden hier Handy von Nokia gefertigt
Bereits Ende 2019 startete Valmet Automotive im finnischen Salo, in den Hallen der ehemaligen Handy-Fertigung von Nokia, die erste Großserienfertigung von Batteriesystemen. 2021 ging unter dem Dach des Autowerks Uusikaupunki ein zweites Batteriewerk in Betrieb, ein drittes Werk in Kirchhardt, Deutschland, befindet sich in der Anlaufphase. Damit zählt Valmet Automotive zu den international führenden Zulieferern für Produktion von Batteriesystemen. Und: inzwischen sind alle drei Business Lines – Vehicle Contract Manufacturing, EV Systems und Roof & Kinematic Systems – bereit für die Elektromobilität.
Im Fall der Fahrzeugproduktion in Uusikaupunki bedeutet dies, dass man alle Antriebsvarianten darstellen kann, von konventionell bis rein elektrisch. Vor einem Jahr hat man unter dem Dach der Autofabrik eine Batterieproduktion eröffnet – unter den Zulieferern der Automobilindustrie stellt das ein Alleinstellungsmerkmal dar. Parallel zum Umbau des Konzerns zum führenden Lieferanten für die Elektromobilität ist man stark beim Thema Nachhaltigkeit aktiv und hat Anfang 2022 die C02-Neutralität in der eigenen Produktion erreicht.
Innerhalb weniger Jahre erreichte man CO2-Neutralität
Wir treffen CEO Olaf Bongwald am Rande des Produktionsstarts für den solar-elektrischen Lightyear 0 im Autowerk von Valmet Automotive in Uusikaupunki. Nachdem Bongwald, ein bekennender Mercedes-Benz- und Porsche-Fan und -Eigentümer, dort die Geschichte von Valmet Automotive erklärt hat und unter anderem erläuterte, wie es gelungen ist, innerhalb weniger Jahre C02-Neutralität in der Produktion zu erreichen nimmt er sich noch die Zeit, uns zur Fertigungsstraße des Lightyear 0 zu begleiten.
Der Manager, der Stationen bei VDO und Magna durchlief und schon als junger Mann davon träumte, komplette Fahrzeuge selbst zu bauen, hat zwar noch ein anschließendes Meeting, nimmt sich aber dennoch Zeit für unsere Fragen. Begleitet wird er von Pasi Rannus, Senior Vice President Manufacturing und als solcher Chef des Autowerks, hinter den er gern zurücktritt: „Das hier ist ja eigentlich seine Fabrik“ erklärt er lächelnd und wechselt sprachlich immer wieder zwischen Deutsch und erstaunlich gutem Finnisch. Bongwald versteht es – wie in seiner Eröffnungsrede – dezent im Hintergrund zu bleiben und dabei doch eine immense Kompetenz auszustrahlen.
VM: Mit ausschlaggebend, dass Valmet Automotive den Zuschlag für die Produktion des solar elektrischen Lightyear 0 erhalten hat, war die CO2-neutrale Produktion. Schaffen Sie das ohne Kompensationen?
Olaf Bongwald: Zwischen 2018 und Anfang 2022 haben die den C02-Ausstoß aus unserer Produktion um von 43.000 Tonnen auch 8.000 Tonnen gesenkt, die wir aktuell noch kompensieren. Aber auch diesen verbleibenden Rest werden wir eliminieren, denn letztlich ist Kompensation keine Lösung für wirklich nachhaltige Mobilität.
VM: Das ist eine starke und klare Ansage. Gibt es spezielle Bereiche, die noch kompensiert werden müssen?
Bongwald: Das sind vor allem die energieintensiven Bereiche im Karosseriebau und der Lackiererei. Eine Roboterschweißstraße oder eine Lackiererei stellt man nicht von heute auf morgen auf C02-neutrale Produktion um. Doch mittelfristig ist auch das lösbar.
VM: Und wie plant Valmet Automotive produktseitig?
Pasi Rannus (lächelt): Vor allem flexibel! Wichtig ist, dass wir Produkt- und Produktionsprogramme schnell ändern und an Kundenwünsche anpassen können. Dabei wollen wir keinerlei Abhängigkeiten von einer Antriebsart haben. Die große gemeinsame Idee dahinter ist natürlich, die Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Zu diesem Anspruch passt auch die geplante Fertigung des Sion von Sono Motors ab 2023.
VM: Ist da die Lage als eines der nördlichsten Automobilwerke der Welt nicht eher hinderlich?
Rannus: Der Gedanke mag einem bei oberflächlicher Betrachtung kommen, aber über unseren Hafen können wir direkt Bremerhaven anlaufen, einen der größten Autohäfen Europas. Und für den skandinavischen Raum, in dem E-Mobilität sehr rasch an Fahrt aufnimmt, haben wir sogar einen Standortvorteil. Aber klar ist auch, dass Finnland nicht der Nabel der Autowelt ist. Das machen wir aber über Flexibilität, Kosteneffizienz und Qualität wett.
VM: In Uusikaupunki wurden schon die unterschiedlichsten Modelle gebaut. Wenn sie Groß- und Kleinserien vergleichen wie zum Beispiel die A-Klasse und den Lightyear 0 – was ist schwieriger zu bauen?
Bongwald (lächelt): Aus wirtschaftlicher Sicht sind große Stückzahlen natürlich lukrativer. Die Herausforderung in der Produktion hat aber weniger mit der Menge zu tun als mit der Komplexität des Fahrzeugs. Nehmen Sie den Lightyear 0; bei dem Fahrzeug sprechen wir vom ersten in Serie gefertigten solar-elektrischen Fahrzeugmodell. Das ist schon etwas Besonderes, auch was das Lernen anbelangt. Wir können unserer Skills für diese spezifische Mobilitätsform erweitern. Im Grunde ist es aber so, dass wir mit jedem Auto neue Erfahrungen sammeln und unser Know-how stets vertiefen. Das beginnt bei en Werkstoffen und endet in Details der Montage.
VM: Manche Hersteller bieten auch Konstruktionsdienstleistungen mit an. Warum nicht Valmet Automotive?
Pasi Rannus: Weil Konstruktion und Produktion unserer Ansicht nach zwei verschiedene Paar Stiefel sind. Natürlich können auch wir auch auf der Konstruktionsseite unterstützen und arbeiten dafür mit externen Dienstleistern zusammen. Doch in der Regel übernehmen die Auftraggeber die Konstruktion weitgehend selbst, suchen aber dann jemanden, der in der Lage ist, qualitativ hochwertig und schnell zu liefern und sehr flexibel bezüglich der Produktion und vor allem bezüglich der Stückzahlen in der Produktion ist. Dieses Paket aus Qualität, Geschwindigkeit und Flexibilität bieten wir seit Jahrzehnten.
VM: Bleibt Ihnen die Flexibilität auch bezüglich der Akkus? Immerhin ist CATL mit rund 23 Prozent an Valmet Automotive beteiligt?
Bongwald: Absolut! Wir sind völlig unabhängig vom Zelllieferanten, den in der Regel der Automobilhersteller vorgibt. Insofern brauchen wir hier absolute Flexibilität und arbeiten mit allen Zellformaten und -lieferanten. Natürlich gibt es auch gemeinsame Projekte mit CATL, und für unsere klare strategische Ausrichtung Richtung Elektromobilität war der Einstieg von CATL sicherlich ein Beschleuniger.
Das Interview führte Gregor Soller
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