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Valeo: Erste Mitfahrt im autonomen Evoque

In einen Range Rover Evoque packte Valeo sein gesamtes Know-How zum autonomen Fahren – wir waren damit in München unterwegs

Gewährte mit dem Demofahrer Florian Lugert spannende Einblicke ins autonome Fahren: Jörg Schrepfer, Head of Driving Assistance Research DAR Germany bei Valeo mit dem präparierten Range Rover Evoque. | Foto: G. Soller
Gewährte mit dem Demofahrer Florian Lugert spannende Einblicke ins autonome Fahren: Jörg Schrepfer, Head of Driving Assistance Research DAR Germany bei Valeo mit dem präparierten Range Rover Evoque. | Foto: G. Soller
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Gregor Soller

Valeo ist nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei Fahrerassistenzsystemen (ADAS) und rüstet jeden vierten PKW weltweit damit aus. Auf der IAA Mobility präsentierte man mit BMW das autonomes Parksystem, bekannt auch als „Automated Valet Parking“, welches den BMW wie von Zauberhand im Messeparkhaus einparken ließ.  

Die Technik zum autonomen fahren stammt komplett aus dem aktuellen Valeo-Serienprogramm

Noch spannender fanden wir aber den autonom fahrenden „Drive4U PKW von Valeo“ nach Level 4, der über die Blue Lane auf öffentlichen Straßen unterwegs war. Valeo kündigte an, dass der Prototyp in Innenstädten und Vororten typische Verkehrssituationen wie Staus, Kreuzungen, Kreisverkehre, Ampeln, Fußgängerüberwege oder Baustellen selbständig bewältigen könne. Durch das Drive4U Locate System kann man die Fahrzeugposition im Straßenverkehr zentimetergenau lokalisieren. Zum Vergleich: Die Standardabweichung bei einem üblichen GPS-System liegt bei bis zu fünf Metern. Das ebenfalls integrierte „MovePredict.ai System“ nutzt außerdem Künstliche Intelligenz. Es soll die Bewegungen schwächerer Verkehrsteilnehmer in der Fahrzeugumgebung antizipieren und bremst, bevor diese sich überhaupt von der Stelle bewegt haben. Dazu stattete Valeo einen Range Rover Evoque mit fünf LiDAR-, acht Kamera-, vier Radar- und zwölf Ultraschallsensoren aus, die alle bereits in Serie produziert werden. Das erste, auf dem Markt erscheinende Fahrzeug der Autonomie-Stufe 3 ist bereits mit der LiDAR-Technologie von Valeo ausgestattet. Dieses Autonomielevel kann nur mit 3D-LiDAR-Technologie in Kombination mit einer Reihe von Sensoren erreicht werden. Was uns überraschte: nach eigenen Angaben ist Valeo noch immer ist Valeo der einzige Hersteller von Serien-Lidarsystemen.

Anfahren, Bremsen, Abbiegen, Ampeln: Alles perfekt, aber…

Umso gespannter waren wir auf die Mitfahrt. Hinter dem Messeeingang Ost wartete schon Jörg Schrepfer, Head of Driving Assistance Research DAR Germany bei Valeo mit dem präparierten Range Rover Evoque mit (noch) großem Rechner im Kofferraum und Sicherheitsfahrer Florian Lugert auf uns. Und der ließ das Auto nach dem Verlassen des Messegeländes allein machen! Und es „machte“ nicht schlecht. Also eingestiegen und losgefahren, vom Messegelände München Richtung Innenstadt. Den Weg von der Messe auf die Autobahn samt Ampeln erkennen die Valeo-Systeme perfekt und geleiten den Evoque so gekonnt auf die A 94 Richtung München. Allerdings stoppt der „Valeovoque“ brav hinter einem Polizeibus auf der Abbiegespur zur Autobahn: Allerdings ist vor dem Polizeibus massig Platz, da er die Brücke gegen Abseilaktionen sichert und auf der Abbiegespur stehen bleibt, ohne sich einen Millimeter fortzubewegen. Das interpretiert das autonome System, das nicht vor den Bus sehen kann, als rote Ampel, so dass Demofahrer Lugert kurz eingreifen muss, um dann doch auf die Autobahn zu kommen.  

Dann beschleunigt der Evoque brav und fädelt gekonnt autonom ein, wobei dafür genug Platz sein sollte. Langsam wird klar: Immer wenn es knapp und uneindeutig wird, kommt das System an seine Regelgrenzen, denn es fehlt ihm eine wichtige menschliche Gabe: Intuition! Das zeigt auch der weitere Verlauf der Fahrt: So lange man sich im Fließverkehr hinter einem Bus befindet, klappt das autonome Fahren ganz gut und auch Überholvorgänge werden schon gut gemeistert, sofern die nach hinten wachenden Systeme genug Platz für solche Manöver erkennen.

Interessant, wie oft der Mensch im Verkehr Situationen aus seinem „Gefühl“ heraus entscheiden muss

Zäher wird es dann in der Stadt: Als wir einen U-Turn machen und an der Kreuzung arten müssen, zögert der Evoque aus Sicherheitsgründen eine gefühlte Ewigkeit, bis Demofahrer Florian Lugert ihm spontan die Sporen gibt, um eine etwas größere Lücke zu nutzen. Hier müsste die Technik erkennen, dass über einen längeren Zeitraum keine größere Lücke zum Einscheren zur Verfügung stehen wird und man deshalb beherzter aufs Gas treten muss, um die „relativ größte Gelegenheit“ zum Einscheren zu nutzen.

Die nächste Herausforderung kommt schon beim Wiedereinscheren nach einem Überholmanöver kurz vor der Abfahrt: Hier muss man schnell und knapp vor dem Überholten einscheren und dann zügig auf die Ausfahrtsspur wechseln und Bremsen. Da der Abstand zum einscheren dem System aber zu gering ist und der Demofahrer spürt, dass der eben Überholte seine Geschwindigkeit eben nicht reduzieren wird, muss er „peduell“ per Druck aufs Gaspedal einschreiten, um die Ausfahrt nicht zu verpassen.

Interessant war der Abgleich mit den Valeo-Mitfahrern im Auto: Auf die Frage „lässt der uns noch rein“ hatten alle unisono meist ein identisches Gefühl, nach dem Motto: „Ja, das geht locker noch, der fährt ohnehin gemütlich“, oder „nein – dieses Fahrzeug wird nicht bremsen“. Genau dieses „Gefühl“ macht den großen Unterschied zwischen Mensch und Maschine und die Fahrt etwas „defensiv-digital“. Denn der Mensch kann Situationen intuitiv glätten, die Maschine nicht. Womit den Ingenieuren ein ganz kniffeliger, sehr schwer zu lösender Punkt bleibt: Denn im Vergleich zu unseren ersten Mitfahrten in autonomen Fahrzeugen vor drei bis vier Jahren haben die Regelsysteme massiv dazugelernt und schaffen es, Standardsituationen, Staus oder dröge Autobahnfahrten gut zu meistern – womit sie uns massiv unterstützen.

Doch sobald es kniffelig und „gefühlig“ wird, tun sich die Bots schwer. Womit wir wieder genau bei dem asymptotischen Punkt sind, dass die allerersten einfachen Fahraufgaben gut zu meistern waren und schnell Fortschritte brachten. Auch kniffeligere Situationen und regionale „Eigenheiten“ des Verkehrs in verschiedensten Ländern konnten wir den Systemen in den letzten Jahren ganz gut beibringen – aber jetzt, wo es um die letzten 20 bis 30 Prozent an Perfektion geht, wird es schwierig – denn wie will ich einem digitalen System „Gefühle“ beibringen. Weshalb es dann am Ende des Tages nicht so sehr verwundert, dass Valeo mit seiner Lidartechnik immer noch allein auf weiter Flur ist. Man darf gespannt sein, ob künstliche Intelligenz hier künftig helfen kann, uneindeutige Situationen im Verkehr zu „erspüren“.

Was bedeutet das?

Das autonome fahren hat große Fortschritte gemacht und wird bei Valeo mit voller Kraft weiter vorangetrieben. Der Hauptknackpunkt besteht allerdings weniger im Ausführen von Fahrsituationen, sondern – so unprofessionell sich das anhören mag – im „Erspüren“ vieler Verkehrssituationen. Wir waren auf der kurzen Mitfahrt selbst erstaunt, wie viele Situationen wir hier „gefühlsmäßig“ erfasst und geklärt hätten – was der ganzen Sensorik trotz hoher Funktionalität einfach nicht möglich war.

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