Umweltbundesamt hält Fahrverbote für unnötig - und empfiehlt Tempolimit und besseren ÖPNV
Das Umweltbundesamt hält Fahrverbote zur CO2-Einsparung im Verkehrssektor nicht für nötig. Präsident Dirk Messner erklärte am Freitag: «Wir brauchen natürlich keine Fahrverbote. Solche Verbote werden auch nicht ernsthaft diskutiert und verängstigen die Menschen ohne Grund.» Messner brachte stattdessen erneut ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ins Spiel. Hilfreich wäre auch ein besserer öffentlicher Nahverkehr, damit die Bürgerinnen und Bürger einfach auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umsteigen könnten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte vor drastischen Einschnitten für Autofahrer gewarnt, falls die Ampel sich nicht bald auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einigt - bis hin zu Fahrverboten am Wochenende.
Beschlossene Maßnahmen konsequent umsetzen
Messner sagte, laut Projektionen könne Deutschland seine Klimaschutzziele bis 2030 einhalten, wenn die beschlossenen Maßnahmen konsequent fortgeführt würden - insbesondere der ambitionierte Ausbau der Erneuerbaren Energien.
«Der Verkehrssektor verfehlt sein Ziel für 2030 allerdings weiterhin deutlich. Es ist richtig, dass die Bundesregierung sofort handeln und wirksame Maßnahmen umsetzen muss, damit der Verkehrssektor seinen Teil zu den nationalen Klimaschutzbemühungen beiträgt. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass plötzlich Fahrverbote drohen, wenn wir Klimaschutz im Verkehrssektor ernst nehmen.»
Zahlreiche Maßnahmen bereits vorgeschlagen
Das Umweltbundesamt hat bereits vor längerem eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen. Zentrale Stellschraube sei die Elektromobilität, so Messner. Neben einem beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur sei eine Reform der Kfz-Besteuerung nötig. Im ersten Jahr der Zulassung solle ein Zuschlag für Pkw mit hohen CO2-Emissionen fällig werden und so der Kauf besonders klimaschädlicher Pkw verteuert werden. Auch ein Tempolimit könne einen Beitrag leisten. «Ein Tempolimit ist kostengünstig, wirksam für Klimaschutz und Verkehrssicherheit. Kurzfristig wäre die Einführung eines Tempolimits von 120 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Außerortsstraßen möglich. Bis 2030 könnten damit in Summe rund 38 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen – das sind rund 20 Prozent der bestehenden Lücke.»
NRW-Minister Lies: Das letzte, was wir derzeit brauchen
Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) hat die Warnung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) vor möglichen Wochenend-Fahrverboten deutlich kritisiert. «Eine Diskussion um Fahrverbote ist gerade wirklich das absolut letzte, was wir brauchen. Das ist eine völlig überflüssige Debatte und ist geeignet, wieder nur neue Verunsicherung zu schaffen», sagte Lies laut Mitteilung von Freitag.
Es sei Aufgabe der Bundesregierung, in der Debatte um das Klimaschutzgesetz eine Lösung zu finden und nicht neue Probleme zu schaffen, betonte der Landesverkehrsminister. Weiter sagte Lies:
«Niedersachsen lehnt die Debatte über Fahrverbote ab und wird auch deutlich machen, dass es eine Umsetzung mit Niedersachsen nicht geben kann.»
Der Minister hatte in einem Brief an die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vor drastischen Einschnitten für Autofahrer bis hin zu Fahrverboten an Wochenenden gewarnt, falls die Koalition sich nicht bald auf die Reform einigt. Wenn die schon vor neun Monaten vom Kabinett auf den Weg gebrachte Novelle vor dem 15. Juli nicht in Kraft sei, müsse das Ministerium nach der bisherigen Rechtslage ein Sofortprogramm mit restriktiven Maßnahmen vorlegen. Die Gesetzespläne zielen darauf, dass die Einhaltung der Klimaziele künftig nicht mehr rückwirkend nach einzelnen Sektoren kontrolliert werden soll - sondern in die Zukunft gerichtet, über mehrere Jahre betrachtet und sektorenübergreifend.
Wissing hält Tempolimit nicht für ausreichend
Wissing sagte im Deutschlandfunk, die Sektorbetrachtung im geltenden Gesetz führte dazu, dass 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sofort eingespart werden müssten. Dies sei mit einem Tempolimit oder sonstigen Maßnahmen nicht zu erreichen, sondern ad hoc nur mit einem Verzicht auf Auto und Lkw. Das Ressort machte keine Angaben dazu, wie die in dem Ministerschreiben aufgeworfenen «flächendeckenden und unbefristeten Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen» konkret aussehen und durchgesetzt werden könnten. Ziel sei, dieses Szenario mit allen Mitteln zu verhindern, sagte ein Sprecher. Dies sei auch keine Drohung, sondern ein dringender Appell an das Parlament, die Novelle zügig zu beschließen.
FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte, das noch geltende planwirtschaftliche Gesetz mit unrealistischen, starren Sektorzielen drohe das Land zu fesseln. «Wenn sich die Grünen nun der bereits im Koalitionsausschuss vereinbarten Novelle des Gesetzes widersetzen, nehmen sie Millionen Bürger in Geiselhaft, die am Wochenende ihre Freunde und Familie besuchen, einen Ausflug machen wollen oder schlichtweg zur Arbeit müssen.» FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Portal «t-online»: «Die Grünen müssen ihre Blockade bei der Reform des Klimaschutzgesetzes endlich aufgeben.»
Grüne: Verantwortungslos, Ängste zu schüren
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sagte: «Es ist nicht verantwortungsvoll für einen Minister, unbegründete Ängste zu schüren.» Stattdessen sollte Wissing seine Aufgabe wahrnehmen und endlich sinnvolle Vorschläge für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor machen. «Maßnahmen gibt es ja genug.» Kritik an Wissings Vorstoß kam auch von der SPD. Fraktionsvize Detlef Müller sagte: «Panikmache durch abwegige Vorschläge helfen dem Klimaschutz im Verkehrsbereich überhaupt nicht, im Gegenteil.» Die SPD-Fraktion lehne Fahrverbote für Pkw und Lkw ab. Solche Manöver brächten die laufenden Beratungen im Bundestag über das Gesetz schwerlich voran.
Um nach dem geltenden Gesetz sogenannte Klima-Sektorziele im Verkehr erreichen zu können, wäre nach Wissings Argumentation eine deutliche Verringerung der Pkw- und Lkw-Fahrleistung notwendig. Diese wäre «nur durch restriktive und der Bevölkerung kaum vermittelbare Maßnahmen wie flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich», schrieb er in einem Brief an die Ampel-Fraktionschefs im Bundestag.
Im Klimaschutzgesetz sind die deutschen Klimaziele verbindlich geregelt. Es sieht vor, dass die Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude wurden zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt.
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