Ukrainekrieg: Deutschlands Energiepolitik vor dem Scherbenhaufen
Es lief ja so schön: Russland lieferte günstiges Öl und Erdgas, Deutschland bezahlte. Nun, so ist es im Leben, vieles läuft, bis es eben nicht mehr läuft. Die wenigen warnenden Stimmen über Jahrzehnte, sich in totale Abhängigkeit eines unsicheren Kandidaten zu begeben, wurden als Schwarzmaler oder Kassandrarufer gebrandmarkt. Gleichzeitig hat aber diese Energiepolitik Deutschlands und anderer europäischer Staaten Russland mit den Devisen versorgt, um es – auch mit deutscher Militärtechnik – hochzurüsten und stark zu machen für ein militärisches und imperialistisches Abenteuer wie den jetzigen Ukrainekrieg.
Zubau eingeschlafen
Dabei hätte die Geschichte relativ problemlos auch anders geschrieben werden können. Wenn man vor allem den Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien in Deutschland weiter beschritten hätte. In den Jahren 2011 und 2012 lag der Zubau bei fast 11 GWp. Danach sank er – vor allem aufgrund erfolgreicher Lobbyarbeit u.a. von Seiten der Energiewirtschaft und einer ambitionslosen Energiepolitik der Merkel-Regierung – auf teilweise nur noch 5 bis 6 GWp pro Jahr. Hätte man den Zubau vor zehn Jahren gehalten oder noch leicht ausgebaut, könnte man heute nicht rund 145 GWp installierte regenerative Leistung zurückgreifen, sondern womöglich auf rund 240 GWp und befände sich schon nahe der 80-Prozent-Marke von Erneuerbaren Energien an der Bruttostromerzeugung – ebenjener Schwelle, wo nach Expertenmeinung die meiste Zeit im Jahr genug Strom im Netz ist, um parallel per Elektrolyse kostengünstig Wasserstoff zu erzeugen für Wärmeerzeugung oder den Straßenverkehr. Stattdessen stagniert der Anteil Erneuerbarer Energien im Wärmesektor seit acht Jahren bei rund 14 bis 15 Prozent, im Verkehrsbereich liegt er bei kümmerlichen 7,5 % (Zahlen von 2020; Quelle: Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien).
Fatale Abhängigkeit
Nun, es ist aus eigenem Verschulden anders gekommen. Die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas ist hoch, der Anteil am Gesamtimport liegt bei 55 Prozent. Beim Öl aus russischen Quellen beträgt dieser 35 Prozent. Man wird sich kurzfristig und vermehrt nach anderen Quellen umschauen müssen, allerdings sind die Alternativen nicht unbedingt ermutigend: extrem klima- und umweltschädliches Erdgas und Erdöl per Fracking bzw. aus Ölsanden gewonnen aus Kanada und den USA, Mineralölprodukte aus Krisenländern wie Venezuela und Libyen oder von extremistischen und nationalistischen Regimen wie im Iran oder Saudi-Arabien. Es droht aktuell sogar die Gefahr, dass die Erdgas- und Ölspeicher gerade in Richtung des nächsten Winters nicht mehr ausreichend gefüllt werden können und die Heizungen kalt bleiben oder Fahrzeuge stehenbleiben müssen – ein Extremszenario sicher, aber nicht vollkommen ausgeschlossen.
Die veränderte Situation wird auch die deutsche Transportbranche zu spüren bekommen. Denn die Preise für Treibstoff werden unweigerlich und deutlich steigen. Ein Grund mehr, so schnell wie möglich Flotten auf batterieelektrische Antriebe umzustellen, denn die Strombereitstellung in Deutschlands ist derzeit die einzige zuverlässige Größe in der deutschen Energieversorgung.
Autor: Claus Bünnagel
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