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UBA: Luftqualität besser, aber nicht gut genug - weniger Autos nötig

Der Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub aus Verbrennungsmotoren ist deutlich gesunken, aber noch nicht weit genug. Die WHO und das UBA fordern eine Verschärfung der veralteten Grenzwerte. Zudem sollten auch Reifenabrieb und Holzöfen stärker in Blick genommen werden. UBA: Weniger Auto fahren!

Um die Feinheiten: Zwar wird der Ausstoß von Verbrennermotoren geringer, aber durch den hohen Autoverkehr wird der Reifenabrieb zur primären Quelle - auch bei Stromern. Das UBA rät zu weniger Autofahrten. | Grafik: UBA
Um die Feinheiten: Zwar wird der Ausstoß von Verbrennermotoren geringer, aber durch den hohen Autoverkehr wird der Reifenabrieb zur primären Quelle - auch bei Stromern. Das UBA rät zu weniger Autofahrten. | Grafik: UBA
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Johannes Reichel

Im Jahr 2021 hat es in Deutschland erneut keine Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte gegeben. Der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO₂) von 40 µg/m³ Luft wurde voraussichtlich nur noch an ein bis zwei Prozent der verkehrsnahen Messstationen überschritten. Das zeigt die vorläufige Auswertung der Messdaten der Länder und des Umweltbundesamtes (Stand 31.01.2022) von bislang rund 600 Messstationen.

„Die positive Entwicklung bei der Luftqualität der letzten Jahre setzte sich auch 2021 fort. Das ist erfreulich und zeigt, dass mit geeigneten und konsequent umgesetzten Luftreinhaltemaßnahmen viel zu erreichen ist. Allerdings muss man trotz dieser Erfolge berücksichtigen, dass die EU-weit gültigen Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid vor mehr als 20 Jahren festgelegt wurden und dringend an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Auswirkungen von Luftverschmutzung angepasst werden müssen", erklärte Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA).

Insgesamt sei die Belastung mit Feinstaub und Stickstoffdioxid weiter rückläufig. Im Jahr 2020 waren sechs, 2019 sogar noch 25 Städte von der Überschreitung des NO₂-Grenzwertes betroffen. 2021 werden es voraussichtlich weniger als fünf Städte sein. Nach Auswertung der bereits jetzt vorliegenden Daten gab es auf jeden Fall in München und Ludwigsburg jeweils eine Messstelle mit Jahresmittelwerten über dem Grenzwert. Das sei eine Situation, wie sie im ländlichen Raum vor zehn Jahren vorgelegen hätte, so Messner.

Straßenverkehr macht schlechte Luft: Fossil oder elektrisch

Hauptquelle der Stickstoffoxide in Städten ist laut UBA weiterhin der Straßenverkehr. Hier seien es vor allem Diesel-Pkw, die niedrige Emissionen noch nicht im realen Betrieb auf der Straße nachweisen mussten. Durch eine fortschreitende Erneuerung der Fahrzeugflotte seien inzwischen immer mehr deutlich sauberere Fahrzeuge in den Städten unterwegs. Lokale Maßnahmen und weniger Fahrten in Folge der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie trugen in den vergangenen beiden Jahren zum deutlichen Rückgang der NO₂-Konzentrationen bei, so das UBA. Auch die Emissionen von Luftschadstoffen sind laut Amt in den letzten Jahren durchgängig gesunken. Demnach konnte Deutschland alle seine Minderungsverpflichtungen unter der europäischen ⁠NEC-Richtlinie⁠ (National ⁠Emission⁠ Reduction Commitments – Richtlinie über nationale Emissionsminderungsverpflichtungen) einhalten. Die Emissionen von Ammoniak konnten 2020 gegenüber 1990 um rund 25 Prozent vermindert werden, die Emissionen von Feinstaub und Stickoxiden sogar um ca. 60 Prozent bzw. um fast 66 Prozent gegenüber 1990, stellt man weiter fest.
 

Dringend ein Update nötig: Richtlinie 20 Jahr alt

Die Weltgesundheitsorganisation ⁠WHO⁠ hatte im September neue Leitlinien für gesunde Luft vorgelegt. Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse der letzten 20 Jahre empfiehlt die Behörde deutlich niedrigere Werte unter anderem für Feinstaub und Stickstoffdioxid.

„Laut Europäischer Umweltagentur gilt die Luftverschmutzung in den 27 EU-Mitgliedstaaten weiterhin als erhebliche gesundheitliche Belastung, die zu zahlreichen vorzeitigen Todesfällen und Krankheiten führt. Feinstaub stellt dabei die größte Bedrohung dar: In Deutschland führt die Europäische Umweltagentur für das Jahr 2019 53.800 vorzeitige Todesfälle auf eine dauerhafte Belastung mit Feinstaub zurück", mahnt Messner zum Dranbleiben. 

Derzeit würden die von der WHO neu vorgeschlagenen Werte in Deutschland fast alle überschritten. Im Herbst werde die EU-Kommission eine Änderung der Luftqualitätsrichtlinie vorschlagen. Die Grenzwerte sollen sich dabei den Richtwerten der WHO annähern. Deutschland werde diese Novellierung der Luftqualitätsrichtlinie unterstützen, kündigte Messner an. Deutschland hat sich mit der europäischen NEC-Richtlinie zu einer weiteren deutlichen Verringerung der Emissionen von Luftschadstoffen bis 2030 verpflichtet. Die hierfür geplanten Maßnahmen sind im nationalen Luftreinhalteprogramm festgelegt und werden zu einer weiteren Verbesserung der Luftqualität führen – für die Einhaltung der WHO-Werte reicht dies aber nach einer ersten Abschätzung des ⁠UBA⁠ nicht.

„Für wirklich gesunde Luft muss die Schadstoffbelastung dauerhaft und deutschlandweit weiter verringert werden. Es besteht dringender Handlungsbedarf über die bereits im Luftreinhalteprogramm festgelegten Maßnahmen hinaus. Ziel muss es sein, unsere Luft so sauber wie möglich zu kriegen. Denn die aktuellen Daten der WHO zeigen: Jedes Mikrogramm Luftbelastung weniger ist gut für unsere Gesundheit", appellierte der UBA-Chef.

Die Elektrifizierung der Antriebe bringt dabei neue Herausforderungen, weil die Emissionen beim sehr feinen PM2,5-Feinstaub zwar nicht mehr aus der Verbrennung stammen, allerdings vom Reifenabrieb, bedingt durch hohe Drehmomente sogar eher mehr. Hier müsse das Ziel sein, weniger Auto zu fahren. Zudem appellierte Messner, auf das Verbrennen von Holz und Pellets in Haushalten zu verzichten. Eine weitere Quelle sind Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung.

"In der nächsten Stufe müssen wir uns deutlich mehr anstrengen", prognostiziert der UBA-Chef.

Was bedeutet das?

Freiwillige Selbstverpflichtung, das Konzept ist mal wieder gescheitert: Erst als die Abgasgrenzwerte im Zuge des Diesel-Skandals drastisch verschärft wurden, kamen die Autohersteller in die Puschen und bauten Dieselmotoren, die auch im kalten Zustand und im Stadtverkehr relativ sauber, wenn auch nicht emissionsfrei sind. So zeigt sich mal wieder, dass Umweltnormen ein Ansporn sind und es sie braucht, wenn man vorankommen will in Sachen Klima- und Umweltschutz, der ja eigentlich "Menschenschutz" heißen müsste. Denn vor allem auch an vielbefahrenen Straßen geht die Schadstoffbelastung stark zurück. Kein Grund zum Ausruhen allerdings, wie auch UBA-Chef Messner mahnte.

Neben dem im wahrsten Sinne des Wortes "Luxus-Problem" der ach so trendigen heimischen Hippster-Holzöfen gilt es, vor allem, den urbanen Autoverkehr zu reduzieren. Denn ohne die Reduktion des Fahrzeugaufkommens generell wird eine weitere Absenkung des Feinstaubs nicht machbar sein.

Denn auch E-Autos produzieren Abbrieb, tendenziell eher mehr als Verbrenner, erst recht, wenn die Leistungsorgie der Hersteller anhält. Hier hilft dann keine technische Lösung mehr wie die SCR-Kats beim Diesel, auch wenn es erste zarte Versuche mit aktiven Feinstaubfiltern im Fahrzeugboden gibt. Im Zweifel werden Autos dadurch noch teurer, der Aufwand steigt ins Unermessliche. Besser wäre es, Emissionen, sei es nun CO2, Stickoxide oder Feinstaub, entstünden erst gar nicht. Und dafür braucht es einen echten "Systemwechsel" und statt einer bloßen Antriebswende eine echte Mobilitätswende. So anspruchsvoll die Abgasreinigung eines Ölbrenners für die Hersteller gewesen sein mag, für die Gesellschaft als ganzes steht die wahre Herausforderung erst noch an. Der Vorteil daran: Wer das Mikro-Klima in den Städten verbessert, verbessert zugleich das Makro-Klima auf dem Planeten. Es gilt, auch unseren Instrumentenkasten zu entstauben - und neu zu bestücken.

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