TU München EV-Roadshow: Dem BEV gehört die Zukunft!
Es ist ja schon bezeichnend, dass der 1950 begründete, ehrwürdige "Lehrstuhl für Verbrennungskraftmaschinen" an der Technischen Universität München (TUM) jetzt nicht mehr so heißt, sondern auf den Namen "Lehrstuhl für nachhaltige mobile Antriebssysteme" hört. Zusammen mit dem Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik von Prof. Markus Lienkamp und den Lehrstühlen für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesystem, dem Lehrstuhl für Elektrische Energiespeichertechnik sowie dem Lehrstuhl für Produktionstechnik und Energiespeichersysteme lud die TUM zu einer großen Leistungsschau auf den weitläufigen, stetig gewachsenen Campus nach Garching bei München - und markierte damit eindrucksvoll die eigene "Antriebswende".
Die durchdringt längst alle Bereiche der Forschung und koppelt die Sektoren Antriebe mit dem Bereich der Lade- und Speichertechnik. Vom Batteriezelldesign über die Zellproduktion und die Integration von Akkus und E-Antrieben ins Fahrzeug, bis hin zu Lebenszyklustest- und Gesamtfahrzeug-Nachhaltigkeitsanalysen durchleuchten die Wissenschaftler an der Exzellenzuniversität sämtliche Aspekte der elektrischen Transformation, die "komplette Wertschöpfungskette", wie die Verantwortlichen warben.
Klare Ansage: Batterieelektrisch gehört die Zukunft
Und auf der E-Mobilität liegt klar der Schwerpunkt: Denn, wie auch Prof. Lienkamp im Beisein des Bayerischen Verkehrs- und Bauministers Christian Bernreiter (CSU) unmissverständlich klarmacht - der Fokus der Transformation liegt in der Mobilität klar auf der Elektrifizierung, und zwar der batterieelektrischen, um möglichst schnell CO2- und klimaneutrale Mobilität zu erreichen. Bernreiter hatte just am Tag zuvor das EU-Votum zum Verbrennerausstieg harsch kritisiert und "Technologieoffenheit gefordert". "Die Autofahrer werden sich nicht alle in Elektroautos zwingen lassen", erklärte der CSU-Politiker. Und warnte drastisch: "Man wird erleben, dass die meisten von ihnen so lange wie möglich an gebrauchten Autos mit Verbrennungsmotoren festhalten.
Kubanische Verhältnisse in Bayern?
Ab 2035 werden die Autos auf unseren Straßen nach und nach aussehen wie auf Kuba", prophezeihte Bernreiter. Gerade im ländlichen Raum seien die Menschen auf das Auto angewiesen. Nicht jeder könne sich ein teures Elektroauto leisten, habe eine heimische Lademöglichkeit oder komme mit einer Akkuladung über den Tag. Diese Probleme habe die EU aus "ideologischen Gründen" ausgeblendet. Sein Chef Markus Söder schob noch nach: "Das generelle Verbrennerverbot der EU ab 2035 schadet dem Industriestandort Bayern und den Beschäftigten der Autobranche. Fossile Kraftstoffe zu reduzieren, ist richtig, aber neben der Elektromobilität bieten auch E-Fuels und Wasserstoff große Potenziale für klimaneutrale Mobilität", befand Söder.
Diskretes Kopfschütteln unter Fachleuten
An der TU München lässt man das an diesem Tag mit diskretem Kopfschütteln glatt abtropfen. Der Zug sei abgefahren, die Weichen in der Industrie längst gestellt und die Technologieoffenheit habe es doch lange gegeben, hört man in Gesprächen bei der Roadshow. Lienkamp wird in seiner Rede noch deutlicher: Gerade für Pkw sei der batterieelektrische Antrieb eindeutig die effizienteste Option, nur bei Lkw werde es noch eine Weile eine größere "Technologieoffenheit" brauchen, auch Lösungen wie LNG oder vielleicht Wasserstoffverbrenner.
Wobei man auch hier von der TU-Seite mit dem gemeinsam mit MAN forcierten Megawattladen - eigentlich sogar fit für bis zu 3 Megawatt Ladeleistung - demonstrierte, welche Potenziale selbst für schwere Lkw in der Elektrifizierung schlummern. Letzlich sei das eine Frage der Ladeinfrastruktur, des Netzausbaus, der Pufferspeicher und der Disposition, heißt es in der einschlägigen Session zum Thema.
E-Fuels und Wasserstoff?! Sicher nicht im Pkw!
Den von manchem FDP- und CSU-Politiker zum Heilsbringer stilisierten E-Fuels prophezeihte Lienkamp in seiner kurzen Ansprache für Pkw keine große Zukunft. Sie seien zu teuer, zu ineffizient und zu selten. Wasserstoff machte er auch einen Haken dran, zumindest für Pkw, weil ebenfalls weniger effizient als batterieelektrische Antriebe, zu teuer und energieaufwändig in der Wasserstoffproduktion. Es laufe für die Masse an Pkw eindeutig auf batterieelektrische Antriebe (BEV) hinaus, die unschlagbar effizient seien und den größten Hebel für Pkw versprächen. Daher habe sich die EU mit dem Verbrennerausstieg zurecht festgelegt und Planungssicherheit geschaffen. Vor diesem Hintergrund gehe es an der TUM umso mehr darum, Antriebe zu erforschen und bei der Entwicklung mitzuhelfen, die so nachhaltig wie möglich seien, energieeffizient und langlebig. Mindestens 400-500.000 Kilometer seien heute schon machbar, so Lienkamp. Damit die BEV-Technologie aber ihre Vorteile auch ausspielen könne und die Nachteile eines größeren CO2-Rucksacks in der Produktion schnell ablegten, sei es nötig, diese so intensiv wie möglich zu nutzen. Lienkamp verwies auf die Potenziale des Sharing-, Shuttle- und Taxieinsatzes.
"Diversität des Denkens" fördern
Es gehe eben genau darum, unterstrich TUM-Präsident Thomas Hofmann, über den Tag hinaus in die Zukunft zu blicken und technologische Entwicklungen zu antizipieren. Man müsse auch mal "verrückte Ideen" umsetzen, meinte Hofmann und verwies auf die Venture Labs der TUM, in denen aktuell 250 Gründerteams an Projekten verschiedenster Art arbeiten würden. Von den 52.000 Studierenden stammen übrigens über 40 Prozent nicht aus Deutschland, sondern aus aller Welt: Die Diversität des Denkens sei eine wichtige Quelle der Innovation, unterstrich Hofmann. Man vereine ein "Amalgam aus Talenten" auf dem Campus. Der TUM sei daran anknüpfend auch daran gelegen, systemintegrativ vorzugehen, nicht einzelne Elemente, sondern etwa auch beim Auto das Gesamtsystem zu betrachten. Längst sei man dabei, mit einem Industriepartner an Festkörperakkus zu forschen und entwickeln. Nur in der Kooperation von Forschung und Industrie sei man schnell genug. Man werde noch viel ausprobieren zur Mobilität der Zukunft in München.
Bernreiter will E-Mobilität - aber halt nicht für Alle
Minister Bernreiter warb für Bayern als Hightech-Standort, etwa bei Themen wie KI oder Supercomputer. Bayern sei aber auch Spitze in Sachen E-Mobilität. Und diese Spitzentechnologie wiederum sei für das "Autoland Bayern" auch unerlässlich, um Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand zu erhalten und zugleich die Dekarbonisierung voranzutreiben. Und dennoch sei die Vorgabe der EU ein Fehler, die beste Technologie solle sich frei durchsetzen, in zehn bis 20 Jahren werde man E-Fuels für die Bestandsflotte brauchen. Bernreiter versprach einen zügigen Ausbau der Ladeinfrastruktur, auch im Tourismus und sprach sich klar für das geplante BMW-Batteriewerk in seiner niederbayerischen Heimat aus.
Für den Verbrenner ist die "letzte Meile" angebrochen
Ob da das Thema Verbrenner denn nochmal eine Rolle spiele, fragte Bernreiter dann auch nochmal, an einem der aufwändig präparierten Stände? Prof. Malte Jaensch von eben jenem Lehrstuhl für Nachhaltige Mobile Antriebssysteme ist da gegenüber dem Minister auf seinem Rundgang ziemlich klar. Wenn man den Verbrenner zehn bis zwanzig Jahre konserviere und es dann genügend überschüssigen Strom für die Produktion von E-Fuels oder Wasserstoff gebe, dann könnte der "Internal Combustion Engine" in Fahrzeuganwendungen noch eine größere Zukunft haben. Kurz: Man sollte sich in der Politik keine allzu großen Hoffnungen machen. Für Lkw werde es noch Übergangstechnologien wie LNG brauchen, bei Schiffen komme man um flüssigen "Diesel-Ersatz" wie LNG, Ammoniak oder E-Fuels wohl nicht herum. Für Flugzeuge könnte Wasserstoff und die Brennstoffzelle das Rennen machen.
Den Zellen auf den Zahn fühlen
Bernreiter konnte sich sodann überzeugen, wie TU-Forscher den Batteriezellen auf den "Zahn fühlen", wie sich Pouch- und prismatische Zellen über den Lebenszyklus verhalten. Immer auf der Suche nach dem besten Kompromiss, damit ein Akku möglichst lange hält und möglichst leistungsfähig ist. Seit 2011 entstand an der TUM sogar eine Pilotlinie zur Fertigung von Batteriezellen, mittlerweile flankiert von einer Anlage für Feststoffakkus. Erfahren konnte man zudem, wie sich der ebenso gefürchtete wie höchst seltene "thermal runaway", das Durchgehen von Lithium-Ionen-Akkus verhindern lässt und welche Vorteile die zudem langlebigeren und weniger rohstoffkritischen Lithium-Eisen-Phosphat-Akkus hier bieten. Der beste "Kompromiss aus Energiedichte und Sicherheit" wird gesucht. Die Wissenschaftler erforschen aber auch, wie man auf Basis der Erkenntnisse zur Alterung der Zellen durch Schnellladen, Vollladen oder Entladen, die Fahrer so "konditioniert", dass sich der Lebenszyklus der Akkus auch durch den Gebrauch verlängern lässt. So wird nicht nur die Technologie, sondern auch der Fahrer "optimiert". Entwickelt hat man etwa ein diagnostisches Ladesystem mit einer integrierten KI zur Prognose der Alterung einer spezifischen Batterie.
Fahrzeugnachhaltigkeit ganzheitlich bewerten
Und weil am Schluss halt wichtig ist, was hinten raus kommt, sorgt sich eine eigene Abteilung um die "ganzheitliche Nachhaltigkeitsbewertung" von E-Fahrzeugen. CO2-Emissionen seien nicht das einzige Thema, es gehe auch um soziale und ökomische Nachhaltigkeit, meint Forscher Moritz Seidenfuß. Man demonstriert eine selbst entwickelte Matrix zum richtigen Design von Lkw-Batterien, die in Abhängigkeit von der verfügbaren Ladeleistung eben einen 600 oder einen 800 kWh großen Akku erfordern würden. Und ein Nachhaltigkeits-Benchmark unter 19 E-Autos lieferte übrigens ein nur teils überraschendes Ergebnis: Dem Tesla Model 3 folgt der Peugeot e-208 sowie der Hyundai Ioniq 5. E-Fahrzeuge kämen nach deren Analyse der Nutzungspraxis übrigens für die allermeisten der untersuchten Anwendungen in Frage, konstatieren die Wissenschaftler, auch am Land. Hoffentlich hat das der Minister noch gehört.
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