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Toyota: Absatz top, Anschluss verpasst

Während man gute Absatzzahlen verkündet, drohen die Japaner mit dem Festhalten am (teil)fossilen Antrieb und teuren Wasserstoff den Zug ins BEV-Zeitalter zu verpassen. Hinter den Kulissen wird offenbar zudem gegen schärfere Standards antichambriert. Das passt nicht zu den "hybriden" Verdiensten des Konzerns.

Teurer Irrweg: Toyota hat sich verschätzt und auf Wasserstoff gesetzt, der im Pkw wie dem Mirai II jedoch keine Zukunft haben dürfte. Jetzt versucht man umzusteuern - und Zeit zu gewinnen. Der erste, ernstzunehmende BEV mit dem Arbeitstitel bz4X soll Mitte nächsten Jahres kommen. | Foto: Toyota
Teurer Irrweg: Toyota hat sich verschätzt und auf Wasserstoff gesetzt, der im Pkw wie dem Mirai II jedoch keine Zukunft haben dürfte. Jetzt versucht man umzusteuern - und Zeit zu gewinnen. Der erste, ernstzunehmende BEV mit dem Arbeitstitel bz4X soll Mitte nächsten Jahres kommen. | Foto: Toyota
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Johannes Reichel

Die Toyota Motor Corporation hat im ersten Halbjahr 2021 weltweit fast 5,01 Millionen Fahrzeuge verkauft und vermeldet damit mit den Marken Toyota und Lexus eine deutliche Absatzsteigerung von 32,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2019, die nicht von der Corona-Pandemie und damit verbundenen Lockdowns geprägt waren, steht ein Plus von 4,5 Prozent. Verantwortlich für die positive Entwicklung seien insbesondere die Märkte in Nordamerika und China, aber auch in Europa: Mit 598.888 Fahrzeugen und 41 Prozent Zuwachs gegenüber dem Vorjahreszeitraum registrierte Toyota Motor Europe von Januar bis Juni 2021 noch höhere Wachstumsraten als weltweit. Immer mehr Kunden hätten sich dabei für die elektrifizierten Modelle entschieden, sprich für den vom Hersteller favorisierten Hybridantrieb, den mittlerweile auch Plug-in-Hybrid-Technologie ergänzt.

Lag deren Anteil am Gesamtabsatz vor einem Jahr noch bei gut einem Fünftel, stieg dieser im ersten Halbjahr 2021 auf 26 Prozent. Die hohe Nachfrage ist dabei erneut auf China, Nordamerika und Europa zurückzuführen. Allein in Westeuropa liege der Hybridanteil inzwischen bei 70 Prozent. Parallel zum Absatz kletterten auch die weltweiten Produktionszahlen: Rund 4,52 Millionen gefertigte Fahrzeuge bedeuten ein Plus von 36,3 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten 2020. Damit erreicht die Toyota Motor Corporation annähernd das Vor-Corona-Niveau.

Bisher nur ein Lexus-BEV und die Van-Leihgabe von PSA

Allerdings droht der Hersteller in Sachen batterieelektrischer Mobilität den Anschluss zu verlieren. Bisher gibt es kein BEV, lediglich die Edel-Tochter Lexus vertreibt seit kurzem den rein elektrisch angetriebenen, passblen, aber nicht revolutionären Kompakt-SUV UX300e, die Nutzfahrzeugsparte den elektrischen Proace, der ein baugleiches Pendant des PSA-Kompakttransporters mit der identischen E-Antriebstechnologie ist. Der brennstoffzellenelektrisch angetriebene, jüngst in neuer Generation und zu günstigerem Preis ab 63.900 Euro vorgestellte Mirai verkaufte sich laut KBA in diesem Jahr in lediglich 154 Exemplaren und spielt für die Stückzahlen so gut wie keine Rolle. Jüngst kommunizierte der Hersteller, man setze für die Zukunft auf einen breiten Antriebsmix und eben nicht nur auf batterieelektrische Antriebe. So sollen auch die Verbrenner weiter optimiert werden. Wasserstoff als Kraftstoff sowie Alternativen wie E-Fuels aus Wasserstoff und Biokraftstoff könnten zu einer Verringerung beitragen, so die Überzeugung.

„Wir investieren weiterhin in verschiedene CO2-arme Technologien und Innovationen, um die Bedürfnisse unserer Kunden in jedem Land und in jeder Region zu erfüllen“, bekräftigte James Kuffner, Chief Digital Officer von TMC die Strategie, neben reiner Elektromobilität auch Hybride weiterzuführen im Mai.

T&E-Ranking sieht Toyota ziemlich schlecht aufgestellt

Das klingt nicht nur verhalten, sondern setzt sich offenbar auch immer häufiger in politisches Agieren um. Nicht nur die NGO T&E bescheinigte dem japanischen Konzern jüngst, er sei schlecht für die elektromobile Zukunft gewappnet. Bei einem Ranking zur Zukunkftsfähigkeit schnitten BMW, Jaguar Land Rover, Daimler und Toyota am schlechtesten ab, mit geringen Absatzzahlen von batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) mit kurzer Reichweite, fehlenden ambitionierten Ausstiegszielen, einer fehlenden klaren Industriestrategie. Jetzt konstatierte auch die auf Klimaeffekte von Unternehmen spezialisierte Plattform InfluenceMap.

Verzögern schärferer Standards

Laut einem Bericht von Spiegel Online setze sich der Konzern laut der Plattform weltweit "gegen neue Regularien für strengere Emissions- und Verbrauchswerte" ein. Entsprechend schlecht fällt die Bewertung mti einem "D" aus, die schlechteste Einstufung aller Autohersteller. Auch die New York Times listete jüngst die Einflussnahmen des Auto-Giganten auf, im US-Kongress agitierte der Toyota-Manager Chris Reynolds dem Bericht zufolge bei Kongressmitarbeitern gegen einen schnellen Switch zur E-Mobilität und für stärkere Förderung von Hybriden und Fuel-Cell-Fahrzeugen.

Die Japaner befinden, dass die Politik zu wenig beachte, wie der Übergang speziell gestaltet werden solle von einer "Gegenwart, in der 98 Prozent aller Pkw und Lkw zumindest teilweise von Verbrennungsmotoren angetrieben werden, hin zu einer vollständig elektrifizierten Mobilität der Zukunft", so der Hersteller in der New York Times. Die Zeitung zeigte auch auf, wie der Konzern den Klimawandel-Leugner und Ex-US-Präsidenten Donald Trump unterstützte, um die schärfere Abgasgesetzgebung in Kalifornien zu torpedieren, nebst einem 2020 ausgehandelten Kompromiss. Auch von hohen Spenden an republikanische Abgeordnete ist die Rede, die den menschgemachten Klimawandel leugnen und die jüngsten US-Wahlen nicht anerkennen. Die NY Times befindet, Toyota habe sich heimlich zum stärksten Widersacher des Wandels hin zur batterielektrischen Mobilität entwickelt. Spiegel Online listet weiter auf, wie der Konzern auch in Brüssel versucht habe, schärfere EU-Regularien abzumildern und beruft sich auf Berichte diverser NGOs. Auf eine Anfrage in der Europazentrale erhielt das Medium die Antwort:

"Wir sind überzeugt, dass mehrere technische Lösungen nötig sind, um die CO2-Emissionen schneller zu reduzieren. Daher sollten die Technologien nicht zu früh ausgeschlossen werden. Toyota investiert in eine Reihe von Technologien, darunter Hybrid, Plug-in-Hybrid, batterielektrische und mit Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge".

Neue Plattform für reine Stromer soll Mitte 2022 anlaufen

Immer mehr kristallisiert sich allerdings heraus, dass für Pkw der batterielektrische Antrieb die beste Option ist. Auch Hersteller wie der Hyundai-Konzern, Volkswagen, Renault oder jüngst auch die Stellantis-Gruppe setzten für das Volumengeschäft auf BEVs und Stellantis allenfalls in Nischenanwendungen bei leichten Nutzfahrzeugen auf die Brennstoffzelle. Immerhin: Bis 2025 will auch Toyota in Europa mehr als 55 elektrifizierte Produkte anbieten, darunter mindestens zehn Null-Emissions-Fahrzeuge. Den Vorreiter dürfte unter der Lexus-Marke der LF-Z Electrified darstellen, der erstmals auf einer eigenständigen EV-Plattform basiert. Das 4,88 Meter Lange und dann doch 1,60 Meter hohe und stattliche 1,96 Meter breite Crossover-Fahrzeug soll mittels eines 90-kWh-Lithium-Ionen-Akkus eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern erzielen. Geladen wird mit bis zu 150 kW Leistung im DC. Für rasante Beschleunigung sorgen E-Motoren mit 400 kW Leistung und 700 Nm Drehomoment. Ende vergangenen Jahres gab Toyota einen ersten Ausblick auf ein BEV-SUV mit dem sperrigen Arbeitstitel bz4X auf gleicher Basis, der nun wohl schon Mitte 2022 auf den Markt kommen soll. 

Was bedeutet das?

Vom Paulus zum Saulus - so schnell kann das gehen. Der einstige Öko-Antriebspionier Toyota hat offenbar den Anschluss verpasst und versucht jetzt, Zeit zu gewinnen. Dabei hatte man die besten Voraussetzungen, als man früh erkannte, dass die Diesel-Technologie im Pkw keine Zukunft hat und die Abgasreinigung viel zu aufwändig wird. Der Diesel-Skandal bestätigte diese Strategie dann auf für die Branche fatale Art und Weise. Stattdessen widmeten sich die Japaner seit über 20 Jahren der Hybridisierung der Antriebe und machten den geschlossenen Hybrid massentauglich. Dass der robuste, sparsame und erschwingliche Doppel-Antrieb auch von Taxi-Unternehmen mittlerweile favorisiert wird, war dann im Prinzip der Ritterschlag. Doch dann wurden die Weichen falsch gestellt: Der Glaube, dass der Wasserstoffantrieb im Pkw noch eine großvolumigere Zukunft hat, den dürfte Toyota mittlerweile ziemlich solitär haben. Der "Champagner" unter den Kraftstoffen ist zu kostbar und energieintensiv in der Produktion, als dass man ihn in leichten Autos verschwendet. Er wird benötigt in Trucks, Schiffen oder Flugzeugen.

Common sense in der Branche ist mittlerweile, dass der BEV die Zukunft ist - und diese Zukunft hat bei Hersteller wie Tesla, Renault oder dem Hyundai-Konzern, zuletzt auch bei Volkswagen längst begonnen. So wirkt das sture Festhalten der Japaner an der "Technologieoffenheit" weltfremd und fast verzweifelt. Man kann nur hoffen, dass sie in Tokyo den Schalter noch finden und schneller umlegen. Auf den Verdiensten um die Reduzierung der Emissionen durch die Hybridtechnologie hat man sich vielleicht zu lange ausgeruht. Sie liegen aber bald in der Vergangenheit.  

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