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Tour im Ford Transit Custom PHEV: Wanderer zwischen Antriebswelten

Mit einem spannenden Konzept zwischen Verbrenner und Vollelektro will der Hersteller urban orientierten Kunden den Einstieg in die Elektromobilität erleichtern. Dennoch wird es schwer, den Aufpreis zu amortisieren. Da ist der Mild-Hybrid der erschwinglichere Step, der schon gut Sprit sparen soll.

Kaum zu erkennen: Den Custom PHEV identifiziert man allenfalls an der Klappe vorne im Stoßfänger, die den Stromanschluss verbirgt. | Foto: Ford
Kaum zu erkennen: Den Custom PHEV identifiziert man allenfalls an der Klappe vorne im Stoßfänger, die den Stromanschluss verbirgt. | Foto: Ford
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Johannes Reichel

Ford fährt die Kompromisslinie – Elektrifizierung ja, aber erstmal mit der Hybridisierung der Verbrenner. Als „bodenständige“ Marke wolle man eben auch ein bodenständiges, sprich erschwingliches Angebot machen, heißt es zur Begründung dieser im Segment der leichten Nutzfahrzeuge „alleinstehenden“ Strategie. Mit dem Transit Custom/Tourneo Custom als Plug-In-Hybrid sowie dem Transit mit 48-Volt-Mild-Hybrid-Unterstützung rollen jetzt die ersten Teilzeitstromer der Marke auf den Markt, bis 2021 ein vollelektrischer Transit folgen soll – und was möglicherweise auf Basis des MEB in Kooperation mit Volkswagen da noch kommen mag. Lange angekündigt und auch schon lange in Feldtests in London, Valencia und zuletzt Köln eingesetzt, hat der Custom PHEV jetzt finale Form angenommen.

Der Drei-Liter-Transporter wird Realität

Wobei Plug-In-Hybrid ein wenig in die Irre führt. Denn eigentlich ist der elektrisierte Kompakttransporter ein Elektroauto mit einem jetzt auf 92,9 kW erstarkten Elektromotor, den eine laderaumneutral verbaute, nur 13,6 kWh große Lithium-Ionen-Batterie speist, die wiederum von einem 1,0-Liter-Ecoboost-Benziner als Range-Extender angetrieben wird, sprich ein serieller Hybrid. Für 56 rein elektrische Kilometer soll das genügen, die Antriebskombi den Van zu einem 3,0-Liter-Transporter machen: 2,97 l/100 km gibt der Hersteller für den umgerechneten NEFZ-Verbrauch an, obwohl das Fahrzeug bereits im neuen WLTP-Zyklus homologiert wurde. In der Praxis seien die gewerblichen Anwender, die die Pilottests durchführten, aber zu 75 Prozent der urbanen Fahrten und die Hälfte auch im erweiterten Umland rein elektrisch unterwegs gewesen, was die CO2-Bilanz freilich weiter verbessert.

Lange Leitung: Laden dauert zwischen knapp drei und gut vier Stunden

Nicht ganz unwichtig ist da, dass der PHEV über die Haushaltssteckdose binnen 4,3 Stunden und per AC-Lader in 2,7 Stunden wieder aufgeladen ist. Für einen Schichtbetrieb würden sich Flottenbetreiber einen Schnelllader wünschen, das ist aber zum Start nicht vorgesehen. Ebenso wenig wie diverse, eher Langstrecken-orientierte Fahrerassistenzsysteme: Zu den laut Preisliste „nicht verfügbaren“ Optionen im PHEV zählen der adaptive Tempomat ebenso wie die aktive Spurhaltung, der Tot-Winkel- oder der Querverkehrswarner. Auch eine Anhängekupplung ist für dieses Fahrzeug nicht vorgesehen. Und den Speedlimiter bis 130 km/h gibt es und braucht es nicht: Bei 120 km/h ist eh Schluss.
 

Der Spatzendurst hat seinen Preis: ab 48.000 Euro

Die große Frage war, wie Ford den Preis setzen würde für dieses interessante Konzept, das sich zwischen konventionell und vollelektrisch positioniert. Beim Blick in die Preisliste muss man freilich erstmal kurz schlucken: 48.000 Euro netto ruft der Hersteller mindestens für den nur als Kastenwagen L1 erhältlichen Transporter mit sechs voll nutzbaren Kubikmeter Volumen im Kasten auf. Wobei man das in Relation setzen muss zu reinen Elektrotransportern wie dem Renault Master Z.E., der bei 59.900 Euro als freilich geräumigerer L1H1 startet oder gar dem VW e-Crafter, der als L2H2 mit 10,5 Kubik-Kasten bei 69.900 loslegt. Am ehesten vergleichbar wäre vielleicht der Renault Kangoo als Maxi-Version (3,8 Kubikmeter), der bei 31.000 netto liegt, inklusive Batterie.

Leichtes EV-Package: 1.100 Kilo Nutzlast

Dank kleiner Batterie ist der PHEV natürlich auch bei der Nutzlast ein großer und mindestens auf Niveau mit den elektrischen 3,5-Tonnern: 1.100 Kilo soll der Custom wegpacken, mehr als ein e-Crafter und ein auf 3,1 Tonnen beschränkter Master Z.E. Wobei man immer wieder hört, die Nutzlast sei in diesem Einsatzfeld nicht der entscheidende Faktor. Trotzdem: Im Zweifel beruhigend, eine Reserve zu haben.

„Das Interesse unserer Kunden an Elektrofahrzeugen ist groß. Aber wir wissen auch, dass es Bedenken bezüglich der Ladeinfrastruktur und der Reichweite gibt. Der Transit Custom Plug-in-Hybrid kombiniert die Vorteile des emissionsfreien Elektroantriebs mit der Freiheit, auch längere Fahrten absolvieren zu können“, befindet Ian Porter, Leitender Ingenieur des Transit Custom-Programms von Ford Europa.

Leise Partie: Der Dreizylinder trommelt diskret im Hintergrund

Soweit die Theorie, die ja bekanntlich grau ist. In der Praxis fährt sich der Custom PHEV erstaunlich unkompliziert und von der Charakteristik antrittsstark und angenehm wie ein Elektroauto sich eben fährt. Zügig, wenngleich nicht so performant wie ein Nissan eNV200 oder ein VW e-Crafter ist man auf Stadttempo und surrt dann leise dahin, 45 bis 50 Kilometer sind zu schaffen. Wenn hier etwas hintergründig rumort, dann der Otto-Range-Extender, der sich nach gut 45 mehrheitlich und konsequent elektrisch gefahrenen Kilometern mit diskretem Dreizylinder-Trommeln einklinkt.

Wobei: Man muss schon ziemlich genau hinhören, wenn man wissen will, was da gerade unter der Stummelhaube passiert. Im Standardmodus lädt der Range-Extender die Batterie im Folgenden immer gerade so viel auf, dass man, sofern keine höheren Leistungsanforderungen gefragt sind, wieder dahinstromert. Freilich, der Verbrauch steigt jetzt von 1,2 l/100 km auf am Ende unserer 67-Kilometer Überland-Autobahn-Stadt-Tour auf 4,6 l/100 km.

Bußgang: Batterie-Laden in Fahrt

Wer viel elektrisch fährt und brav nachlädt, der kann also unter Umständen einen „Business Case“ aus diesem Modell machen, selbst bei dann doch üppigen 18.000 Euro Mehrpreis zum 340er-Diesel mit 130 PS laut Liste. Selbst 4,6 l/100 km, das ist für sich betrachtet dennoch ein ziemlicher Spatzendurst für einen mit 600 Kilo beladenen 3,0-Tonnen-Transporter mit Benzin-Motor. Wer jetzt unbedingt die Batterie geladen haben muss, weil er eine Halbtagesschicht Lieferverkehr zu absolvieren hat, der hätte sich das entweder vorher überlegen müssen – und entsprechend den Modus „Save EV“ wählen müssen.

Oder er muss mit einem üppigen Verbrauch von gut 11 l/100 km leben. Denn so viel Tribut fordert die Doppelbelastung dann doch von dem vorbildlich nach Euro 6dTemp Evab saubern 1,0-Liter-Otto-Motörchen, das mit einigen Anpassungen etwa bei der Abgasreinigung oder der Einbaulage (längs statt quer) von den Pkw übernommen wurde.

Gummiband-Gefühle: Wenn die Batterie leer ist

Gewöhnungsbedürftig ist auch das Ansprechverhalten im „Batterieleer“-Modus. Beschleunigen fühlt sich ein bisschen an, als würde man von einem Gummiband gezogen, ohne klar definierten Druckpunkt und ziemlich zäh. Kein Wunder, die Kraftübertragung an die Vorderräder übernimmt ja ein 1-Gang-Getriebe, alles wie in Watte gepackt. Überhaupt ist die Autobahn nicht das Terrain dieses Fahrzeugkonzepts. Man kann das zwar machen, wenn man mal einen Auftrag in einer anderen Stadt hat. Spaß macht das aber nicht.

Fast schon ein Schnäppchen: Der neue Top-Diesel mit Mild-Hybrid

Und ist kein Vergleich etwa zu der souveränen und jederzeit nachdrücklichen Power, die der fast sportiv zu fahrende Custom mit neuer 185-PS-Top-Motorisierung als Mild-Hybrid-Diesel an den Tag legt, der bei etwa 39.000 Euro liegt. 415 Nm Drehmoment bei 1750/min lassen aber auch keine Fragen offen. Keine Frage, das ist ein schon eher übermotorisierter Eil-Frachter für Nachtexpressdienste, bei unseren 6,9 l/100 km auf der moderat gefahrenen Überland-Etappe wird es dann aber nicht bleiben.

Vom Mild-Hybrid im kleinen wie im großen Transit bekommt man übrigens überhaupt nichts mit, das läuft komplett im Hintergrund ab. Dieses Feature wird aber eher in der Stadt seine Wirkung entfalten, bleibt dafür mit einem Aufpreis von etwa 700 Euro aber in einem sehr erschwinglichen, schnell amortisierbaren Bereich. Ford verspricht im reinen Stadtbetrieb bis zu acht Prozent Spritersparnis, auf der Überland-Runde war am Bordcomputer kein Unterschied zum reinen, etwas stärkeren 185-PS-Diesel zu bemerken: 8,4 l/100 km wiesen die Bordzähler aus für den Großraumkastenwagen in Hochdach-Konfiguration.

Der Transit mausert sich weiter: Mild-Hybrid, konnektiv und mit FAS

Augenfälliger im neuen großen Transit ist dagegen schon das deutlich hochwertigere, praktischere Interieur im Stile des Custom, mit jeder Menge gut nutzbarer Fächer, bequemen und angenehm bezogenen Sitzen, einem gut bedienbaren und zeitgemäß konnektiven Sync3-Navi und vor allem auf den jüngsten Stand gebrachter Fahrerassistenz: Mit dem gut funktionierenden aktiven Fahrspurassistenten und dem Querverkehrswarner sowie der Not zieht der Transit mindestens mit dem VW Crafter gleich, mit der Notbremse samt Fußgängererkennung auch nachts, dem adaptiven Tempomaten mit intelligenter Tempoanpassung (funktioniert wirklich recht zuverlässig) sowie dem jüngsten Feature des „Eco-Guides“, der dem Fahrer auf den Navigationsdaten basierte Fahrtipps etwa zum frühzeitigen Abbremsen vor einer nach der Kurve anstehenden Kreuzung gibt, setzt Ford den Blinker gegenüber dem neuen Kooperationspartner klar links.

Ford bleibt am Drücker: Der Transit BEV kommt schon 2021

Überhaupt ist es ein imposantes Package, was der Hersteller da zum neuen Modelljahr auffährt. Weitere Derivate sind ebenso in der Pipeline, wie der vollelektrisch angetriebene Transit BEV, der noch auf eine komplett von Volkswagen unabhängigen Plattform entwickelt wird und 2021 die Frage nach der Berechtigung des VW e-Crafter vehement stellen dürfte. Generell markiert Ford bei den leichten Nutzfahrzeugen sein Revier – beflügelt von steigenden Verkaufszahlen – und reklamiert kaum verholen die Führungsrolle in der neuen Brüderschaft mit Hannover. To be continued …

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