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Tour-Check Hyundai Kona Electric: Auf dem Boden der Tatsachen

Die Elektro-Antreiber aus Korea bewerben den E-Kona mit üppigen Reichweitenversprechen von 449, neuerdings gar 484 Kilometer. Unser Trip vom Euro-Werk Nosovice bis Wien rückte das ein wenig zurecht.

Mittel-Streckler am Zwischenziel: VM-Redakteur überprüfte die Reichweite des Kona Electric von Nosovice bis nach Wien. Dort stieg er in die "Elektrische" gen München um - und übergab an den nächsten Fahrer, bei 57 km Restreichweite. | Foto: Hyundai
Mittel-Streckler am Zwischenziel: VM-Redakteur überprüfte die Reichweite des Kona Electric von Nosovice bis nach Wien. Dort stieg er in die "Elektrische" gen München um - und übergab an den nächsten Fahrer, bei 57 km Restreichweite. | Foto: Hyundai
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Johannes Reichel

484 Kilometer - wer bietet mehr?! In dieser Preis- und Güteklasse derzeit wohl kein anderer Hersteller. Selbst ein viel teurerer Tesla 3 hätte da Probleme mitzubieten. Fast 500 Kilometer ein elektrisch weit fahren, die Koreaner von Hyundai wissen genau, wo für die Kunden die "pain points" liegen beim Thema Elektromobilität - und arbeiten sukzessive an weiterer "Schmerzbefreiung". Das jüngste Update des mittlerweile auch in Europa in Produktion gestarteten Elektro-Bestsellers brachte eben jenen kleinen Zuschlag um 35 Kilometer, die in manchen Situationen "kriegsentscheidend" sein können.

Dafür sorgen besonders sparsame Michelin-Spritsparreifen statt der vormaligen Nokian-Pneus und diverse, vom Hersteller nicht näher spezifizierte Modifikationen am Fahrwerk. In Summe soll der Verbrauch von 15,4 unter die magische 15er-Marke fallen - und nur mehr 14,7 kW/h betragen. Was für ein Hochdachgefährt schon ziemlich sensationell wäre. Nur der "koreanische Windhund" Ioniq aus dem gleichen "Stall" wäre mit 13,8 kWh noch effizienter unterwegs. Also, unser Modell mit "alter" Konfiguration soll 449 km schaffen, im realitätsnäheren WLTP-Zyklus wohlgemerkt.

Ein Verdacht: Ist  WLTP bei Stromern der NEFZ bei Verbrennern?

Doch wie realitätsnah ist der bei Elektrofahrzeugen wirklich? Unsere Erfahrung lehrt - und wird einmal mehr bestätigt: Bei Elektromodellen könnte der WLTP sein, was der NEFZ bei den Verbrennern war - doch um einiges von der Fahrwirklichkeit entfernt. Genauer gesagt, um 90 Kilometer. Bei 313 Kilometer schlugen wir aus dem um eine Kona-Electric-Schleife ergänzten tschechischen Hyundai-Werk Nosovice kommend am Hauptbahnhof in Wien an, mit einem Rest von 57 km in den Akkus. Nach einer durchaus ökonomischen Fahrt mit moderatem Autobahntempo, sanfter Heizung, im Eco-Modus und viel Überlandbetrieb, schon stark beeinträchtigt vom Grenzchaos in der aufziehenden Corona-Krise. Unser kleiner Übergang auf der Landstraße war aber noch völlig unbehelligt davon und so stromerten wir unaufhaltsam gen Donau-Metropole.

Fehl-Anzeige: Ist hier der kleine Akku verbaut?

Der Reichweitenstand am Anfang sorgte gleich mal für Irritationen: Wie, nur 363 Kilometer, haben wir hier etwa den kleinen Akku verbaut? Ein Blick in den Fahrzeugschein sorgte aber für Klärung: Nein, das ist sehr wohl der 64 kW-Speicher, nicht die kleinere 39,2 kWh-Variante, die 289 Kilometer weit reichen soll. Hm, liegt das jetzt am berühmten Algorithmus, der die Fahrweise der (dann vielleicht recht sportlich orientierten) Vorpiloten am Kona-Steuer "einpreist"? Und steigt die Zahl also im Lauf der Fahrt? Das ist nicht der Fall. Der Zähler hält stur "Spur" und zählt, immerhin das beherrschen die "Hochrechner" aus Korea, schön kontinuierlich und gut verlässlich runter. Nur halt nicht von so weit oben wie behauptet ...

Real-Zuschlag: 17,7 kWh/100 km, die 400er-Marke erreicht man nicht

Bei einem realen und reellen Verbrauch von 17,7 kWh/100 km über unsere 313-Kilometer-Mittelstrecke wären noch 57 Kilometer in den schön glattflächig unterflur verbauten Lithium-Polymer-Speichern verfügbar. Genug für den Folge-Fahrer, der von uns quasi den Staffelstab übernimmt, um bis zur nächsten Schnellladesäule zu gelangen. Mit der sollen die Energieträger dann bei 50 kW binnen 75 Minuten wieder zu 80 Prozent befüllt sein. Wer das Glück hat, eine noch stärkere Anlage zu erwischen, kann dank 100-kW-Lader im DC mit gut 50-minütiger "Betankung" bis auf 80 Prozent rechnen. All das kann man sich auch über das Blue-Link-System auf das Smartphone holen, mit dem man dann vieles aus der Ferne steuern kann, was das elektromobile Leben erleichtern. Nur die Reichweite hochregeln, das kann auch die schick gemachte Blue-Link-App nicht.

Alles schön und gut also, nur für uns in der aktuellen Situation nicht hilfreich: Immerhin, bis Wien-HBF, da sind wir nach ein paar Landstraßenschleifen und in Anbetracht der zuverlässigen Zählung sicher, wird es reichen. Und es kommt ja auch nicht nur auf das "wie weit" an, sondern auch auf das "wie".

Ein tadelloses Paket: Genug Platz, hohe Qualität, tolle Performance

Und da lässt der Kona wie gewohnt nichts anbrennen: Bequeme Sitze, gute Verarbeitung, modernes Infotainment, tolle Krell-Soundanlage, klare Bedienung (bis auf das Nullen des Bordcomputers) viel Platz für vier bis fünf nebst ordentlichem 332-Liter-Kofferraum auf - man muss es sich vergegenwärtigen - nur 4,18 Meter Länge, also klassisches Golf-Format, das auch in der Höhe mit 1,57 Meter verbrauchsdienliches Maß hält. Die Federung könnte etwas geschmeidiger sein, die Lenkung etwas präziser. Dafür fährt er sich sehr wendig und übersichtlich, der kleine Strom-SUV, zudem unerschütterlich verwindungssteif - und die Performance passt: Der Permanentmagnet-Synchronmotor mit seinen 204 PS zoomt einen mit ansatzlos anliegenden 395 Nm wie von der Tarantel gestochen auf Tempo. Gut für den Verbrauch, dass in Tschechien eh bei 130 km/h Schluss ist, die wir sowie so nur kurzphasig erreichen. Schließlich wollen wir weit reichen. Wenn auch nicht ganz so weit wie versprochen.

Was bedeutet das?

Auch für die ambitionierten Strom-Streber von Hyundai wachsen die Bäume nicht in den Himmel: Das zeigt unser Tour-Check deutlich. Und auch wenn der Kona Electric ein von der Machart her deutlich gründlicher durchentwickeltes Fahrzeug ist und über eine realistische und stabile Reichweitenanzeige verfügt, so entscheidend viel weiter als ein Nissan Leaf e+ mit 62 kWh-Akku kommt der Koreaner dann auch wieder nicht: Es mögen vielleicht dreißig, vierzig Kilometer sein. Und in den WLTP-Werten sind eigentlich alle Stromer wie der Kona auch 20 Prozent von den Realdaten auf der Straße entfernt.

Trotzdem sollte man der Tesla-Versuchung wiederstehen, die Reichweite mit bloßer Akku-Kapazität im wahrsten Sinne "um jeden Preis" erhöhen zu wollen: Das treibt den Preis, das Gewicht und den CO2-Fußabdruck, ist also kontraproduktiv.

Nein, im Grunde stimmt die Ausgangsthese von BMW beim i3 immer noch: Akku so klein wie möglich, um eine gute Gesamtumweltbilanz zu haben. Aber viele Kunden wollen nun mal die Sicherheit einer (im Alltag mehr theoretischen) hohen Reichweite.

Es ist wie bei den Verbrennern: Es geht nichts über Effizienz. Auch die E-Fahrzeuge müssen, so energieeffizient und überlegen sie gegenüber konventionellen Antrieben auch sind, noch effizienter mit der Energie umgehen.

Die ist umso kostbarer, als sie eben schwerer zu speichern ist als in einem Liter Sprit. Dass Hyundai jetzt schon mit Spritsparreifen versucht, die Reichweite zu optimieren, zeugt davon, dass der nächste große Schritt erst mit der nächsten Generation Akkus zu erwarten ist. Und das könnte jetzt etwas dauern. Einstweilen haben die Koreaner schnüren die Koreaner, Kia mit eingeschlossen, derzeit das beste Elektro-Paket, auch in Sachen Preis-Leistung. Der Konzern aus Fernost gibt den Ton an, über ein breites E-Portfolio von gleich vier lupenreinen Volks-Stromern. Dafür gebührt ihnen höchster Respekt. Aber auch in Korea wird nur mit Wasser gekocht.

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