Tesla Grünheide: Fast 80 Strafanzeigen nach Protesten - Entscheidung zu Erweiterung steht an
Der Protest gegen den US-Elektroautobauer Tesla geht nach mehreren Aktionstagen in Grünheide bei Berlin voraussichtlich weiter. Ein Protestcamp gegen die einzige europäische Autofabrik von Firmenchef Elon Musk wurde am Sonntag aufgelöst, einige Bündnisse kündigten aber weitere Aktionen an oder wollten sich die Möglichkeit vorbehalten. Die Polizei nahm seit Mittwoch 76 Strafanzeigen auf und 23 Aktivistinnen und Aktivisten vorübergehend in Gewahrsam, wie sie mitteilte. Fünf Aktivisten davon wurden einem Haftrichter vorgeführt, alle Personen aber schließlich aus dem Gewahrsam entlassen. Die Anzeigen gingen laut Polizei vor allem auf Verstöße gegen das Versammlungsgesetz, Nötigung im Straßenverkehr, Widerstandshandlungen, Landfriedensbruch und Sachbeschädigungen zurück.
Aktivisten wollten vor Umweltgefahren warnen
Mit den Aktionstagen wollten die Aktivisten vor Umweltgefahren warnen, die Tesla zurückweist. Sie protestieren auch gegen die geplante Erweiterung des Fabrikgeländes, über die am Donnerstag voraussichtlich die Gemeindevertretung Grünheide berät. In dem Autowerk in Brandenburg, das seit rund zwei Jahren Elektroautos herstellt, arbeiten etwa 12 000 Menschen. Ein Teil liegt im Wasserschutzgebiet. Am Samstag war es bei einem Protestzug zu Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und der Polizei gekommen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot in Grünheide.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kritisierte Inhalt und Form des Protests. In Grünheide sei die Grenze des Protests der Grenzzaun des Betriebsgeländes. Dort ende der Protest, es beginne die Strafbarkeit, sagte Habeck der Funke-Mediengruppe. In der Sache sei der Protest falsch, weil er sich gegen jede Autofabrik richte.
„Niemand kann aber ein Interesse an Deutschland ohne Automobilproduktion haben. Wir werben darum, dass die Autos der Zukunft hier produziert werden - und Arbeitsplätze und Wertschöpfung hier gehalten werden. Und solche Autos baut eben auch Tesla“, sagte der Minister.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) dankte der Polizei aus mehreren Ländern. Der Einsatz sei wichtig gewesen, damit die Versammlungen überhaupt durchgeführt werden konnten und es trotz einiger Verletzungen weitgehend friedlich geblieben sei.
Proteste gehen weiter
Zur Sitzung der Gemeindevertretung am Donnerstag will das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ präsent sein. Der Protest gegen die Erweiterung des Tesla-Werks gehe weiter, sagte Sprecherin Esther Kamm. Die Initiative „Tesla stoppen“ will ebenfalls weitermachen. Die „Wasserbesetzung“ am Bahnhof Fangschleuse bleibe bestehen, sagte Sprecherin Caro Weber. Die Initiative „Disrupt Tesla“ („Tesla stören“) hält sich weitere Proteste offen. Sollte die Gemeindevertretung entgegen der Bürgerbefragung für eine Erweiterung stimmen, komme "Disrupt Tesla" erst recht wieder, sagte Sprecherin Lucia Mende.
Auseinandersetzungen bei Protest-Demo
Am Samstag machten rund 2000 Menschen nach Angaben des Bündnisses „Tesla den Hahn abdrehen“ bei einem Protestzug zur Autofabrik mit. Die Polizei sprach von mehr als 1000 Teilnehmern. Dabei gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei, Feuerwerkskörper wurden gezündet. Bei der Auseinandersetzung hätten die Beamten „einfache körperliche Gewalt“ angewendet, teilte die Polizei mit. Ein Mensch wurde in Gewahrsam genommen. Ein Beamter wurde leicht verletzt. Die Demonstration verlief ohne größere Störungen.
Am Freitag hatte es Tumulte am Rande des Tesla-Werksgeländes gegeben. Mehrere Aktivisten versuchten, auf das Gelände vorzudringen, die Polizei stoppte dies - und setzte dabei Pfefferspray und Schlagstöcke ein.
„Diesem System ist es egal, ob Tesla, VW oder Mercedes – Autokonzerne und ihre politischen Befürworter sind verantwortlich für den Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen“, sagte die „Disrupt Tesla“-Sprecherin.
Sie warf der Polizei gewaltsames Vorgehen vor. Das Bündnis „Tesla den Hahn abdrehen“ sieht Gefahren für das Grundwasser und fordert eine Abkehr vom „klimaschädlichen Individualverkehr“. Die Bürgerinitiative Grünheide ist der Ansicht, Tesla und die Brandenburger Landesregierung beachteten die Interessen der Menschen in der Region nicht genug.
Geplante Erweiterung ist umstritten
Tesla will sein Gelände erweitern, um einen Güterbahnhof, Lagerfläche und einen Betriebskindergarten zu bauen. Dafür hätten nach früheren Plänen rund 100 Hektar Wald gerodet werden müssen. In einer Befragung hatte sich aber eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger von Grünheide gegen die Erweiterung ausgesprochen. Die Gemeinde schlug daraufhin vor, dass nur 50 Hektar Wald gerodet werden. Am Donnerstag beraten die Gemeindevertreter über den Bebauungsplan. Der Autobauer will auch die Produktion ausbauen - von 500 000 Autos im Jahr, die noch nicht erreicht sind, auf eine Million Autos. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hofft auf einen Ausbau. Brandenburg habe ein großes Wirtschaftswachstum, sagte Scholz am Samstag bei einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) mit Blick auf Tesla.
„Ist zwar umstritten, wie wir merken, aber ich hoffe, sie wird ihre Produktion noch weiter verdoppeln.“
Elon Musk wundert sich
Tesla-Chef Elon Musk zeigte sich irritiert über die Proteste.
„Es passiert etwas sehr Seltsames, da Tesla als einziger Autokonzern angegriffen wurde!“, schrieb er auf dem Portal X.
Das Unternehmen wies Vorwürfe zur Verschmutzung von Wasser stets zurück und verwies darauf, dass der Wasserverbrauch unter dem Branchendurchschnitt liege. Das Unternehmen hatte am Freitag nicht produziert - das lag nach Angaben einer Sprecherin aber am Brückentag nach dem Feiertag Christi Himmelfahrt. Nach einem Brandanschlag auf einen Strommast musste Tesla im März die Produktion in Grünheide für einige Tage stoppen. Zur Tat hatte sich eine linksextremistische Gruppe bekannt.
Entscheidung über Erweiterung rückt näher
Nach Protesten zum Teil mit Ausschreitungen gegen US-Elektroautobauer Tesla in Grünheide rückt die Entscheidung über die geplante Erweiterung des Fabrikgeländes näher. Die Vertreter der Ostbrandenburger Gemeinde befassen sich damit am Donnerstag. «Es wird eine abschließende Beratung und Beschlussfassung geben», sagte die Vorsitzende der Gemeindevertretung, Pamela Eichmann (SPD), am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Aus ihrer Sicht sei offen, wie die Abstimmung ausgehe. Tesla will sein Gelände erweitern, um einen Güterbahnhof und Lagerflächen zu bauen - doch das ist sehr umstritten.
Die Gemeinde südöstlich von Berlin mit rund 9200 Einwohnern entscheidet über den Bebauungsplan und damit darüber, ob das Erweiterungsvorhaben des US-Autobauers Realität werden kann. Dafür sollten nach früheren Plänen mehr als 100 Hektar Wald gerodet werden. In einer Befragung der Bürgerinnen und Bürger von Grünheide stimmten im Februar fast zwei Drittel gegen die Erweiterung. Das Votum ist nicht bindend, aber ein Signal. In einem neuen Entwurf schlug Bürgermeister Arne Christiani (parteilos) vor, dass nur noch fast 50 Hektar Wald gerodet werden und 70 Hektar erhalten bleiben. Bei der Entscheidung der 19 Gemeindevertreter geht es auch um Straßen zur Anbindung an den Güterbahnhof.
Bürgermeister sieht Rückenwind
Der Bürgermeister sieht Rückenwind für den Vorschlag. Er verwies am Montag darauf, dass der Hauptausschuss einem Kompromiss zur Erweiterung mit weniger Waldrodung mehrheitlich zugestimmt habe. Dieser Ausschuss beschäftigt sich unter anderem mit Finanzfragen. «Mehr Wald zu erhalten, das ist der Kompromiss», sagte Christiani der dpa. Damit reagiere der geänderte Bebauungsplan auf die Einwohnerbefragung. «Das hat im Hauptausschuss eine große Akzeptanz.»
Der Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg - aus der Bürgerinitiative gegen Tesla hervorgegangen - forderte die Gemeindevertreter auf, mit Nein zu stimmen. Wenn sie dem Bebauungsplan über die Köpfe der Einwohner von Grünheide hinweg zustimmten, entstehe weiterer Schaden für das Vertrauen in demokratische Entscheidungsprozesse, warnte der Verein.
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