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Tempo 30-Initiative: 360 Kommunen erhöhen Druck auf Wissing

Im Schnitt tritt pro Werktag eine Kommune der Initiative "Lebenswerte Städte" bei. Das erhöht den Druck auf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), den Gemeinden endlich mehr Spielraum zu geben. München fehlt, streitet weiter, das Fachreferat könnte sich Tempo 30 aber vorstellen.

Mauert weiter: Das Bundesverkehrsministerium in Berlin verweigert den Kommunen fortgesetzt eine eigenständige Tempo-Regelung. | Foto: BMDV
Mauert weiter: Das Bundesverkehrsministerium in Berlin verweigert den Kommunen fortgesetzt eine eigenständige Tempo-Regelung. | Foto: BMDV
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Johannes Reichel

Die von den Städten Ausburg, Freiburg und Ulm mitgegründete Initiative für flächendeckende Tempo-30-Zonen in den Kommunen findet immer mehr Zulauf. Im Schnitt trete pro Werktag eine weitere Kommune dem Bündnis "Lebenswerte Städte" bei, berichtete nun ein Mitarbeiter. Zuletzt waren mit der Gemeinde Westhausen in Baden-Württemberg, der Kreisstadt Homburg (Efze) sowie den Gemeinden Hammersbach und Alsbach-Hähnlein in Hessen, Markt Hösbach und Markt Türkheim in Bayern sowie der Stadt Menden und der Gemeinde Mettingen in Nordrhein-Westfalen acht weitere Neuzugänge zu verzeichnen, womit knapp 360 Kommunen die Initiative unterstützen.

Sie fordern mehr Entscheidungsfreiheit für die Gemeinden, selbst die Regelgeschwindigkeiten festzulegen und beklagen,  aus dem Bundesverkehrsministerium (BMDV) von Volker Wissing (FDP) sei kaum Bereitschaft erkennbar, "sich ernsthaft mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen". Man wolle hier weiter Druck machen. Eine Sprecherin des BMDV erklärte, man sei "offen für unterschiedliche Lösungsansätze", aber "nicht überzeugt von flächendeckendem Tempo 30 oder Geschwindigkeitsbeschränkungen in Durchgangsstraßen".  Ziel der Initiative ist letztlich auch eine grundlegende Änderung oder Neufassung des Straßenverkehrsgesetzes, das noch immer dem fließenden (Auto)Verkehr Vorrang einräumt.

"Das läuft leider nicht gut. Wir haben das ganz große Problem, dass es wegen der Straßenverkehrsordnung nur sehr wenige Möglichkeiten gibt, Tempo 30 einzuführen", kritisierte der Geschäftsführer der die Initiative und Maßnahme unterstützenden Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch gegenüber der DPA.

Er forderte Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für Stadtgebiete und ein Ende der Kompromisse, damit Autofahrern eine bessere Orientierung gegeben werde. Die Maßnahme hätte positive Effekte für die Luftreinhaltung, in Sachen Lärmbelastung sowie Verkehrssicherheit und Übersichtlichkeit. Vor allem auch für den Rad- und Fußverkehr sind positive Effekte zu erwarten, weil die Differenzgeschwindigkeit zu Autos sinkt und mehr Räder auf der Straße fahren könnten, sodass auch die Gehwege entlastet werden.

Schon die Groko hatte den Auftrag formuliert

Der Deutsche Bundestag hatte bereits am 17.01.2020 in seiner mit der Mehrheit der Fraktionen der damals noch schwarz-roten Großen Koalition angenommenen Entschließung „Sicherer Radverkehr für Vision Zero im Straßen- verkehr“ einen eindeutigen Auftrag an den Bund formuliert, den Kommunen die Möglichkeit zu eröffnen, von der innerörtlichen Regelhöchstgeschwindigkeit von 50 km/h nach eigenem Ermessen auch auf Hauptverkehrsstraßen abzuweichen, wenn es den stadtpolitischen Zielen dient, wie die Initiative anführt.

München: Größte Kommune ist sich nicht einig

Die größte Kommune Deutschlands, die bayerische Landeshauptstadt München fehlt allerdings weiterhin, weil sich der grün-rote Stadtrat und vor allem die SPD nicht zu einer Unterstützung entschließen kann und daher uneins in dieser Frage ist. Die Grünen plädieren für Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, Fraktionschefin Mona Fuchs führte jüngst gegenüber der Abendzeitung vor allem die Verkehrssicherheit und Lärmschutz als Argumente an, statt 12.000 Schildern müssten nurmehr 4.000 verbaut werden, der Verkehrsfluss verbessere sich.

"Wir sehen nur Vorteile und keine Nachteile bei einem flächendeckenden Tempolimit. München eignet sich gut als Tempo-30-Modell-Kommune. Wir wären offen uns anzuschließen", findet Fuchs mit Bezug auf die bundesweite Initiative.

Von SPD-Seite kommt teils harsche Ablehnung, die argumentativ auf Linie des FDP-Bundesverkehrsministers oder der lokalen CSU liegt. "Wir dürfen den Autoverkehr nicht ausbremsen", meint etwa Nikolaus Gradl, Verkehrsexperte der Münchner SPD und warnt vor "massiven Auswirkungen" auf Lieferverkehr und Handwerk. Die Fahrt in die Stadt könnte fast doppelt so lange dauern, behauptet er. Vor einem Jahr war der Streit nach einem Vorstoß der Grünen unter den Koalitionären bereits hochgekocht und SPD-Fraktionschef Christian Müller hatte sich zu der Aussage hinreißen lassen, die Grünen treibe der "blinde Autohass".

Umkehr der Tempologik: Vorrangnetz für Tempo 50

Zuletzt ließ vor allem auch das von der grün-roten Stadtregierung neu gegründete Mobilitätsreferat fachlich gut begründete Sympathien erkennen, ein Pilotversuch in der innerstädtischen Frauenstraße wurde jüngst gestartet. Die Maßnahme der Einführung einer "Regelgeschwindigkeit Tempo 30" sei "durchaus interessant", weil dadurch auch eine Vielzahl von Schildern entfallen und die Barrierefreiheit verbessert werden könne, führte eine Sprecherin gegenüber der Abendzeitung als weiteres Argument an. Man müsse aber auch Kriterien für ein sogenanntes "Vorrangnetz" prüfen, das dann Ausnahmen von der Regel Tempo 30 definieren würde. Damit wäre die bisherige Regelung umgekehrt, die Tempo 50 zum Standard macht und Tempo 30 nur in Ausnahmefällen und in Nebenstraßen unter bestimmten Kriterien erlaubt.

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