Studie: Dienstwagen auf Abwegen - Privileg kostet Milliarden
Agora Verkehrswende und Öko-Institut haben im Rahmen des Projekts compan-e eine Analyste der Wirkungen der Dienstwagenbesteuerung in Deutschland durchgeführt und fordern eine partielle Abschaffung respektive gründliche Reform. Ziel des vom Öko-Institut geleiteten Projekts war es, Wege zu einer elektrischen und nachhaltigen Unternehmensmobilität aufzuzeigen. Neben Agora Verkehrswende und dem Öko-Institut waren auch die Unternehmensinitiative Stiftung 2° sowie Unternehmen aus den Branchen Verkehr, Energieversorgung, Facility Management, Versicherung und Kommunikation beteiligt. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Die Analyse zeige, warum Dienstwagen für den Klimaschutz relevant sind, wie Dienstwagen steuerlich bevorteilt werden und warum die Besteuerung ökologisch und sozial problematisch ist, so die Autoren. Man wolle der Politik aber auch einen Überblick über Reformoptionen geben. Hier genüge es allerdings nicht, "ein bisschen ökologisch aufzuhübschen", meinte Agora-Direktor Christian Hochfeld. Man verweist auf Vorbildregelungen in Großbritannien oder Belgien, wo die Förderung stärker von der Höhe CO2-Emissionen abhänge.
Kosten für den Staat zwischen drei und sechs Milliarden Euro
Der Schwerpunkt der Analyse liege auf der privaten Nutzung von Firmenwagen durch Angestellte, weil hier die Steuerprivilegien besonders hoch ausfallen, so die Begründung. Auch für Selbstständige und Gewerbetreibende könne die private Nutzung eines Firmenwagens in bestimmten Konstellationen steuerlich attraktiv sein. Im vergangenen Jahr waren 63 Prozent der Pkw "gewerblich" zugelassen, die Hälfte im Flottenbetrieb als Dienstwagen. Nach den Berechnungen kosten die Steuernachlässe in dem Bereich den Staat jährlich zwischen drei und sechs Milliarden Euro. Firmenwagen müssen nur mit einem Prozent des Listenpreises monatlich versteuert werden, elektrifizierte Fahrzeuge mit 0,25 und 0,5 Prozent.
"Die gegenwärtige Ausgestaltung der Dienstwagenbesteuerung konterkariert die Bemühungen um eine sozial ausgewogene Verkehrswende", konstatieren die Autoren nüchtern.
Die Vorteile würden ohnehin jenen gewährt, die gut oder sehr gut verdienen. So geht nach den Berechnungen die Hälfte der Fördersummen an dasjenige Fünftel der Haushalte, das über die höchsten Einkommen verfügt. Die Haushalte der unteren Einkommenshälfte erhielten demnach nur ein Fünftel der Gelder. Zudem seien die staatlich incentivierten Fahrzeuge besonders klimaschädlich. Durchschnittlich sei eine Motorleistung von 160 PS bei den Dienstwagen, die privaten Pkw liegen bei 115 PS und auch die Jahresfahrleistungen lägen mit 30.000 Kilometer doppelt so hoch. Der Vorteil steuerlich nehme sogar mit der Größe, Gewicht und dem CO2-Ausstoß der Fahrzeuge noch zu. Die Autoren sehen allerdings auch keine Lenkungswirkung durch die Sondervorteile für E-Autos: Schließlich würden E-Fahrzeuge doppelt so häufig von Privatkunden angemeldet als von gewerblichen.
Als zentrale Ergebnisse halten die Autoren fest:
- Zwei von drei neuen Pkw werden in Deutschland auf gewerbliche Halter zugelassen. Diese Neuzulassungen prägen den Pkw-Bestand über viele Jahre und sind daher für die notwendige Flottentransformation zur Minderung von klimaschädlichen Treibhausgasen im Verkehrssektor von hoher Bedeutung. Knapp die Hälfte der gewerblichen Pkw-Neuzulassungen entfallen auf den Relevanten Flottenmarkt. Häufig nutzen Selbstständige und Beschäftigte diese Pkw als sogenannte Dienstwagen auch privat.
- Die geltende Besteuerung von privat genutzten Dienstwagen bringt eine erhebliche finanzielle Erleichterung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen mit sich, die auch die Anschaffung großer, leistungsstarker und damit tendenziell emissionsintensiver Fahrzeuge begünstigt. Zudem setzt die Besteuerung aus Sicht der Dienstwagennutzer:innen keine oder nur schwache finanzielle Anreize für die Begrenzung der privaten Fahrleistung und für eine verbrauchsarme Fahrweise. Der gemeinsame finanzielle Vorteil einer Dienstwagenüberlassung als Gehaltsbestandteil, der für Arbeitgeber und Arbeitnehmer:in anfällt, dürfte sich in vielen Fällen auf über 1.000 Euro pro Jahr belaufen. Ursächlich hierfür sind auf Arbeitgeberseite die steuerlichen Regelungen zur Absetzbarkeit der Fahrzeugkosten und zum Vorsteuerabzug, sowie auf Seite der Arbeitnehmer:innen die geringe einkommensteuerliche Bemessung des Nutzungswerts aus der privaten Nutzung eines Dienstwagens.
- Für batterieelektrische Dienstwagen werden bis 2030 erhebliche zusätzliche Steuervorteile gewährt. Damit werden zwar Anreize zur Anschaffung von Null- und Niedrigemissionsfahrzeugen gesetzt, allerdings auf Kosten von zusätzlichen Steuermindereinnahmen, perspektivisch in Milliardenhöhe. Zudem profitieren auch Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, die nur in geringem Umfang elektrisch genutzt werden.
- Die Inanspruchnahme des Dienstwagenprivilegs ist innerhalb der Bevölkerung sehr ungleich verteilt. Profitieren können insbesondere finanziell bessergestellte Personengruppen, während Geringverdienenden selten ein Dienstwagen zur Verfügung steht. Die Steuervergünstigung hat so einen eindeutig regressiven Charakter: Haushalte mit hohem Nettoeinkommen profitieren sowohl absolut als auch in Relation zu ihrem Einkommen deutlich stärker als Haushalte mit niedrigem Einkommen vom Dienstwagenprivileg.
- Eine ökologische Reform der Dienstwagenbesteuerung sollte dazu führen, dass für (Verbrenner-)Dienstwagen keine finanziellen Vorteile mehr gegenüber der Nutzung eines privaten Pkw bestehen und somit Steuerneutralität gewahrt wird. Der Umfang der privaten Dienstwagennutzung sollte bei der Besteuerung des Nutzungswerts zudem stärker Berücksichtigung finden. Hieraus ergeben sich ökologische Lenkungseffekte. Vorübergehende Subventionen für elektrisch genutzte Dienstwagen sollten in ihrer Höhe begrenzt werden, um unausgewogene Verteilungswirkungen gegenüber jenen, die keinen Dienstwagen nutzen können, zu vermeiden.
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