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Studie: Auto-Kosten drastisch unterschätzt - sonst mehr E-Autos

Eine brisante Analyse von RWI Institut und Yale-Uni stellt fest: Deutsche Autofahrer unterschätzen die Kosten um 50 Prozent. Sie besäßen sonst 18 Millionen Fahrzeuge weniger. Und 73 Prozent mehr E-Autos.

Völlig daneben: Deutsche Autofahrer wissen nur mäßig über die wahren Kosten ihrer Fahrzeuge Bescheid, nur beim Sprit sind sie recht treffsicher. Sonst gäbe es 18 Millionen weniger Autos, glauben RWI- und Yale-Wissenschaftler. | Foto: Pixabay
Völlig daneben: Deutsche Autofahrer wissen nur mäßig über die wahren Kosten ihrer Fahrzeuge Bescheid, nur beim Sprit sind sie recht treffsicher. Sonst gäbe es 18 Millionen weniger Autos, glauben RWI- und Yale-Wissenschaftler. | Foto: Pixabay
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Johannes Reichel

Nach einer neuen Analyse des RWI Leibniz Instituts und der US-Universität Yale unterschätzen deutsche Autofahrer die Kosten des Betriebs ihres Fahrzeugs um bis zu 50 Prozent. Während die meisten der 6.000 befragten Haushalte mit eigenem Auto bei den Spritkosten noch ziemlich präzise Schätzungen abgaben, lagen sie bei den sonstigen Kosten um die Hälfte daneben. Statt der real ermittelten 425 Euro monatlicher Ausgaben für Abnutzung, Versicherung, Steuer und Reparaturen taxierten die deutschen Autoeigner die Kosten auf nur 204 Euro.

Die Intention der Autoren der Studie, die als wissenschaftliche Analyse in der Fachzeitschrift Nature erscheint, war es aber darüber hinaus zu zeigen, was diese Fehleinschätzung für Folgen zeitigt. Nach ihrem Dafürhalten ist die falsche Wahrnehmung der Kosten ein Grund für den Anstieg der Autonutzung in Europa und warum die CO2-Emissionen im Verkehr auf unverändert hohem Niveau verharren. Für Deutschland stieg die Zahl der privat gehaltenen Autos über die letzten zehn Jahre von 37 auf 42 Millionen. Für ganz Europa legte der Autobesitz um 25 Prozent zu zwischen dem Jahr 2000 und 2017, im Schnitt kommen 512 private Pkw auf 1.000 Einwohner (2017), in Deutschland waren es 561 im gleichen Jahr. Und dabei liefen weltweit noch immer 99 Prozent aller Pkw mit Antrieben auf fossiler Basis. Laut Studie ist der private Verkehr mit Pkw für elf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, der Verkehr insgesamt für 24 Prozent.

Mit Kostentransparenz 18 Millionen Autos weniger

In einer weiteren These untersuchten die Wissenschaftler, was sich ändern würde, wenn die Auto-Besitzer die wahren Kosten wüssten. Demnach würde sich die Bereitschaft, für den ÖPNV zu bezahlen, um 22 Prozent, woraus die Wissenschaftler ein Potenzial von acht bis zwölf Prozent mehr Nachfrage nach Bus und Bahn ableiten. Noch dramatischer und brisanter ist eine weitere Zahl: Wären die Kosten klar, würden die Autobesitzer ihr Eigentum um 37 Prozent reduzieren. Das entspräche für Deutschland einer Zahl von 18 Millionen Autos weniger, hochgerechnet auf die Emissionen wäre es ein Minus von 23 Prozent aus dem Transport Sektor, was bei absoluten 37 Millionen Tonnen 4,3 Prozent der deutschen Gesamtemissionen entspräche. Die Forscher leiten logisch ab: Bessere Luft und weniger Verkehr. Um den gleichen Effekt anderweitig zu erzielen, müsste etwa der Spritpreis auf das zwölffache steigen. Selbst eine vorsichtigere Schätzung auf Basis der Annahme höherer Automobilpreise würde immer noch eine Senkung um neun Prozent im Autobesitz bedeuten.

Bei fairem Vergleich: 73 Prozent mehr Elektroautos

Ebenso interessant: Bei klarer Kostenlage würde nach Meinung der Forscher auch der Anteil der Elektro-Fahrzeuge deutlich steigen: Bei fairer Kalkulation aller auch umweltbezüglicher Kosten um satte 73 Prozent. Um diese Transparenz zu schaffen, schlagen die Wissenschaftler vor, dass die Hersteller beim Verkauf auch Informationen zu den Gesamtkosten bereitstellen müssten, ähnlich wie das bei Immobilien oder dem Stromverbrauch von Kühlschränken der Fall sei.

Was bedeutet das?

Man fühlt sich ja fast an den alten Kalauer-Witz erinnert: "Was der Sprit kostet, ist mir egal, ich tanke immer für 20 Euro". Und man hatte ja schon so seinen Verdacht, dass die deutschen Autofahrer ihr "liebstes Kind" mit großem Wohwollen betrachten, was die Kosten betrifft. Wie meinte der weise Erich Sixt mal so schön: "Es ist höchst irrational, ein Auto zu besitzen". Jetzt hat man das schwarz auf weiss - und diese schonungslose Erkenntis hat es so in dieser Form bisher wohl noch nicht gegeben. Auch wenn natürlich die intensiven Kostenaufstellungen des ADAC schon lange nahe legen, dass selbst der sparsamste Kleinwagen im Monat nicht unter 400 Euro "summa summarum" kostet. Aber man muss sich halt als Autobesitzer auch einen "ehrlichen" Überblick verschaffen WOLLEN. Der Wille scheint bei vielen zu fehlen, und das in einem Land, bei dem die teutonischen Kunden sonst um jeden Cent beim Hackfleisch feilschen. Bizarr. 

Aber gut, dass es mal gesagt wurde, auch wenn diese Wahrheit schmerzt. Und noch mehr die daraus abgeleiteten Schlüsse: 18 Millionen Autos weniger auf deutschen Straßen, diese Zahl vor allem birgt Brisanz. Und dann gäbe es zudem 73 Prozent mehr Elektroautos. Wie könnte Deutschland - und die Zahlen sind laut den Forschern durchaus übertragbar auf andere Länder mit ähnlicher ökonomischer Struktur - wie könnte Europa und die westliche Welt dastehen in Sachen Klimaschutz? Immerhin ist der private Verkehr ja doch für elf Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Ganz zu schweigen von Feinstaub und Stickoxid, die lokal wirken und von manchem Forscher auch in den Kontext der Corona-Pandemie und insbesondere in den Zusammenhang mit hoher Sterblichkeit in Regionen mit besonders schlechter Luft gebracht werden.

 

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