Studie: Auch Total wusste früh über Klimawandel Bescheid
Wie eine neue Studie um den Historiker Christophe Bonneuil von der Forschungsgesellschaft CNRS jetzt nachgewiesen hat, wusste neben Shell, Exxon und BP auch der französische Mineralölkonzern Total, aktuell der viertgrößte nichtstaatliche Öl- und Gasproduzent und unfirmiert zu "TotalEnergies", sehr früh über die Folgen der Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Gas und Erdöl Bescheid. Darüber berichtete Spiegel Online sowie die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf den Original-Artikel im Fachmagazin Global Environmental Change. Bereits in einem Artikel im internen Magazin "Total Information" von 1971, das in Auflage von 6.000 Exemplaren an Führungskräfte, Mitarbeiter und Geschäftspartner addressierte, wurde die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre auf 400 ppm (Parts per Million) für das Jahr 2010 vorhergesagt.
Erschreckend präzise: Fast eine Punktlandung
Der Wert wurde dann tatsächlich im Jahr 2015 erreicht. Auch die Folgen wurden exakt beschrieben. Die Tendenz sei "besorniserregend", ein Anstieg der Durchschnittstemperatur der Atmosphäre sei zu befürchten, Luft, die mehr CO2 enthalte, absorbiere mehr Strahlung und heize sich auf. Die errechneten Größenordnungen seien zwar "gering" mit 1-1,5 Grad°C, könnten aber erhebliche Auswirkungen hervorrufen und sogar die atmosphärische Zirkulaton verändern. Auch ein "zumindest zeitweises Abschmelzen der Polkappen" sei nicht ausgeschlossen, einhergehend mit einem "erheblichen Anstieg des Meeresspiegel. Die katastrophalen Folgen seien "leicht vorstellbar", so die Total-Autoren damals.
"Seit dem 19. Jahrhundert verbrennt der Mensch immer größere Mengen an fossilen Brennstoffen. Dadurch werden enorme Mengen an Kohlendioxid freigesetzt. (...) Die Gesamtmenge des in der Atmoshpäre vorhandenen Kohlendioxids hat daher erheblich zugenommen (...). In den letzten 150 Jahren betrug der Anstieg etwa 15 Prozent, was nicht unerheblich ist. Und (...) wenn der Verbrauch von Kohle und Öl in den kommenden Jahren gleich bleibt, wird die Kohlendioxidkonzentration um das Jahr 2010 herum 400 parts per million erreichen", heißt es in dem internen Total-Artikel.
Der Artikel griff damals auch die stark steigende Erkenntnislage und die erstmals aufkommende Klimadebatte auf. Die jüngst ausgezeichneten Physik-Nobelpreisträger Syukuro Manabe prognostizierte einige Jahr, dass die Verdoppelung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur von 2 Grad Celsius zur Folge haben werde. Der ebenfalls ausgezeichnete Klaus Hasselmann ermittelte empirisch einen langfristigen Erwärmungstrend, andere den Rückgang des arktischen Eises oder den Anstieg von CO2 an der Langzeit-Messstation Mauna Loa auf Hawaii. In der Dekade von 1971 bis 2015 seien die CO2-Emissionen jährlich um 25 Milliarden Tonnen gestiegen, stellt Spiegel Online fest.
Die Reaktion auf die alarmierenden Erkenntnisse: Nichts
Allerdings zog der Total-Konzern keine weiteren Schlüsse aus der Erkenntnis, sondern ging im Gegenteil dazu über, diese zurückzuhalten. Wie die Wissenschaftler anhand zahlreicher Dokumente über 50 Jahre nachweisen, ging der Konzern von der Unterdrückung der Veröffentlichung dann zur aufwändig finanzierten und branchenweit organisierten Leugnung der Erkenntnisse und des Klimawandels, dann zum Angriff auf die Wissenschaft und den Konsens sowie im weiteren Verlauf zur Verzögerung und Ablenkung über. Die Studie zeichnet diese Strategie detailliert bis ins Jahr 2010 nach.
Jetzt will man "wichtiger Akteur der Energiewende" werden
Auf Anfrage von Spiegel Online kommentierte der Konzern lediglich, das Wissen von Total Energies um das Klimarisiko "entspreche den wissenschaftlichen Veröffentlichungen der Epoche". Seit 2015 verfolge man das Ziel, "ein wichtiger Akteur der Energiewende zu werden". Jüngst hatte der Total-Konzern Lizenzen zur Förderung von Erdöl in der Republik Kongo in einem Naturschutzgebiet um den Tèlè-See erworben, in dem es eine enorm hohe Artenvielfalt gibt. Zugleich gab man bekannt, der Konzern wolle seine Emissionen mit einem Wiederaufforstungsprogramm auf 40.000 Hektar südlich des Sees kompensieren.
Klimapläne der Ölkonzerne kaum kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel
Was die Klimaziele der Ölkonzerne betrifft, hatten jüngst Ökonomen um Simon Dietz von der London School of Economics and Political Science die Unternehmen und ihre Absichtserklärungen untersucht. "Der Sektor ist nicht auf Zielkurs", so ihr nüchternes Fazit im Fachjournal Science. Von den 52 analysierten Plänen der Öl- und Gaskonzerne hätte fast die Hälfte noch keine CO₂-Ziele vorgelegt oder diese klar dargelegt, die anderen zwar Ziele verabschiedet, die allerdings in den meisten Fällen nur schwach oder zu eng gefasst seien. Nur Occidental Petroleum sowie Shell lägen annähernd auf 1,5-Grad- respektive knapp unter 2-Grad-Kurs. Eni, Repsol und Total peilten knapp über zwei Grad an.
"Sie sind immer noch Öl- und Gasproduzenten. Nur wollen sie sauberere Produzenten sein", lautet die Analyse des Wissenschaftlers gegenüber der Süddeutschen Zeitung.
Es falle auf, dass die Unternehmen keinesfalls intendierten, kurzfristig und entschlossen den CO2-Ausstoß zu senken, im Einklang mit den Plänen vieler Länder, die statt Kohle mehr Ergas und Erdöl fördern wollen. Seit Beginn der Corona-Pandemie seien von den 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländern 300 Milliarden Euro in fossile Brennstoffe investiert worden. Hier klafft damit eine große Lücke zum 1,5-Grad-Ziel.
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