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StreetScooter: Gründer Schuh erneuert Angebot und will mit eGO expandieren

Nach dem verkündeten Ende der Produktion bei StreetScooter bringt sich der einstige Mitgründer Günther Schuh wieder ins Gespräch, appelliert an die unternehmerische Verantwortung der Deutschen Post und will die wegfallenden Kapazitäten für die Expansion von eGO nutzen.

Voller Tatendrang: Günther Schuh (Mitte) glaubt nach wie vor, dass sich StreetScooter zu einem Erfolg führen lässt. Dieser Beweis steht auch bei seiner weiteren Gründung eGO in Aachen noch aus, deren Fertigung Schuh im Frühjahr 2019 im Beisein von Polit- und Autoprominenz in Betrieb nahm. | Foto: J. Reichel
Voller Tatendrang: Günther Schuh (Mitte) glaubt nach wie vor, dass sich StreetScooter zu einem Erfolg führen lässt. Dieser Beweis steht auch bei seiner weiteren Gründung eGO in Aachen noch aus, deren Fertigung Schuh im Frühjahr 2019 im Beisein von Polit- und Autoprominenz in Betrieb nahm. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Nun also doch: Der Aachener Maschinenbau-Professor und Unternehmer Günther Schuh hat offenbar sein Angebot zum Rückkauf der von ihm 2010 mitgegründeten Firma StreetScooter erneuert. Bereits im vergangenen September hatte Schuh in einem Interview sein Interesse signalisiert. Er wollte "unbedingt dazu beitragen, dass die Erfolgsgeschichte von StreetScooter weitergeht", gab er zu Protokoll. Damals standen als von Schuh unbestätigte Kaufsumme etwa 300 Millionen Euro im Raum. Jetzt bringt er sich wieder ins Spiel, nachdem Postchef Frank Appel das Aus für den Hersteller unter dem Dach der Deutschen Post DHL verkündet hatte.

„Unter den richtigen Konditionen könnte ich es mir vorstellen, Streetscooter wieder zu übernehmen“, erklärte Schuh der Wirtschaftswoche gemäß einer Vorabmeldung vom Donnerstag.

Er habe sich bei der Post gemeldet und gefragt, ob er etwas tun könne, um den Schaden zu begrenzen. "Wir sprechen jetzt“, so Schuh weiter. Der RWTH-Professor und Chef des weiteren E-Mobility Start-ups eGO appellierte an die Post, das Unternehmen Streetscooter nicht zu zerschlagen und mahnte, das Unternehmen trage Verantwortung:

"Eigentum verpflichtet. Wir haben der Post damals das Eigentum an einer Innovationsbewegung übertragen. An diese Verpflichtung hat sich die Post nicht gehalten“, befindet Schuh.

Zuvor hatte er in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt dem Post-Konzern im Handling von StreetScooter "die Inkarnation der Langsamkeit", Verschleppung, die künstliche Verknappung der posteigenen Bestellungen sowie verfehlte Personalpolitik mit häufigen Führungswechseln vorgeworfen. Man habe nur auf die Gelegeneheit gewartet, das Geschäft unter einem Vorwand einzustellen, klagte Schuh. Dieser böte sich jetzt unter dem Verweis auf die wirtschaftlichen Unsicherheiten im Kontext der Corona-Virus-Krise. Er beklagte allgemein die mangelnde Risikobereitschaft in Deutschland im Vergleich zum Silicon Valley und den Mangel an Willen, "das Unmögliche" zu wagen und verwies auf die E-Auto-Marke Tesla, wo es ein "perfekt trainiertes Möglichmacher-Ökosystem" aus Milliardären und Private-Equity gebe.

Schuh: Warum will die Deutsche Post ein Autohersteller sein?

Man habe auf dem RWTH-Aachen-Campus den StreetScooter erfunden, um ein auf den Zustellerzweck optimiertes Postfahrzeug darzustellen, "das schlagartig den maximalen CO2-Effekt unter den urban eingesetzten Fahrzeugen erzielt". Kombiniert habe man dies mit dem nachhaltigkeitsorientierten Aachener Produktionssystem IoP, das darauf abzielt, Überkapazitäten und Überproduktion, das Kernproblem der heutigen Automobilproduktion, radikal zu minimieren. Streetscooter habe den Auftrag der Deutschen Post DHL erhalten, weil die etablierten Hersteller kleinen Stückzahlen für ein spezifisches Zulieferfahrzeug mit ihrem Produktionssystem nicht wirtschaftlich hätten anbieten können, so Schuhs Darstellung weiter. "Um den Auftrag wirklich zu bekommen, mussten wir der DHL eine Beteiligung an Streetscooter anbieten".  Er habe schon damals gefragt, warum die Post ein Autohersteller sein wolle. Die Antwort sei gewesen, weil man die Kontrolle haben und schnell sein wolle, referiert Schuh weiter.

eGO startet schwierig, hat aber weiter große Pläne

Im Hinblick auf sein eigenes Unternehmen eGO brachte Schuh die Übernahme der StreetScooter-Kapazitäten in der Fertigung ins Spiel. In einem Gespräch mit Edison erklärte er, die beiden Produktionsstätten könnten für eine etwaige Expansion gelegen kommen, ebenso wie das Testgelände oder "weitere Activa". eGO befände sich auf einem Wachstumspfad und will 2020 durchstarten, nachdem man die Lieferkette jetzt wiederhergestellt habe. Anfangs war es zu Verzögerungen wegen fehlender Homologation für das ESP gekommen, anschließend stockte der Produktionsanlauf wegen fehlerhafter Batterien. Nun will Schuh sogar in Nordamerika und China durchstarten, wobei sich ein geplantes Joint Venture wegen des Corona-Virus verzögere. Jüngst hatte der Hersteller anlässlich des abgesagten Genfer Salons neben der bereits gezeigten Sport-Version eine Cross-Variante des eGO Life vorgestellt, mit der man Preisregionen über 30.000 Euro antesten wolle, wie Schuh erklärte. Im Übrigen sei auch das Werk für den elektrisch angetriebenen Kleinbus "fast fertig", man habe 24 Vorserienfahrzeuge produziert und wolle 2021 in Serie gehen, versprach der Gründer.

Was bedeutet das?

Ist StreetScooter ein "deutscher Tesla"? Wir wollen es nicht hoffen. Denn der Vergleich, den der einstige Mitgründer Günther Schuh da zieht, hinkt natürlich gewaltig. Anders als die Autos des Elektro-Pioniers aus Kalifornien sind die StreetScooter ziemlich frei von jedem "Sex-Appeal" respektive "Will-Haben"-Faktor und das heißt im Falle eines Nutzfahrzeugs nicht, dass er besonders schick oder stylish sein muss, aber vor allem rechnen muss er sich. Schon das hat nie so geklappt wie gewünscht, von den 20.000 Euro, die ursprünglich angedacht waren, ist man weit entfernt: 40.000 Euro aufwärts, ein Work L liegt laut Liste um die 55.000 Euro mit Aufbau, da wird jeder kühl kalkulierende Fuhrparkmanager stutzig, auch wenn dann niedrigere Betriebskosten locken - man muss ja auch noch in entsprechende Ladeinfrastruktur investieren und mit E-Fahrzeugen ganz anders disponieren, sprich die Abläufe und Strukturen im Fuhrpark anpassen. Und die Abnehmer, speziell in der stückzahlenträchtigen Logistikbranche, die unter akutem Fahrermangel leidet, sind einen gewissen Grundkomfort sowie Sicherheitsniveau von VW Transporter, Mercedes Sprinter & Co nun mal gewohnt respektive obligatorisch, das Rad lässt sich hier nicht zurückdrehen.

Ein derart karges Tool, wie es der StreetScooter vom Konzept her sein sollte und ist, findet nur eine begrenzte Abnehmerschaft bei uns und anderswo. Darin dürfte der Hauptgrund für den Misserfolg der so visionär gestarteten neuen Marke liegen. Dass die Post Fehler gemacht hat, dass Frank Appel auch stets betonte, als Logistikkonzern wolle man kein Autohersteller sein, dass man jetzt auch auf einen Anlass gewartet hat, die Reißleine zu ziehen, das kommt alles hinzu. Man fragt sich natürlich: Warum wollte dann damals - und 2014 ist noch nicht so lange her - die Mehrheit an StreetScooter? In diesem unentschlossenen Rahmen war das sympathische, mutige, aber ohnehin hochriskante Projekt fast zum Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu Tesla, dessen Kunden dem heiß begehrten, fast kulthaft verehrten Objekt alle nicht wenigen Macken und Mängel verziehen - und jetzt scheint die Rechnung von Elon Musk offenbar doch noch aufzugehen.  

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