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Straßenbau: Bund Naturschutz plädiert für Moratorium und Klima-Prüfung

Zum Beispiel Bayern: Im Heimatland von Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) werden besonders viele Straßen gebaut. Der Bund Naturschutz fordert jetzt ein komplettes Umdenken, ein Klimaschutzmoratorium und das Ende von Neubauprojekten, die auch den Flächenfraß vorantreiben. Der Minister startet derweil weitere Prestigeprojekte in Tölz und Garmisch.

Leer wie nie - in der Pandemie: Die A99 gehört - außer am Ostersonntag 2020 - zu den frequentiertesten Straßen der Republik und wird jetzt auch bei Kirchheim mit Seitenstreifen zehnspurig ausgebaut. Der BN kritisiert solche Vorhaben grundsätzlich. | Foto: J. Reichel
Leer wie nie - in der Pandemie: Die A99 gehört - außer am Ostersonntag 2020 - zu den frequentiertesten Straßen der Republik und wird jetzt auch bei Kirchheim mit Seitenstreifen zehnspurig ausgebaut. Der BN kritisiert solche Vorhaben grundsätzlich. | Foto: J. Reichel
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Johannes Reichel

Mit der Forderung nach einem Straßenbau-Moratorium und einer Klimaschutz-Verträglichkeitsprüfung von Projekten im Hinblick auf das Pariser Klimaschutzabkommen hat sich jetzt der Bund Naturschutz ein weiteres Mal in die Debatte um die Mobilitätswende eingeschaltet. Schon seit längerem prangert der größte Umwelt- und Naturschutzverband Deutschlands die "Straßenbau-Dinosaurier" in Deutschland an und plädiert für ein komplettes Umdenken, im Bund wie speziell auch in Bayern. "Wir brauchen jetzt ein Klimaschutz-Moratorium für den Fernstraßenbau im Freistaat", appellierte BN-Bayern-Chef Richard Mergner jüngst.

„Sämtliche Straßenbauprojekte in Bayern müssen auf den Prüfstand. Sind sie nicht mit den Klimazielen von Paris vereinbar, müssen sie dauerhaft begraben werden“, verlangt der BN-Vorsitzende. Man habe in den vergangenen Jahrzehnten mehr als genug Straßen gebaut. Sie hätten nachweislich nicht zu weniger, sondern zu mehr Verkehrsaufkommen geführt.

Laut Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sollen in den kommenden Jahren neue Straßen und Straßen-Ausbauten mit einer Gesamtlänge von rund 1.500 Kilometern und veranschlagten Kosten von rund 13 Milliarden Euro allein in Bayern gebaut werden. Das entspricht einem Flächenverbrauch von 4305 Hektar, wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen ergab. Alleine mit diesen Projekten könnten weder Bayern noch der Bund ihre Klimaziel erreichen, warnt Mergner.

Windkraftanlagen statt Autobahnen

Auf der geplanten Fläche könnten stattdessen 8.600 Windkraftanlagen stehen, rechnet der Verband gegen. Im Freistaat betrügen die verkehrsbedingten CO2-Emissionen 34 Millionen Tonnen pro Jahr. Das entspreche 42 Prozent der Gesamtemissionen in Bayern. Der BN fordert eine Abkehr vom starren Festhalten am BVWP und damit am Fernstraßenausbaugesetz.

„Genug ist genug, das deutsche Straßennetz reicht sechs Mal um die Welt! Was wir brauchen ist ein attraktiver öffentlicher Verkehr auch im ländlichen Raum. Für Busse, Rufbusse oder Anrufsammeltaxis im Stunden- und Halbstundentakt ist Bayern mit Straßen bestens erschlossen", forderte Mergner weiter.

Das eingesparte Geld solle man besser für den Ausbau von Fuß- und Radwegen und für die Elektrifizierung von Bahnstrecken verwenden, findet der BN. So werde die Strecke von Nürnberg nach Bayreuth kurz vor Bayreuth eingleisig und sei nicht elektrifiziert und seit 20 Jahren werde über den Ausbau gesprochen, währen daneben die sechsspurige Autobahn verläuft“, skizzierte Mergner beispielhaft.

Darüber hinaus verweist Mergner auf einen weiteren, seltener betonten, aber mit dem Hochwasser noch virulenteren Punkt: „Der Flächenverbrauch wird weiter verschärft". Zudem werde die Verkehrsberuhigung und Unfallverringerung nicht vorangebracht. Ebenso verfehlen man das Ziel, Güter auf Schiene und Schiff zu verlagern. Antworten auf die Frage, wie die Verkehrswende vorangebracht werden soll, vermisst Mergner sowohl im Wahlprogramm der Union, aber auch bei anderen Parteien bestehe Nachholbedarf, so der Verbandsvorsitzende.

Scheuer weist Kritik zurück

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer reagierte anlässlich des Spatenstichs für den achtspurigen Ausbau der A99 prompt auf die Kritik des Umweltverbandes. Er wolle kein Konzept des "Entweder oder", sondern des "Sowohl als auch" und verwies auf das "Großprojekt" eines lange angekündigten, aber zäh umzusetzenden Radschnellwegs von München nach Garching. Allerdings werden die Kosten hier auf 35 Millionen Euro im Landkreis geschätzt, für den A99-Ausbau sind 125 Millionen Euro vom Bund veranschlagt. Scheuer rechnet auf der wichtigsten Transitstrecke Mitteleuropas, die in Ferienzeiten mit 165.000 und an normalen Tagen mit 120.000 Fahrzeugen (30 Prozent Lkw) täglich zu den frequentiertesten Routen der Republik zählt, mit weiterem Zuwachs von 15 Prozent bis 2030, ungeachtet etwaiger Klimaschutzziele.

"Die A 99 hat überragende Bedeutung für den Großraum München. Wir werden die A 99 nun weiter leistungsfähig ausbauen. Gleichzeitig profitieren die Anwohner. Die Lärmschutzwände werden auf bis zu sieben Meter erhöht, offenporiger Asphalt macht das Fahren leiser. Mit unseren Investitionen in Höhe von rund 125 Millionen Euro sorgen wir für weniger Staus und mehr Ruhe", glaubt der Minister.

Kurz zuvor hatte Scheuer per obligatorischen "Spatenstichen" den Startschuss für weitere, ebenso umstrittene wie prestigeträchtiges Bauprojekte im bayerischen Oberland gegeben: Die 48-Millionen-Nordumgehung in Bad Tölz sowie den Auerbergtunnel bei Garmisch. Der Ausbau des weiteren Tunnels mit einer vierspurigen Röhre zwischen Eschenlohe und Oberau im Anschluss an die stauträchtige A95. 170 Millionen Euro soll das 1,9 Kilometer lange Teilstück eines vier Tunnel-Projekts zur Ortsentlastung von Garmisch-Patenkirchen kosten, insgesamt sind eine Milliarde Euro veranschlagt. Die daneben verlaufende Bahnstrecke ist dagegen immer noch eingleisig und entsprechend störempfindlich, aber immerhin elektrifiziert. In Tölz werden bei der Oberlandbahn noch Diesel-Triebwagen eingesetzt.

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