Spritpreise: Söder fordert Senkung der Mehrwertsteuer
Einmal mehr hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Ermäßigung der Mehrwertsteuer auf Heiz- und Kraftstoffe gefordert. Bereits am 31. Oktober forderte der CSU-Politiker in der "Bild am Sonntag" einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz, um "die Bürger von den schlimmsten Härten zu entlasten". Ebenfalls bereits im Oktober hatte Söders Parteikollege und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine "Spritpreisbremse" gefordert und Deutschland faktisch falsch zum "Spritpreis-Europameister" ausgerufen. Gegenüber der Funke-Mediengruppe erneuerte Söder jetzt seine Forderung und erweiterte sie sogar:
"Für die Wirtschaft sollten wir einen gedeckelten Industriestrompreis einführen. Und beim Benzin sollten wir überlegen, ob wir die Mehrwertsteuer vorübergehend auf den ermäßigten Satz reduzieren", erklärte der CSU-Politiker.
Man könne "nicht tatenlos zusehen, wie die Preise vor dem kalten Winter stiegen", so Söder weiter. Damit steht er allerdings im Gegensatz zu dem auch mit Stimmen der CSU in der derzeit noch kommissarisch amtierenden Bundesregierung gefassten Beschluss, die CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe zum Jahreswechsel weiter anzuheben. Söder brachte zudem eine Preisbremse für den Winter ins Spiel sowie eine Gasstrategie, um die Versorgung Deutschlands zu sichern. Dazu zählt der Ministerpräsident auch die Inbetriebnahme der auch bei den Ampel-Vverhandlungen umstrittenen Gazprom-Pipeline Northstream 2.
Im Juli forderte Söder einen "Klimaruck"
Mitte Juli im Schatten der Hochwasserkatastrophe hatte Söder noch erklärt, man sei es "unseren Kindern schuldig, dass wir uns nicht aus Angst vor Lobbygruppen, vor Leugnern oder vor Ewiggestrigen vor der Verantwortung drücken" und für einen "Klimaruck" plädiert. Man stehe "an der Schwelle epochaler Veränderungen und müsse die Warnrufe verstehen oder werde langfristig mit dramatischen Folgen konfrontiert. Die CSU-Fraktion hatte gefordert, die CO2-Bepreisung nochmal zu straffen.
Populismus pur: Preise bereinigt nicht gestiegen
Im Bezug auf die Spritpreise verweisen Wirtschaftswissenschaftler wie Matthias Rungel vom Thinktank Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft allerdings darauf, dass diese inflations- und kaufkraftbereinigt über die letzten Jahrzehnte nicht gestiegen, sondern sogar gesunken seien und nach dem Corona-Knick jetzt nach einem Anstieg um etwa 50 Cent/Liter wieder das vorpandemische Niveau erreicht hätten. Runkel kritisiert, dass dagegen die Tickets im ÖPNV auf real deutlich teurer geworden seien. Bereinigt um diese Effekte liegen die Spritpreise damit etwa so hoch wie 2008 oder 2013 bereits. Generell müssen Arbeitnehmer*innen für einen Liter Kraftstoff nur ein Drittel so lange arbeiten wie vor 60 Jahren der Fall.
Preise eher unter dem europäischen Schnitt
Auch eine jüngste Spritpreisanalyse von Spiegel Online ergab, dass die Preise keineswegs besonders hoch liegen, im europäischen Vergleich und in Relation zur hohen Kaufkraft sogar eher niedrig. Ein alleinstehender Durchschnittverdiener müsse in Deutschland nur 5,7 Minuten arbeiten für einen Liter Benzin, was fast überall in Europa deutlich länger dauere, so das Fazit.
Entlastung: Energiegeld soll soziale Härten abfedern
Immer wieder verweisen Ökonomen zudem darauf, dass der Spritpreis keiner hohen "Preiselastizität der Nachfrage" unterliege, sprich, die Konsumenten nicht besondern empfindlich auf höhere Preise in dem Segment reagieren. Zudem warnen sie davor, dass Mineralölkonzerne versucht sein könnten, die Preise anzuheben und die Differenz zu kassieren. Grundsätzlich würde jede Anpassung der Mehrwertsteuer auch die CO2-Preise konterkarieren. Das Umweltbundesamt hatte zudem jüngst die auch von den Grünen im Wahlkampf vorgeschlagene Idee eines Energiegeldes als Ausgleich für soziale Härten auf Wiedervorlage gebracht, statt die Spritpreise für alle zu reduzieren. Jüngst hatte auch der Chef des Münchner Ifo-Instituts die Idee des Energiegeldes wieder aufgegriffen.
"Politischer Handlungsbedarf besteht, sofern vulnerable Gruppen von den steigenden Preisen überfordert werden, beispielsweise Hartz-IV-Empfänger", erklärte Clemens Fuest gegenüber dem Handelsblatt. Eine höhere Entfernungspauschale entlaste dagegen viele Leute, die diese Entlastung nicht nötig hätten.
Was bedeutet das?
Was schert mich mein Geschwätz von früher. Den Adenauer-Satz scheint Markus Söder im Sinn gehabt zu haben, als er sich kaum ein halbes Jahr nach seiner "Klimaruck"-Rede für einen Strompreisdeckel und Spritpreisermäßigung aussprach. Nur den zweiten Teil des Satzes von Adenauer, den hat er nicht beherzigt: "Nichts hindert mich, klüger zu werden".
Denn klug ist das wahrlich nicht, was Söder da fordert. Sondern nur der übliche CSU-Stammtisch-Reflex, der der gernegroßen Partei aus dem nach Eigendiktion "Freien Süden" im Kontrast zum "Ampel-Norden" auch schon den Maut-Irrsinn eingebrockt hat. Dass er damit den eigenen Beschluss für höhere CO2-Preise über den Haufen wirft, egal. Bald sind schließlich Landtagswahlen. Nur das zählt für den CSU-Mann, nicht der Klimaschutz.
Nun hätte man solche Aussagen und Kehrtwendungen vielleicht von Politikern der sogenannten "Alternative für Deutschland", deren "Alternative von Deutschland" man sich im schlimmsten Albtraum nicht ausmalen mag, erwartet. Aber nicht von einem der wichtigsten Politiker des Landes, dessen Job es wäre, den Leuten zu erklären, warum sich die Spritpreise erhöhen müssen und dass das alles sowieso nur der Anfang ist.
Stattdessen knickt der sonst so breitbeinige Bayer Söder beim ersten "lauen Lüftchen" ein - und wie war das mit dem "Drücken vor der Verantwortung".
Dann auch noch derartig auf die "Drama-Drüse" zu drücken, als stünde wegen eines de facto gar nicht gestiegenen Spritpreises "nachkriegsähnliche" Härten ins Haus, ist kaum zu überbietender Populismus und spottet jedem wirklichen Leid der Menschen vor dem nahenden Winter, etwa in Afghanistan oder im Elend an der polnisch-belarussischen Grenze, Hohn. Mit verantwortungsvoller Klimapolitik hat das jedenfalls nichts zu tun. Mit Marktwirtschaft übrigens auch nicht, eher im Gegenteil.
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