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Spritpreise bremsen Autofahrer nicht

Die hohen Spritpreise zeigen bisher keine Verhaltensänderung bei den Autofahrern, wie Daten von TomTom und Inrix zeigen. Statt sozial ungerechter Rabatte und Preisdeckel, wie FDP und Union vorschlagen, plädieren Experten für ein Klima- oder Mobilitätsgeld. Und NGOs wie Umweltpolitiker für ein Tempolimit.

Bisher keine Reaktion: Die Deutschen Autofahrer zeigen sich von den hohen Spritpreisen unbeeindruckt, fahren auch weiter hohes Tempo, wie Daten von Inrix und TomTom nahelegen. | Foto: AdobeStock
Bisher keine Reaktion: Die Deutschen Autofahrer zeigen sich von den hohen Spritpreisen unbeeindruckt, fahren auch weiter hohes Tempo, wie Daten von Inrix und TomTom nahelegen. | Foto: AdobeStock
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Johannes Reichel

Vor dem Hintergrund der Forderungen von FDP-Finanzminister Christian Lindner nach einem Tankrabatt sowie der Union nach einem Benzinpreisdeckel haben die Datenauswertungen der Anbieter Inrix und TomTom keine Veränderung im Fahrverhalten der Autofahrer in Deutschland ergeben. Das Tempo sei speziell auf Schnellstraßen unverändert hoch. "Unsere Geschwindigkeitsanalyse mehrerer Autobahnabschnitte in Deutschland lässt derzeit keine Veränderung der Fahrgewohnheiten aufgrund des Kraftstoffpreises erkennen", erklärte etwa Bob Pishue von Inrix gegenüber der dpa. Man habe allerdings steigenden Verkehrsaufkommen in Stoßzeiten und in der Folge etwas niedrigere Geschwindigkeiten festellen können. Der Navigationsdatenspezialist TomTom bestätigt die Analyse und sieht teil leichte Unterschiede zwischen wochentags und Wochenende. Unter der Woche sei das Tempo sogar eher höher, weil weniger Autos unterwegs seien. Am Wochenende werde etwas langsamer gefahren, aber es sei auch mehr los. Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar forderte statt Rabatten oder Preisdeckel ein Tempolimit als "logische Konsequenz" aus den steigenden Preisen.

"Wer langsamer mit dem Auto fährt, verbraucht auch weniger Sprit", erklärte der Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Verkehrsausschuss.

Auch die Fraktion Die Linke hatte im Einklang mit der Deutschen Umwelthilfe jüngst ein temporäres Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen und 30 innerorts gefordert. Die NGO Greenpeace hatte vorgerechnet, dass ein solches Limit gemeinsam mit anderen Maßnahmen wie autofreien Sonntagen den Verbrauch und damit den Bezug und die Abhängigkeit von russischem Öl um ein Drittel senken könne. Statt eines Rabatts oder Preisdeckels hatte auch die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert das von den Grünen propagierte Mobilitäts- oder Energiegeld wieder ins Spiel gebracht, das sozial ausgewogener wäre.

"Wir plädieren eher dafür, ein Mobilitätsgeld einzuführen, unabhängig vom Einkommen und dem Verkehrsmittel - oder besser noch ausgerchtet auf eine ökologische Wahl der Verkehrsmittel", skizzierte die DIW-Wissenschaftlerin weiter.

Damit das funktioniert, müssten zugleich die Bahn, der ÖPNV, Rad- und Fußwege, aber auch die E-Mobilität und Ladeinfrastruktur forciert werden. Kemfert hält auch eine E-Auto-Quote für hilfreich, um "möglichst schnelle eine Marktdurchdringung" zu erreichen. Sie kritisierte, dass Deutschland 70 Milliarden Euro für fossile Energien ausgebe.

"Das fließt auch in die Kriegskasse eines Wladimir Putin. Dieses Geld sollten wir in eine Zukunftsmobilität investieren", forderte Kemfert.

Nach einer Untersuchung des Heidelberger Ökonomen Benjamin Held auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamts, würden Einkommensreiche von einer pauschalen Absenkung der Energiepreise in absoluten Zahlen am meisten profitieren. Umgekehrt triff sie relativ zum Einkommen der hohe Preis auf Sprit und Energie weniger als untere Einkommenschichten. Eine DIW-Analyse für Besitzer eines Benzinerautos zeigt laut Spiegel Online, dass die Spritpreiserhöhung der letzten zwölf Monate im untersten Einkommenszehntel eine Steigerung der Belastung um fünf Prozent bedeutet, im einkommensreichsten Zehntel dagegen nur 1,4 Prozent. Bei den Berufspendlern wiederum war die relative Mehrbelastung im drittärmsten Einkommenszehntel am höchsten und belief sich auf 5,5 Prozent des Nettoeinkommens, auf nur zwei Prozent bei den Einkommensreichsten.

Klimageld wäre gerechter - ein Mobilitätsgeld über die Steuer sofort möglich

Auch der DIW-Ökonom Stefan Bach hält daher auch das Klimageld für die beste Lösung, wenn pro Kopf eine bestimmte Summe ausbezahlt wird. Damit würde man wirklich alle erreichen. Es sei allerdings administrativ so schnell nicht einführbar, wie angesichts der Preissprünge nötig. Daher plädierte er für direkte Einkommenshilfen für ärmere Haushalte wie einen bereits von der Koalition beschlossenen Heizkostenzuschuss, der noch mal angehoben werden dürfte. Auch die beschlossene Erhöhung der Pendlerpauschale könnte nochmal steigen, die allerdings höhere Einkommen stärker entlastet. Aus Sicht von Bach wäre hier eine Mobilitätsprämie die gerechtere Lösung, die im Zuge des Klimapakets der alten Regierung eingeführt wurde. Sie kommt Geringverdienern zugute, sofern sie keine Einkommenssteuer zahlen. Dadurch ließen sich auch mittlere Einkommen entlasten, wenn beispielsweise fünf Cent pro Kilometer von der Steuerzahlung statt vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen würden. Dann würden laut Bach alle den gleichen Betrag pro Kilometer erhalten. 

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