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SPD und FDP für Autobahnbau: "Auto ist und bleibt wichtigster Verkehrsträger"

Nach der FDP schlägt sich auch die SPD vollends auf die Seite der Autobahnbefürworter und will geplante Projekte durchziehen. Die FDP meint ohnehin, die "Straße ist und bleibt der wichtigste Verkehrsträger". Offen bleibt die Frage, wie so die Klimaziele gehalten werden sollen. Österreich macht es mit dem Klimacheck besser und stoppte unlängst Autobahnneubauten. 

Mythos Autobahn: Die Deutschen können es nicht lassen und es zeichnet sich in der Koalition eine Mehrheit für weiteren Autobahnbau ab. | Foto: AdobeStock
Mythos Autobahn: Die Deutschen können es nicht lassen und es zeichnet sich in der Koalition eine Mehrheit für weiteren Autobahnbau ab. | Foto: AdobeStock
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Johannes Reichel

Nach der FDP will jetzt auch die SPD am Bau von geplanten Autobahnen festhalten. "Auch in den kommenden Jahren werden Autobahnprojekte geplant und gebaut werden", erklärte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Detlef Müller gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Als Grundlage führte er das gültige Ausbaugesetz an. Müller monierte den Streit in der Koalition um die Beschleunigung von Planungsverfahren auch für Autobahnen, die die FDP unbedingt will, die Grünen aber aus Klimaschutzgründen ablehnen. Sie fordern gemäß Koalitionsvertrag eine klare Priorisierung von Erhaltprojekten und Umweltverbundmaßnahmen wie Brücken und Schienen. Müller findet nun im Einklang mit der FDP-Linie, es sei "kontraproduktiv, Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen, das verzögert die Beschleunigung für alle Projekte".

Allerdings meint auch Müller und er sieht darin keinen Widerspruch, "prioritär müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren von Bahnprojekten deutlich verkürzt werden, damit die Verkehrswende gelingt und wir unsere Klimaziele im Verkehr tatsächlich einhalten". Speziell an den Fernstraßen müsse der Sanierungsstau bei Brückenbauwerken aufgelöst werden, damit die Sicherheit erhalten und Umleitungsverkehre verhindert würden. Auch Engpassbeseitigungen seien wichtig. Der Koalitionsvertag spricht ziemlich eindeutig von einer "Planungsbeschleunigung vorrangig für den Ausbau von Bahnstrecken, Stromtrassen und "kritischen Brücken".

FDP will Autobahnen als "überragendes öffentliches Interesse" klassifizieren

Müller zeigte sich zuversichtlich, dass die Koalition den Streit beilegen können werde. Man sei sich einig, dass Deutschland bei Infrastrukturprojekten schneller werden müsse. Er versprach, es werde keine "willkürliche Auswahl von zu beschleunigenden Projekten geben", das erfolge auf "Basis nachvollziehbarer und belastbarer Kriterien". Die FDP dringt weiterhin auf die Aufnahme von Autobahnprojekten in den "vordringlichen Bedarf", verkehrsträgerübergreifend und befindet diese als "von überragendem öffentlichen Interesse".

Diese Position dürfte sich nach der verlorenen Berlin-Wahl, wo sich vieles um das Thema Verkehr, Radwegausbau und schleppende Umsetzung des 2018 beschlossenen Mobilitätsgesetzes, die autofreie Friedrichstraße und die Autobahn A100 drehte und bei der der CDU-Kandidat Kai Wegner sich als "Schutzpatron der Autofahrer" inszenierte und erfolgreich eine "Pro-Auto-Kampagne" fuhr, eher noch verhärten. Wegner hatte sich sogar dazu verstiegen, die A100-Verlängerung, die mit einer Milliarde Euro veranschlagter Kosten die teuerste Autobahn Deutschlands wäre, als "Klimaautobahn" zu betiteln. Schließlich solle sie großteils unterirdisch verlaufen und auf dem Tunnel will die CDU ein Freizeitparadies schaffen, mit viel Grün.

Berlin ist heute nach München die verkehrsreichste Stadt Deutschlands, 71 Stunden verbrachten Autofahrende 2022 im Stau, insbesondere auf der A100. FDP-Spitzenpolitiker wie FDP-Chef Christian Lindner und Vize Wolfgang Kubicki hatten bereits einen schärferen Kurs angekündigt. Man müsse "konsequenter sein", verlangte Kubicki. Eine Politik "gegen das Auto" sei in Berlin gescheitert und "ganz offensichtlich nicht im Interesse der Menschen", so Lindner am Montag bei der Einordnung des verheerenden Wahlergebnissen, das die FDP aus dem Senat befördert hatte.

"Natürlich wollen wir Verkehre diversifizieren, aber die Straße ist und bleibt der wichtigste Verkehrsträger", erklärte FDP-Verkehrsstaatssekretär Oliver Luksic.

Österreich macht es besser und prüft alle Projekte streng auf Klimaschutzkonformität

In Österreich hatte die Regierung 2021 einen Klimacheck eingeführt und zahlreiche Autobahnneubauprojekte gestoppt, weil diese nicht mit den Klimazielen kompatibel seien. Das Land will bis 2040 klimaneutral sein und hatte in einem aufwändigen Verfahren Gesamtbudgets errechnet, die bis dahin noch im Verkehr und anderen Sektoren ausgestoßen werden dürfen, wie jüngst Günther Lichtblau, Fachliche Leitung Klima, Umweltbundesamt GmbH, bei einer Podiumsdiskussion des BUND und NABU zum Bundesverkehrswegeplan erläuterte. Dieser Maßstab wird nun auf jedes einzelne Projekt angewendet. In der ersten Konsequenz wird etwa die Lobau-Autobahn nicht weiterverfolgt, für den Nordabschnitt der S 1 werden Alternativen geprüft. Auch die S 34 wird nicht in der geplanten Form umgesetzt.

"Die Hochrechnung und selbstverständliche Annahme von immer mehr Verkehr ist grundfalsch. Die Unabdingbarkeit für Klimaschutz muss fachlich klar dargelegt werden", kritisierte Lichtblau.

Klimacheck: Viele Autobahnprojekte fallen dann durch's Raster

Zuvor hatten Expertinnen und Experten des Klimaschutzministeriums und der ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft) sowie externe Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Umweltbundesamts das sogenannte ASFINAG-Bauprogramm einem eingehenden Klimacheck unterzogen. Neue Straßenprojekte wurden individuell auf ihre Zukunftsfähigkeit geprüft. Neben bekannten Kriterien wie der Verkehrssicherheit, der Verkehrsplanung sowie wirtschaftlichen und regionalen Bedürfnissen standen dabei erstmals auch der Schutz von Klima und Umwelt sowie die Eindämmung des Bodenverbrauchs im Zentrum.

"In Zukunft wird sich das Bauprogramm neben rein verkehrlichen Aspekten auch an den Klimazielen, den Bodenverbrauchszielen und den Zielen einer klimafreundlicheren Mobilität orientieren. Moderne und gute Verkehrsplanung soll den Menschen mehr Lebensqualität bringen, anstatt einfach Bestehendes fortzuschreiben", erklärte das Klimaschutzministerium im Dezember 2021 bei Vorstellung der Ergebnisse.

Ausführliche Analysen hätten ergeben, so das Ministerium, dass der Ausbau des Straßennetzes stets zu mehr Verkehr führt. Klimaschädliche Treibhausgase steigen dadurch ebenso wie oftmals die Belastung durch Lärm und Stau. Eingriffe in sensible Ökosysteme müssten auch im Sinne der abnehmenden Artenvielfalt mit besonderer Vorsicht betrachtet werden. Ausufernde Bodenversiegelung zerstöre landwirtschaftliche Flächen und sei nicht zuletzt im Hinblick auf die zunehmenden Extremwetterereignisse ein großes Problem.

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