Werbung
Werbung

Solar-Auto-Entwicklung eingestellt: Sono lässt den Sion sausen

Es hatte sich abgezeichnet: Das Münchner Start-up bekommt den Sion nicht aufs Gleis respektive finanziert und beschließt, sich auf die Solartechnologie zu konzentrieren. COO Thomas Hausch verlässt die Firma. 300 Mitarbeitende werden wohl entlassen. Rückzahlungsplan für Reservierungen. Ende einer tollen Vision.

Aus und vorbei: Der Sion von Sono wird nicht mehr auf die Straße kommen - obwohl produktseitig die letzten Fahreindrücke vielversprechend waren. | Foto: Sono Motors
Aus und vorbei: Der Sion von Sono wird nicht mehr auf die Straße kommen - obwohl produktseitig die letzten Fahreindrücke vielversprechend waren. | Foto: Sono Motors
Werbung
Werbung
Johannes Reichel

Der Münchner Anbieter von solaren Mobilitätslösungen Sono Group N.V. hat bekanntgegeben, sein Geschäftsmodell umzustrukturieren und sich künftig ausschließlich auf die Nachrüstung und Integration der Solartechnologie in Fahrzeuge von Drittanbietern konzentrieren zu wollen. Gleichzeitig hat das Unternehmen sein Sion-Programm mit sofortiger Wirkung eingestellt. Ursprünglich wollte das 2016 gegründete Start-up im laufenden Jahr in die Serienfertigung bei Valmet in Finnland einsteigen und die ersten Fahrzeuge im ersten Quartal 2024 ausliefern. Die Münchner Jungunternehmer beklagten dabei auch fehlende Unterstützung durch die Politik. Man müsse sich schon fragen, ob "Innovationen im Solar- und Automobilbereich in Deutschland überhaupt gewollt sind", beklagte Co-Gründer Jona Christians. Dem Vernehmen nach hatten die Gründer noch bis Donnerstagabend mit potenziellen Investoren verhandelt, die Gespräche scheiterten jedoch.

„Die Umstrukturierung ist ein entscheidender Schritt in der Entwicklung von Sono Motors. Auch wenn wir mit dem Sion-Programm unser ursprüngliches Herzensprojekt einstellen mussten, bietet uns die Verlagerung unseres gesamten Fokus auf B2B-Solarlösungen die Möglichkeit, weiterhin innovative Produkte in der Solarindustrie zu entwickeln. Trotz der mehr als 45.000 Reservierungen und Vorbestellungen für den Sion waren wir gezwungen, auf die anhaltende Instabilität der Finanzmärkte zu reagieren und unser Geschäft zu verschlanken. Diese Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen", erklärte Laurin Hahn, Mitbegründer und CEO von Sono Motors und verwies zudem auf die Tatsache, dass der Sion eben nicht im margenstarken Luxus-, sondern Budget-Segment angesiedelt sei.

Die Erfolge im Rahmen des Serien-Validierungsprogramms des Sion mit 18 Fahrzeugen waren nach Ansicht des Unternehmens Beweis dafür, dass das Konzept eines Solar-Elektrofahrzeugs (SEV) funktioniert. Kurz vor dem Eintritt in die Vorserienproduktion war das Fahrzeug auf dem besten Weg, die Solartechnologie in der Automobilbranche zu revolutionieren, bedauern die Sono-Manager. Obwohl man das Sion-Programm eingestellt hat, wird das Unternehmen weiterhin seine patentierten Technologien für das laufende Nachrüstungs- und Integrationsgeschäft nutzen. Zusätzlich beabsichtigt der Hersteller das Sion-Programm zu verkaufen, sodass der SEV möglicherweise von einem anderen Hersteller mit Sono-Solar-Technologie gebaut werden könnte.

Rückzahlungsplan für Reservierungen

Für Sion-Reservierungen, die vor der #savesion-Kampagne angezahlt wurden, hat das Unternehmen einen Rückzahlungsplan. Dieser sieht die Rückzahlung in mehreren Raten zuzüglich eines Bonus über die nächsten zwei Jahre vor, beginnend mit der ersten Rate im Mai 2023. Die Beträge sämtlicher Zahlungszusagen, die seit 8. Dezember 2022 im Rahmen der #savesion-Kampagne getätigt wurden, wird der Hersteller nicht einziehen.

Im Zuge der Entscheidung des Unternehmens, das Sion-Programm einzustellen, plant das Start-up die Entlassung von etwa 300 der 410 Mitarbeitenden. In diesem Zusammenhang hat Thomas Hausch beschlossen, von seiner Rolle als COO zurückzutreten. Der frühere Nissan-Deutschland-Chef wird das Unternehmen noch bei der Umstrukturierung unterstützen. „Ohne Thomas' professionelles Engagement und seine herausragende Persönlichkeit wäre unser Sion-Programm nicht so weit gekommen. Wir sind ihm sehr dankbar für seinen bisherigen Einsatz und seine Unterstützung unserer zukünftigen Pläne“, sagte Laurin Hahn.

„Leider endet meine Aufgabe bei Sono Motors, das erste erschwingliche Solar-Elektroauto zu bauen. Ich bin persönlich überzeugt, dass wir früher oder später viele SEVs auf der Straße sehen werden, auch ohne den Sion. Das Unternehmen und die Gründer werden die Vision einer Welt ohne fossile Brennstoffe weiter verfolgen, auch mit dem neuen Fokus. Das stimmt mich positiv für die Zukunft“, meinte Hausch.

Fokussierung auf die mobilen Solarlösungen

Die Solarlösungen des Unternehmens, bestehend aus Hardware, wie Leistungselektronik, und Software, werden bereits heute von 23 Geschäftspartnern in Europa, Asien und den USA eingesetzt und in einer Vielzahl von Fahrzeugen, darunter Autos von anderen OEMs, Busse, Kühlfahrzeuge und Wohnmobile, getestet, wirbt das Unternehmen für sein zweites Geschäftsfeld. Flottenbetreiber können von der Integration der Solartechnologie profitieren, indem sie Kraftstoff, Kosten und CO2 einsparen und durch diese Reduzierung von Treibhausgasemissionen zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen.

Die Einstellung des Sion-Programms spiegle die Entscheidung des Unternehmens wider, sich angesichts der schlechten Bedingungen auf dem Kapitalmarkt auf ein weniger kapitalintensives Geschäftsmodell zu konzentrieren – rund 90 % des Finanzierungsbedarfs für 2023 wurden durch das Sion-Programm verursacht. Da das Sion-Programm ressourcenintensiv war, setzt das Unternehmen jetzt signifikante Einsparungsmaßnahmen um.

Skalierung der Technologie geplant

Der Anbieter arbeitet derzeit als Entwicklungspartner und Zulieferer mit Unternehmen in zehn Märkten in Europa, Asien und den USA zusammen, u.a. mit Mitsubishi Europe, CHEREAU und den beiden Volkswagen-Tochterunternehmen Scania und MAN Truck & Bus. In Zukunft will sich Sono Motors speziell auf Busse und Autos von anderen OEMs konzentrieren. Das Unternehmen wird nun seine Technologie weiter skalieren und mit der für das zweite Quartal 2023 geplanten Einführung der nächsten Generation des „Solar Bus Kit“ – einer massentauglichen Nachrüstlösung für einen umweltfreundlicheren ÖPNV – beginnen. Gespräche mit potenziellen Investoren konzentrieren sich fortan ausschließlich auf das Solargeschäft.

EU-Förderung unterstreicht das Potenzial

Das Potenzial der Technologie von Sono Motors wird nicht nur durch die Partnerschaften des Unternehmens, sondern auch durch die Europäische Union verdeutlicht. Im Januar sicherte sich Sono Motors eine Finanzierung in Höhe von 1,46 Mio. € von der Europäischen Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt („CINEA“), um die Entwicklung der unternehmenseigenen Solartechnologie voranzutreiben („SEAMLESS-PV” Projekt). Sono Motors gab zudem bekannt, dass es nun insgesamt 52 angemeldete oder erteilte Patente besitzt, von denen 42 die unternehmenseigene Solartechnologie betreffen. Das entspricht einem deutlichen Anstieg im Vergleich zu zehn Patenten, die zum Zeitpunkt des Börsengangs des Unternehmens im November 2021 angemeldet oder erteilt waren. Die Anzahl der angemeldeten oder erteilten Patente umfasst auch Patente, die sich auf dieselbe Innovation beziehen und in verschiedenen Bereichen angemeldet wurden.

Was bedeutet das?

Es hatte sich leider abgezeichnet, die Finanzierung einer Automobilentwicklung ist für ein Start-up fast nicht zu stemmen. Sono Motors hat es wenigstens versucht, ein "offizielles Auto für eine bessere Welt" zu entwickeln - und das unprätentiöse, pragmatische und aufs Wesentliche konzentrierte Konzept für Leute, die auf den "Tanz ums goldene Kalb" keinen Bock haben, sondern ein effizientes umwelt- und menschenfreundliches Transportmittel zum erschwinglichen Preis suchen, ist nach wie vor beeindruckend.

Kombiniert mit der reichweitenboostenden Solartechnologie, dem mittels eigener App verankerten Sharing-Gedanken, der von Anfang an mitgedachten V2G-Technologie, konsequentem Recycling- und Rohstoffkonzept sowie nachhaltiger und "right sized" statt "oversized" Batterie- und Ladetechnik wäre produktseitig ein treffliches Automobil daraus geworden.

Aber die Industrialisierung steht auf einem ganz anderen Blatt und da haben sich schon zahlreiche, bei weitem finanzkräftigere Unternehmen die Zähne ausgebissen. Auch Tesla ging einst durch die "Produktionshölle", wie es Elon Musk unverblümt bezeichnete, bevor man mit dem Model 3 überhaupt in größere Skalierung kam.

Nicht ganz unrecht haben die Gründer übrigens mit dem Vorwurf an die Politik: Wenn man bedenkt, mit wie vielen Milliarden Euro die Automobilindustrie während der Kurzarbeiterphase unterstützt wurde, wie viele Gelder in Forschungsprojekte bei den in der Mittelakquise höchst findigen Volumenherstellern fließen, ganz zu schweigen von der jahrelangen indirekten Förderung veralteter Technologie oder heillos überdimensionierter Fahrzeugkonzepte mittels Dienstwagen-, Diesel- oder Steuerprivileg, Pendlerpauschale oder PHEV-Förderung oder den Ansiedlungsincentives für namhafte US-Autohersteller, der ohne reichlich Geld vom Staat erst gar nicht in die Grünheide gekommen wäre.

Ganz ehrlich: Da wäre eine halbe Milliarde Euro an Steuergeldern bei Sono besser investiert gewesen, um einem deutschen Hersteller mit einer revolutionären Idee auf die Räder zu helfen - Standortförderung im besten Sinne. 

Daher zum Schluss ausnahmsweise noch ein persönliches Wort: Wir von VM haben das unkonventionelle und umweltbewegte Projekt von Anfang an mit großer Sympathie begleitet, fast aus der Garage heraus, als ein zerlegter Renault Twingo vor uns stand. Umso mehr bedauern wir, dass es nun doch nichts wird, mit dem "Besser-Mobil aus Bayern". Und wünschen, dass das zweite Standbein, das die Macher klugerweise schon vor Jahren aufgestellt haben, zumindest Teile der Firma weiter in die Zukunft trägt. Verdient hätte es die Idee und die Vision allemal. Heute trägt nicht nur der Sion "Schwarz", sondern eine ganze Vision "nachhaltigerer Auto-Mobilität".

Werbung
Werbung